Handwerk in Nettetal : „Es gibt schon mal Macho-Sprüche. Aber da steh’ ich drüber“
Kaldenkirchen. Andrea Brachert-Dirndorfer betreibt seit einem Jahr in Kaldenkirchen die Fahrradstube Nettetal. Mit einer mobilen Werkstatt besucht sie auch Kunden, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Sattel und Ersatzteile, neue Fahrräder und Zubehör jeglicher Art finden sich in dem geräumigen Laden mit Werkstatt. Das Lokal an der Steyler Straße, das Andrea Brachert-Dirndorfer seit gut einem Jahr betreibt, sieht genauso aus, wie man sich eine Fahrradwerkstatt vorstellt. Trotzdem ist etwas anders: Es stehen viele Lastenfahrräder und Dreiräder herum. Deswegen sieht sich Brachert-Dirndorfer nicht als Konkurrentin zu anderen Fahrradhändlern in der Region: „Jeder hat seine Schwerpunkte, die meisten setzen heute auf Pedelecs und E-Bikes, ich hab mich unter anderem auf Räder für Menschen mit Handicap und Lastenräder spezialisiert.“
Lastenräder sind in den vergangenen Jahren wieder sehr gefragt, ob für Familien oder für Handwerker. In Zeiten, in denen der Autoverkehr immer mehr zunimmt, wurden die Lastenräder wieder entdeckt. Sie könnten einen Großteil der motorisierten Transporte in den Innenstädten übernehmen. Dabei gibt es Lastenräder schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Später kamen Kurier- oder Bäckerräder hinzu.
Deshalb ist so manches Zweirad bei ihr in der Fahrradstube eigentlich ein Dreirad. Sie spricht über Marken und Modelle wie Cargo, Draisin, Pedelec Cargo oder BBF. „Ich befasse mich mit der Person und ihren Bedürfnissen, damit sie ein genau passendes Rad bekommt“, beschreibt Brachert-Dirndorfer ihr Prinzip. Ob altersbedingte Unsicherheiten oder Behinderungen unterschiedlicher Schwere, ob ein Lastenrad für die Freizeit oder für Handwerker – bislang habe sie immer alle Wünsche hingekriegt: „Eine technische Leistung allein bringt nix, ich will den Kunden zufriedenstellen.“ Deshalb fährt sie mit ihrem Lieferwagen mit der Aufschrift „Mobile Fahrrad-Werkstatt“ auch zu den Kunden, die etwa wegen einer Behinderung nicht so gut zu ihr in den Laden kommen können.
Sie liebt aber genauso den direkten Kontakt mit den Kunden im Laden. Ganz nah dran am Vorderrad, die Nase beinahe zwischen den Speichen, mit den Fingern fühlt sie hier, ruckelt da, Andrea Brachert-Dirndorfer kniet am Rad eines Kunden, schaut auf und sagt: „Alles gut, die Bremse ist okay.“ Auf ihre Diagnose kann der Kunde sich verlassen, denn sie ist erfahrene Zweiradmechanikermeisterin. Und als solche betreibt sie seit gut einem Jahr an der Steyler Straße in Kaldenkirchen die Fahrradstube Nettetal mit dem Slogan „Erfahren, was Service heißt“.
Gelernt hat sie im Fahrradgeschäft des Großvaters
Frauen in Männerberufen sind heute nichts Besonderes mehr. Aber eine Frau als Meister und Chef in einem Fahrradladen ist immer noch eine Seltenheit. Brachert-Dirndorfer stellt klar: „Mittlerweile gibt es zwar einige in unserer Branche, aber wir Frauen sind leider noch in der Minderheit.“ Dann schmunzelt die 63-Jährige: „Als ich damals im Fahrradgeschäft meines Großvaters in Groß-Gerau in Hessen in die Lehre ging, da war ich die einzige Fahrradmechanikerin weit und breit.“