Wie läuft’s denn in anderen Burgen?

In Kempen wird über die Zukunft der Burg diskutiert. Die WZ wagt den Blick über den Tellerrand — in die Region und nach Bayern.

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: dpa

Kempen. Das Märchenschloss ist nicht zu toppen. Laut der aktuellen Erhebung der Bayerischen Schlösserverwaltung besuchten im Jahr 2016 1,4 Millionen Menschen Schloss Neuschwanstein. Kein anderer Prachtbau lockt so viele Touristen an. Auf Platz zwei liegt Schloss Linderhof mit rund 430 000 Besuchern, ebenfalls ganz weit vorne ist Herrenchiemsee mit etwa 380 000. Von solchen Zahlen kann man in Kempen mit Blick auf die Burg nur träumen. Dennoch lohnt im Zuge der aktuellen Disskussion der Blick über den Tellerrand: Welche Modelle für den Betrieb und die Unterhaltung historischer Bauwerke gibt es? Die WZ hat sich dafür am Niederrhein, aber eben auch in Bayern umgeschaut.

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: Stiftung Schloss

Die Münchner Besonderheit: Dort kümmert sich eine zentrale Verwaltung, die dem Landesfinanzministerium untersteht, um die mehr als 40 Standorte im Staatsbesitz. Dazu gehört nicht nur weltberühmte Architektur wie etwa Neuschwanstein. Weniger prominente Beispiele sind die Willibaldsburg im Altmühltal (etwa 45 000 Besucher) oder Schloss Ehrenburg in Coburg (24 000).

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: Reimann

Alle sind touristisch erschlossen, überall wird Eintritt erhoben. Laut einer Sprecherin gibt es ein „ziemlich hohes Deckungsniveau“, die Rede ist von etwa 80 Prozent der Kosten, „große Baumaßnahmen“ einmal herausgerechnet. Und für den Rest? Steht der Freistaat gerade.

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: Red

Von den Alpen vor die Haustür: Burg Linn gehört zu den bekanntesten historischen Bauwerken in der Region. Sie ist Eigentum der Stadt Krefeld und wird vom Gebäudemanagement verwaltet. Sie ist ein Museum, im oberen Rittersaal finden regelmäßig Konzerte statt. Teile der Burg werden im Rahmen des bekannten „Flachsmarktes“ genutzt, den „British Days“ dient sie zumindest als stimmungsvolle Kulisse. Nach WZ-Informationen gibt es um die Burg innerhalb der Verwaltung keinerlei Diskussion. Im Gegenteil: Das Museumskonzept wird derzeit überarbeitet und erweitert.

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: Tourismus Niederrhein

Schloss Rheydt ist seit 1917 im städtischen Besitz. Es beherbergt seit 1922 das Städtische Museum Schloss Rheydt mit seiner umfangreichen Sammlung von Kunst- und Kulturgegenständen der Renaissance- und Barockzeit sowie zur Textilgeschichte Mönchengladbachs. Eine umfangreiche Restaurierung des Denkmals gab es von 1988 bis 1993, ermöglicht durch den Museumsverein, die Otto-von-Bylandt-Gesellschaft. Seitdem ist Schloss Rheydt größtenteils für Besucher zugänglich. In der Torburg befindet sich das Museumsatelier, in dem Workshops, Kinderkurse, Kindergeburtstageund mehr veranstaltet werden. Der Innenhof des Schlosses wird für die Open-Air-Reihe „Sommermusik Schloss Rheydt“ genutzt. Zudem finden jährliche Ritterspiele und Weihnachtsmärkte auf dem Gelände statt.

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: Lübke

Schloss Dyck ist zu einem beliebten Ausflugsziel geworden — nicht nur zum Weihnachtsmarkt. Mehr als 900 Jahre war es im Besitz der Familie zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, ehe 1999 eine Stiftung als Zentrum für Gartenkunst und Landschaftskultur gegründet wurde. Das Stiftungskapital stellten der Landschaftsverband Rheinland, der Rhein-Kreis Neuss, die Gemeinde Jüchen und die Sparkasse Neuss. Das Land NRW beteiligte sich. Die Kosten der aufwendigen Sanierung der Wasserschlossanlage und der Erweiterung des Landschaftsparks wurden in erster Linie vom Land und vom Rhein-Kreis getragen. Ausstellungen, einzelne Sanierungsmaßnahmen und Projekte werden über EU, Bund, verschiedene Stiftungen sowie die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe gefördert. Auch die Wirtschaft beteiligt sich, finanziert die Anlage und Pflege einzelner Gärten oder das Kulturprogramm und den Aufbau eines wissenschaftlichen Instituts. Es gibt dort das Institut für Gartenkunst und Landschaftskultur, Hotel, Gastronomie und die Möglichkeit zu heiraten.

