Nabu: Die Schmetterlinge in Sassenfeld sterben aus

22 Schmetterlingsarten hat der Nabu auf dem Naturschutzhof gefunden — jedes Jahr werden es weniger.

Lobberich. Ständig auf der Flucht: Ein Schlenker nach links, dann nach rechts, kurz in die Wiese abgetaucht, dann nach oben geflattert — und schon ist das Ochsenauge weg. Der hübsche Falter entfleucht dem Häscher mit dem Kescher. Doch der will das Insekt nicht fangen, sondern nur registrieren: Markus Heines vom Naturschutzbund (Nabu) zählt und notiert seit 2003 bereits Schmetterlinge auf dem Naturschutzhof in Sassenfeld.

Sie heißen Landkärtchen und Admiral, Kleiner Fuchs und großer Kohlweißling. Unter den Insekten gehören sie zur großen Gruppe der Falter. Die meisten leben ständig hier, einige Arten machen sich alljährlich von Afrika aus auf den Weg. Schier unerschöpflich sind die bunten Muster der Flügel. Die kleinen Tiere sind Meister im Bestäuben von Blüten, wenn sie mit ihrem Rüssel zum Beispiel Nektar aufsaugen. Legendär ist ihre wunderbare Verwandlung von der Raupe über die Puppe zum fertigen Falter. „22 Schmetterlingsarten haben wir auf dem Naturschutzhof bisher gefunden“, erzählt Heines. Das hört sich viel an, doch die Ausbeute bei Zählungen wird von Jahr zu Jahr geringer.

Mit einem großen Kescher streift der Forscher behutsam Stauden und Gräser ab. Er hält inne, wenn ein Falter auffliegt, und notiert den Fund: „Ich fange einen Schmetterling nur, wenn ich ihn nicht genau erkennen kann und die Art bestimmen muss“, sagt Heines. Ansonsten sei das Keschern die schonendste Art, Schmetterlinge kurz aufzuscheuchen.

Wie aber erkennt er in dem Gewusel von Bienen, Wanzen und Käfern über Blüten und Rispen selbst die kleinsten Falter? „Ich mach das seit über zwölf Jahren“, weist Heines auf seine Erfahrung hin. Der Lobbericher war einer der ersten hierzulande, die ehrenamtlich Schmetterlinge zählen. Als gegen Ende des 20. Jahrhunderts immer auffälliger wurde, dass Arten und Zahl von Insekten abnehmen, wurden in England Schmetterlinge erstmals systematisch erfasst. In Deutschland leistete der Nabu in NRW, vornehmlich der Bezirksverband Krefeld-Viersen, Pionierarbeit. Er startete auch das Projekt „Zeit der Schmetterlinge“.

An diesem sonnigen, heißen Nachmittag begleiten einige Besucher des Naturschutzhofes Heines beim Zählen. Er erklärt zunächst, wie eine systematische Erfassung funktioniert: „Ich gehe mehrere Korridore von 50 Metern Länge ab.“ Zweieinhalb Meter nach rechts und nach links und fünf Meter in der Höhe werden alle Schmetterlinge notiert. Wie er zählen rund 600 Naturfreunde an 500 Stellen in Deutschland regelmäßig Schmetterlinge. In zehn Jahren wurden so 2,25 Millionen Tiere erfasst und nach Arten sortiert. Dabei muss alles seine Ordnung haben — Heines: „Die zwei Zitronenfalter dahinten nehme ich nicht mit auf, die fliegen außerhalb des Korridors.“

Die Ausbeute ist diesmal gering, bei weit über 30 Grad schränken viele Falter ihre Aktivität ein. Aber auch sonst findet Heines von Mal zu Mal weniger Schmetterlinge. „Umweltgifte wie etwa Pflanzenschutzmittel, Monokulturen und immer weniger natürliche Lebensräume führen dazu, dass die Zahl der Insekten und damit auch der Schmetterlinge rapide abnimmt“, sagt er. Immerhin hat er schon mal den äußerst seltenen Gelbwürfeligen Dickkopffalter auf dem „giftfreien“ Naturschutzhof entdeckt — der Fund ist eine kleine Sensation. Sechs Arten findet Heines diesmal, darunter einen Falter, der sich zunächst getarnt auf Staudenblüten verbirgt. Als er auffliegt, fallen gleich die augenähnlichen Punkte auf den Flügeln auf. Heines deutet vorsichtig auf den Schmetterling: „Ein Ochsenauge!“

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