Sondersitzung zu Unterkunftskosten

Stadtdezernent Schrömbges kritisiert eine Neuregelung des Kreises für Sozialhilfeempfänger.

Kreis Viersen. Kann die Viersener Aktien-Baugesellschaft bald keine Sozialwohnungen mehr bauen? Müssen hunderte Hartz-IV-Bezieher in der Kreisstadt mittelfristig ihre Wohnungen verlassen? Der Sozialdezernent der Stadt Viersen, Paul Schrömbges, befürchtet genau das. Heute Abend wird der Sozialausschuss zu einer Sondersitzung zusammentreten, um das Thema zu beleuchten.

PaulSchrömbges, Sozialdezernent Stadt Viersen

Auslöser der Sorge ist eine Neuregelung bei den sogenannten „Kosten der Unterkunft“: Wer beispielsweise Hartz-IV bezieht, bekommt diese Kosten vom Kreis erstattet, wenn sie angemessen sind. Es ist mit rund 51 Millionen Euro der größte Posten im Kreishaushalt. Der Kreis hat als Träger der Sozialhilfe ein Konzept erstellt, in dem definiert ist, welche Mietkosten angemessen sind. Das Konzept fußt auf einem Gutachten der Firma Empirica. Neu ist, dass nun erstmalig auch die kalten Nebenkosten in die Untersuchungen einbezogen wurden — der Kreis setzt dabei einen Durchschnittswert für alle kreisangehörigen Kommunen an. Genau das könnte sich nach Ansicht des Viersener Sozialdezernenten zu einem großen Problem entwickeln.

„Die kalten Nebenkosten der maßgeblichen Wohnungen in der Stadt Viersen überschreiten diesen Durchschnittswert um 20 bis 40 Euro“, erklärt Schrömbges. „Dadurch gelten diese Wohnungen als nicht angemessen — wir dürften sie Beziehern von Sozialleistungen nicht zur Verfügung stellen.“ Insgesamt rund 5000 Viersener Haushalte erhalten Sozialleistungen, nach Angaben von Schrömbges sind rund 600 Bedarfsgemeinschaften von der Neuregelung betroffen, müssten sich eine neue Bleibe suchen. Viersens Sozialdezernent kritisiert die Neuregelung massiv: „Ich möchte ja keinen Streit mit dem Kreis. Aber die Sozialdezernentin blendet bei ihrer Neuregelung die Unterschiede bei den Kommunalabgaben völlig aus, wenn sie einen Durchschnittswert ansetzt.“

So enthalten die umstrittenen kalten Nebenkosten beispielsweise die Positionen für Grundsteuer, Straßenreinigung und Allgemeinstrom. Schrömbges betont, dass die Stadt Viersen von der Bausubstanz anders strukturiert sei als ländlich ausgerichtete Kreiskommunen: „Bei mehreren Geschossen haben viele unserer Häuser barrierefreie Zugänge über Aufzüge. Einige Mietshäuser sind mit Sozialräumen oder Gemeinschaftsflächen ausgestattet, die der Begegnung dienen.“ Diese strukturellen Unterschiede fänden bei dem vorgegebenen Durchschnittswert keine Berücksichtigung. Schrömbges: „Ich halte die vom Kreis Viersen getroffene Neuregelung für eine Katastrophe. Wir steuern auf ein Unterbringungsproblem zu. Ich kann doch nicht eine Frau Mitte 70, deren Rente nicht reicht, zum Ämterhopping schicken.“

Eigentlich müssten Bezieher von Sozialleistungen, die eine unangemessen teure Wohnung bewohnen, sofort ausziehen. Nach einem Krisengespräch zwischen Schrömbges und der Kreis-Sozialdezernentin Katarina Esser Mitte des Monats soll es nun eine Übergangsregelung bis 2018 geben. „Das betrifft aber nicht die, die jetzt eine Wohnung brauchen. In diesem Fall kann die Zustimmung zur Anmietung nur erfolgen, wenn die Bruttokaltmiete unter den Grenzen der Tabelle zur Bruttokaltmiete liegt“, erklärt Schrömbges. „Dieser Wohnraum wird in Viersen nur schwerlich zu finden sein.“ Der Stadtdezernent rechnet mit einem massiven Mehraufwand in der Fachstelle für Wohnungsnotfälle und wundert sich: „Durch die Neuregelung ist für den Kreis Viersen keine nennenswerte Einsparung erkennbar. Es entstehen vielmehr zusätzliche Kosten, wenn Umzüge und Renovierungen übernommen werden müssen.“

Der Kreis wollte sich gestern auf Anfrage zu den konkreten Kritikpunkten nicht äußern, sondern zunächst die Sondersitzung des Sozialausschusses abwarten. Der Beschlussvorschlag dort lautet, dass die Stadtverwaltung beauftragt wird, die besondere Problematik für die Stadt Viersen mit der Kreisverwaltung zu besprechen.

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