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: Kreis Viersen

In privater Hand, aber von der Kommune gepachtet — so sieht es bei der Burg Brüggen aus. Dort gibt es eine Vielzahl von Nutzungen: Das Museum „Mensch und Jagd“ zeigt einheimische Tierarten sowie Waffen aus der Steinzeit bis zum 19. Jahrhundert. Seit 2002 können sich dort Besucher zudem über den Naturpark Maas-Schwalm-Nette informieren. Die Burg beherbergt Brüggens Touristik-Information und Räume für kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Theater und Kunstausstellungen. Im Burgsaal sind standesamtliche Trauungen möglich. Das Niederrhein-Theater ist ebenso Mieter wie eine junge Band, die dort proben kann. Jüngst wurde der Pachtvertrag mit der Eigentümerfamilie für weitere 20 Jahre abgeschlossen. Die Gemeinde zahlt eine Pacht und übernimmt anstehende Sanierungen. Die Burg ist also ein ordentliches Zuschussgeschäft für die Gemeinde. Zudem gibt es Auflagen, die sich aus dem Pachtvertrag ergeben. Zurzeit arbeitet die Gemeindeverwaltung an einem Konzept mit einer kompletten wirtschaftlichen Betrachtung, anstehenden Sanierungen und mit neuen Ideen für Gestaltung und Nutzung der Burg und des Geländes drum herum.

Wie läuft’s denn in anderen Burgen?
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Schloss Neersen ist Sitz der Willicher Stadtverwaltung. 1970 hatte die Stadt das Schloss mit den dazugehörigen Parkanlagen vom DRK gekauft. Zu diesem Zeitpunkt war der Westflügel mit seinen beiden Türmen eine Ruine, da ein Feuer 1859 das Schloss weitgehend zerstört hatte, nur Mitteltrakt und Ostflügel wurden später wieder aufgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte dort die 5th Armored Division der United States Army vorübergehend ihren Sitz. Anschließend ging das Schloss über den Kreis Kempen-Krefeld ans DRK, das es als Erholungsheim für Kinder nutzte. 1973 beschloss der Stadtrat den Wiederaufbau des Westflügels und die künftige Nutzung des Gebäudes als Verwaltungssitz. Der Umbau war 1982 abgeschlossen. Rund acht Millionen Mark hat seinerzeit die Restaurierung gekostet. Heute haben rund 40 Bedienstete der Willicher Verwaltung ihren Arbeitsplatz im Schloss — darunter Bürgermeister Josef Heyes. Außerdem finden dort seit mehr als 30 Jahren Schlossfestspiele statt.

Schloss Krickenbeck liegt idyllisch Im Naturschutzgebiet der Krickenbecker Seen in Hinsbeck und ist in privater Hand. Seit 2015 gehört es zur französischen Châteauform-Gruppe, die es als Seminarhaus mit 160 Zimmern und 28 Tagungsräumen vermarktet. Kinderheim, Hauptquartier einer US-Aufklärungsgruppe, Kloster, Altersheim — das Schloss hatte schon viele Funktionen. Dann drohte es zu zerfallen. Die WestLB kaufte es, sanierte es von Grund auf und richtete dort ihre Aus- und Weiterbildungsakademie ein. Die Baukosten lagen bei rund 85 Millionen Mark. Im Zuge der Abwicklung der WestLB wurde das Schloss verkauft. Für die Öffentlichkeit ist es nicht zugänglich. Bisher gab es auch die Möglichkeit, dort standesamtlich zu heiraten. Das ist in Zukunft nicht mehr der Fall.

Untrennbar mit dem Namen Joseph Beuys verbunden ist Schloss Moyland bei Bedburg-Hau im Kreis Kleve. Die Kunstsammlung des Museums umfasst hunderte Werke des Künstlers von Weltrang — und zieht entsprechend Besucher an. Die privatrechtliche Stiftung Museum Schloss besteht aus drei Partnern, darunter das Land NRW. Öffentliche Zuweisungen kommen nicht nur aus Düsseldorf, sondern auch vom Kreis, der Gemeinde und von einem Förderverein. Das Schloss dient auch als Archiv, wissenschaftliche Forschungsstätte und Veranstaltungsort.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort