Schauspieler Dincer Gücyeter: Sehnsucht nach Heimat

Zwei Welten: Der Schauspieler Dincer Gücyeter schreibt Gedichte über seine deutsch-türkischen Wurzeln.

Niederrhein. Hingerissen, hergerissen: „Es ist diese Sehnsucht, diese Sehnsucht nach den Wurzeln meiner Familie, aber genau so diese Sehnsucht nach dem Leben hier!“

Diese Sehnsucht hat ihn gepackt, den Künstler Dincer Gücyeter. Seine Familie stammt aus Anatolien, er wurde in Nettetal geboren.

Um diese zwei Welten in Einklang zu bringen, schreibt er Gedichte. Und lebt seine Rolle auf der Theaterbühne aus. „Wohin fliegt eine Möwe, wenn sie ihren Ort verliert?“ Typisch diese Zeile aus dem Gedicht „Die geschminkte Möwe“: Dichter Dincer liebt Sinnbilder, Symbole, ist Lyriker durch und durch, schreibt über Liebe wie über Toleranz.

„Ich sitze, am liebsten im Schneidersitz, und denke, denke nach, bis ich Ruhe finde und das, was mich bewegt, in Bildern ausdrücken kann“, beschreibt er seine Methode.

33 Jahre alt ist Dincer, der Mann mit den Wuschelhaaren. Mit seinen oft leicht geöffneten Lippen scheint er die Welt um sich einzuatmen. Seine großen dunklen Augen nehmen alles auf, spiegeln seine Seele.

Eine Seele voller Sehnsucht: „Ich sehne mich nach Heimat.“ Wo ist seine Heimat? „Meine Mama und mein Papa hatten immer Heimweh“, erzählt er. Nach 40 Jahren in Nettetal noch immer Heimweh. Und in der Türkei wieder Heimweh nach Nettetal.

Dincers Rolle hier scheint vorgegeben — er verkörpert Integration. „Aber ich muss erleben, wie andere zum Beispiel rein theoretisch über Beschneidung urteilen, während ich sie selbst erlebt habe“, schildert er seinen Zwiespalt. Er hat noch diese Bilder vor Augen, den Schmerz in der Seele, wie sein Onkel ihn „damals festhielt . . .“

Eine passende Rolle verkörpert Dincer in der Theateraufführung „Dreck“, dem zeitkritischen Stück von Robert Schneider („Schlafes Bruder“): Unter der Regie von Gerd Buurmann spielt er in Köln den arabischen Rosenverkäufer Sad, ja eigentlich spielt er sich — entwurzelt und bemüht, mit seinen Wurzeln neu Fuß zu fassen.

„Die entwurzelte Heimat“ heißt denn auch Dincers Programm, bei dem er seine Gedichte und Geschichten vorträgt, begleitet von türkischen Musikern und Tänzern. Doch so sehr er hingerissen und hergerissen sein mag, so steht für ihn eins im Vordergrund: „Ich suche die Nähe der Menschen, den Dialog, das Miteinander.“ Weshalb er als Untertitel für sein Lyrikprogramm gewählt hat: „Ein Abend unter Freunden“.

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