Ruth Nobis: Eine Frau in Männer-Welten

Ruth Nobis war eine der ersten Messdienerinnen Deutschlands. Heute arbeitet sie bei der Bundeswehr — und schwenkt noch immer das Rauchfass.

Niederrhein. Wäre Ruth Nobis vor 50 Jahren als Junge zur Welt gekommen, wäre sie wahrscheinlich Priester geworden. Schon als Kleinkind spielt sie zusammen mit ihrem anderthalb Jahre älteren Bruder in Meerbusch-Osterath Messdiener. Die nötigen Informationen dazu kommen aus der Familie: Ein Großvater ist Küster, der andere Hobby-Organist, die Familie überhaupt sehr katholisch. „Meine Eltern haben sich sogar in Rom kennengelernt“, erzählt die resolute Frau mit der blonden Kurzhaarfrisur.

Eine Karriere in der Kirche bleibt ihr zwar verwehrt, dafür führt sie ihr beruflicher Weg in eine andere Männer-Bastion: die Bundeswehr. Auch dafür ist reichlich familiäre Erfahrung vorhanden, ein Onkel ist Drei-Sterne-General, ihr Vater Vize-Präsident der Wehrbereichsverwaltung in Düsseldorf.

Nach dem Studium der Pharmazie und der Lebensmittelchemie geht sie also „zum Bund“, arbeitet heute in der Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachung des Militärs. „Es wäre mir zu langweilig gewesen, 40 Jahre lang den ganzen Tag über in einer Apotheke zu stehen“, erklärt sie ihren Entschluss gegen die zivile Alternative, die sie über ein Jahr lang ausprobiert hat.

Als Spezialistin für Trinkwasser — unter anderem in einer entsprechenden Nato-Gruppe — war sie bereits viermal im Balkan-Einsatz, zweimal in Bosnien, zweimal im Kosovo. Auch nach Afghanistan könnte sie geschickt werden. Die Dezernentin im Münchner Sanitätsamt hat den Dienstgrad eines Oberfeldapothekers, was dem Oberstleutnant entspricht. Eine weibliche Bezeichnung gibt es nicht.

Das Leben in noch immer von Männern dominierten Welten bereitet Ruth Nobis offensichtlich keinerlei Probleme. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass sie es seit Jahrzehnten gewöhnt ist. In den 70ern gehört sie zu den ersten Messdienerinnen im Land. Auch 37 Jahre später kann sie sich genau an ihren ersten Dienst erinnern: „Es war der 22. April 1974, 19.30 Uhr, ein Montagabend.“

Doch nicht alle Gemeindemitglieder sind über das Ende des lange Zeit währenden Jungen-Monopols erfreut. Es regt sich Widerstand. Mädchen hätten anfangs nur werktags am Altar stehen dürfen, nicht während der begehrten Sonntagsmessen. Und nur solange, „bis es die Figur erkennen lässt, dass wir weiblich sind“, erinnert sich die 50-Jährige lächelnd an damalige Formulierungen. Auf einer internationalen Messdienerwallfahrt 1980 zählt sie in Rom 20 weitere Ministrantinnen — umgeben von etwa 15 000 männlichen Kollegen.

Ruth Nobis liebt das ehrenamtliche Arbeiten in Kirchen und für die Kirche: „Vor dem Abitur gab es ein Jahr, in dem ich über 200 Mal als Ministrantin gedient habe.“ Ende der 70er Jahre übernimmt sie auch den Küsterdienst in ihrer Heimatpfarre St. Nikolaus in Osterath. Dann bekommt sie Kontakt zur Krefelder Gemeinde St. Thomas Morus, wo sie sich ebenfalls engagiert. Heute fliegt sie an fast jedem Wochenende von Bayern an den Niederrhein, um am Gemeindeleben teilzunehmen. Auf die Frage, ob sie verheiratet sei, antwortet sie: „Nö, keine Zeit!“

Zusammen mit dem Pfarrer kümmert sie sich um die über 110 Messdiener von St. Thomas Morus, unternimmt mit ihnen Reisen nach Israel oder Bad Neuenahr. Und auch in der Bundeswehr frönt sie ihrer Leidenschaft. Bei Wallfahrten im französischen Lourdes war sie als Ministrantin neben dem früheren Militärbischof Johannes Dyba im Einsatz, später bei dessen Nachfolger Walter Mixa, der wegen der Affären um seine Person im vergangenen Jahr zurücktrat. Nun hat Franz-Josef Overbeck das Amt inne. Ihn hat Ruth Nobis noch nicht kennengelernt. Aber das ist nur eine Frage der Zeit.

Auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner akzeptiert die Frau in Uniform beim jährlichen Soldatengottesdienst zum Weltfriedenstag bei sich am Altar, obwohl die richtigen Dom-Messdiener nach wie vor männlich sein müssen. „Im Kölner Dom das Weihrauchfass zu schwenken, ist das Höchste für mich“, schwärmt die 50-Jährige. Dann überlegt sie kurz und sagt: „Naja, das Höchste wäre eigentlich, einmal im Petersdom dienen zu dürfen.“

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