Sorge um sozialen Wohnungsbau

Die Stadt soll mit dem Kreis das Gespräch suchen, fordern Politiker.

Sorge um sozialen Wohnungsbau
Foto: Archiv

Kreis Viersen. Mit Unverständnis haben die Politiker im Viersener Sozialausschuss auf eine Neuregelung bei den so genannten Kosten der Unterkunft reagiert. Sie befürchten, dass die neuen Bestimmungen dazu führen, dass Investoren keine neuen Sozialwohnungen in Viersen bauen und die Stadt Schwierigkeiten bekommt, Empfängern von Sozialleistungen Wohnraum anzubieten. Eine ähnliche Sorge hat auch Sven Karth, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Nettetal. „Es gibt ein Problem, wenn die Wohnungsbauförderbestimmungen barrierefrei als Standard vorschreiben, die dadurch entstehenden Nebenkosten beispielsweise für Aufzüge aber dann als unangemessen hoch eingeschätzt werden.“ Auch im Bestand — von den rund 1000 eigenen Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Nettetal sind drei Viertel öffentlich gefördert — gebe es viele Fälle, in denen die neuen Regeln dafür sorgen würden, dass sie nicht mehr an Empfänger von Sozialleistungen vermietet werden können. „Wir wollen das sachlich-fachlich mit dem Kreis klären“, betonte Karth.

Der Kreis Viersen hatte die Mietobergrenzen durch ein so genanntes „schlüssiges Konzept“ neu geregelt. Auf die Nettokaltmiete addierte die Kreisverwaltung die kreisweit gemittelten kalten Nebenkosten. Dies benachteiligt nach Ansicht von Viersens Sozialdezernent Paul Schrömbges die Kreisstadt stark. Mehr als jede zehnte Wohnung für Empfänger von Sozialleistungen werde dadurch als unangemessen teuer eingestuft und dürfte nicht mehr neu vermietet werden. Der Kreis verwies bei der Vorstellung der Neuregelung auf ein Gutachten, dass dennoch genügend Wohnraum in der Stadt Viersen zur Verfügung stehe. Das bestreitet Viersens Sozialdezernent: „Diese Wohnungen gibt es nicht.“

In der Sondersitzung des Viersener Sozialausschusses machten die Politiker ihrem Unmut Luft: „Wir stehen vor einem gravierenden Problem“, sagte Jürgen Moers (CDU). „Dem Wohnungsmarkt entsteht ein Schaden. Es ist unsere Aufgabe, dem Kreis klarzumachen, dass die Neuregelung eine Gefahr ist.“ Wolfgang Dressel (FDP) wies auf die demografische Entwicklung hin: „Es wird mehr ältere Menschen geben und mehr Menschen, deren Rente nicht ausreicht.

Deshalb nimmt der Bedarf an barrierefreien Sozialwohnungen zu.“ Dass der Kreis jetzt eine Vielzahl solcher Wohnungen als unangemessen teuer einstuft, sei ungerecht und nicht durchdacht. Dressel: „Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der neue US-Präsident einen Zwischenstopp im Kreishaus eingelegt hat.“ Uwe Peters vom Diakonischen Werk warf dem Kreis vor, den sozialen Wohnungsbau ad absurdum zu führen. „Welcher Bauträger sollte in Zukunft noch Geld in die Hand nehmen, um in Viersen sozialen Wohnungsbau zu errichten?“ Einstimmig forderten die Politiker des Viersener Sozialausschusses die Stadtverwaltung auf, mit dem Kreis Gespräche zu führen, um zu einer Lösung zu gelangen. „Wir brauchen sofort eine Lösung“, sagte Anne Kolanus (CDU). Um der Forderung mehr Gewicht zu verleihen, soll der Stadtrat in der kommenden Woche einen gleichlautenden Beschluss fassen. „Formalrechtlich haben wir keine Möglichkeit, gegen die Neuregelung vorzugehen“, berichtete Sozialdezernent Schrömbges. „Wir sind nicht klageberechtigt. Das sind nur die Mieter selbst.“

Die Neuregelung der Mietobergrenzen traf die Kreisverwaltung ohne politischen Beschluss, als laufendes Geschäft der Verwaltung. Am Montag, 13. Februar, wird sich der Sozialausschuss des Kreistags erstmals mit der umstrittenen Neuregelung befassen.

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