Gymnasium in Nettetal Zuwendung für Geflüchtete

Nettetal · Am Werner-Jaeger-Gymnasium werden 30 junge Ukrainer unterrichtet – auch in den Ferien. Die Lehrer erfahren dabei auch viel von den Sorgen.

 Björn Rulands, Iryna Spennes und Barbara Prümen besuchten mit den geflüchteten Kindern den Kletterwald in Hinsbeck.

Björn Rulands, Iryna Spennes und Barbara Prümen besuchten mit den geflüchteten Kindern den Kletterwald in Hinsbeck.

Foto: Holger Hintzen

(H-H) Wie lange er jetzt schon in Deutschland ist? Vovas Mimik lässt erkennen, dass er die Frage verstanden hat. Dennoch antwortet der Elfjährige lieber noch auf Ukrainisch. „Sechs Monate“, übersetzt Iryna Spennes. Die Dolmetscherin ist vor 23 Jahren selbst aus der Ukraine nach Deutschland gekommen – der Liebe wegen – und hilft am Netetaler Werner-Jaeger-Gymnasium jungen Landsleuten, die mit Angehörigen vor dem Krieg in der Heimat geflohen sind, die deutsche Sprache zu erlernen.

20 Kinder werden an der Schule derzeit unterrichtet, berichtet Barbara Prümen. „Als der Krieg begann, haben wir gleich geahnt, was auf uns zukommen würde“, sagt die Deutschlehrerin, „schließlich haben wir schon Erfahrungen mit Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan gesammelt.“ Prümen hat auch langjährige Erfahrung darin, Ausländern die deutsche Sprache beizubringen. Vor 25 Jahren hat sie mit solchen Kursen in Volkshochschulen angefangen. Diese Kompetenz will sie auch in den Dienst der Schüler am Gymnasium stellen, unterstützt von Kollegen und Dolmetscherin Iryna Spennes. Die gelernte Mathematik- und Physiklehrerin hat jetzt eine befristete Anstellung am Werner-Jaeger-Gymnasium bekommen.

Spennes kann sich gut in die Schwierigkeiten einfühlen, vor denen ihre jungen Landsleute beim Sprachwerwerb stehen. „Deutsch zu lernen, ist schwierig, alleine schon, weil die Schrift ganz anders ist“, sagt sie. Aber die Ukrainerin kann auch die emotionalen Probleme nachvollziehen, die die Kinder seit ihrer Flucht haben. „Daheim haben die meisten in einer großen Wohnung gelebt und waren gut versorgt. Hier haben sie nichts“, sagt Spennes. Und dann erzählt sie von einem Mädchen, das neulich schützend die Arme über seinen Kopf warf, als ein Flugzeug droben am Himmel vorüberzog.

Vova vermisst in Deutschland seine ukrainischen Freunde

Vova vermisst in Deutschland seine Freunde, von denen er seit Monaten getrennt ist. Ein Freund sei in Bulgarien, eine Freundin in Polen, die übrigen seien daheim in der Ukraine geblieben. Doch zumindest an diesem Vormittag, an dem Vova mit einer Gruppe ukrainischer Schüler den Kletterwald in Hinsbeck besucht, scheinen die Sorgen in den Hintergrund getreten zu sein. Vovas Augen leuchten, wie die eines jeden Elfjährigen leuchten würden, wenn er sich tarzangleich durchs Geäst bewegen darf.

Der Ausflug steht am Ende eines zweiwöchigen Sprachkurses, an dem die Kinder trotz der Schulferien teilgenommen haben. Die Sorge der Lehrer: „Wenn sie sechs Wochen lang nur ihre Muttersprache sprechen, können wir nach den Ferien fast wieder bei Null anfagen“, sagt Prümen.

Zuviel des Guten kann aber auch schaden, dessen sind sich die Pädagogen bewusst. Darum sollte der Ausflug in den Kletterwald der Entspannung dienen. „Die Kinder sind traumatisiert, nicht nur wegen des Umzugs“, sagt Björn Rulands, der seine Arbeit mit den Geflüchteten auf sein normales Stundenpensum draufsattelt. „Wir dürfen die Kinder nicht auch noch mit der Erwartung überfordern, dass sie ganz schnell perfekt deutsch lernen und Abschlüsse machen“, sagt Rulands. Voba zumindest scheint sich von seinen bisherigen Schulerfahrungen in Deutschland nicht überfordert zu fühlen. Die Lehrer hier erklärten anders, alles sei anders, sagt er. Und seine Mimik sagt: im positiven Sinnen anders. Zu Spracherwerb und Integration tragen aber auch die Mitschüler am Nettetaler Gymnasium bei. Vieles ergibt sich halt im alltäglichen Umgang von alleine.

Nach einem halben Jahr seien die ukrainischen Geflüchteten in der Regel in der Lage, auf einem einfachem Niveau Deutsch zu sprechen, sagt Barbara Prümen.

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