Wenn die Flüchtlingskrise ein Gesicht bekommt

Der Syrer Baara Darwish war Freitagmorgen im Luise-von-Duesberg- Gymnasium zu Gast.

Wenn die Flüchtlingskrise ein Gesicht bekommt
Foto: Lübke

Kempen. „Unglaublich!“ - Baara Darwish benötigt nur ein Wort, um seine Flucht von Syrien nach Deutschland zusammenzufassen. Während der 30-Jährige Neuntklässlern des Luise-von Duesberg-Gymnasiums (LvD) seine Geschichte erzählt, scheint er manchmal selbst kaum glauben zu können, was hinter ihm liegt. Konzentriert und ruhig schildert Darwish seine Erlebnisse. Manchmal lacht er kurz. Dabei strahlt er eine Mischung aus Zweifeln und Zuversicht aus.

„Ich bin seit acht Monaten in Deutschland“, sagt Darwish: „Ich konnte nicht mehr in Syrien leben.“ Drei Jahre habe er den Krieg in seiner Heimatstadt Aleppo erlebt, auf eine Lösung gehofft. Zuletzt habe es weder Strom noch fließendes Wasser gegeben. Daher hat sich Darwish mit seinem Bruder entschlossen, das Land zu verlassen, auch wenn sie ihre Eltern zurücklassen mussten. „Sie sind zu alt für den Weg“, sagt Darwish. Wenn er in Deutschland eine Arbeit gefunden hat, möchte er sich um eine Visum für Vater und Mutter kümmern.

Darwishs Flucht führte zunächst in die Türkei. „Mit 30 Leuten sind wir in einem kleinen Boot von der Türkei auf eine griechische Insel gekommen.“ 500 bis 1000 Euro koste die Überfahrt mit den Schleppern. Im Januar sei er dann eine Woche zu Fuß durch Mazedonien gegangen. Bei Minusgraden sei es notwendig gewesen, sich permanent zu bewegen, um nicht zu erfrieren. Weitere Gefahr: „Es waren Diebe mit Schusswaffen und Messern unterwegs.“ Auf ihrem Weg haben sich Darwish und die anderen Flüchtlinge an den Bahnschienen orientiert. In Serbien traf er auf Schleuser, die ihn und seinen Bruder durch Ungarn und Österreich nach Deutschland brachten. „Ich habe alles verloren. Meine Heimat, meine Zukunft, meine Praxis“, konstatiert Darwish nachdenklich. In Syrien hat er als Orthopäde gearbeitet.

Nach den Schilderungen herrscht Stille im Klassenraum. So greifbar war die Flüchtlingswelle bislang nur für wenige Schüler. Später stellen sie Fragen. Wie Darwish seine Zukunft in Deutschland sieht, möchte ein Mädchen wissen. Die Antwort klingt zuversichtlich: „Ich glaube, ich habe eine gute Chance zu arbeiten. Ich muss nur meine Sprachkenntnisse verbessern.“ Schon in Syrien hat Darwish angefangen Deutsch zu lernen. Aktuell arbeitet er an einem Sprachdiplom. Dieses ist Voraussetzung, damit seine Approbation als Orthopäde anerkannt wird. Beim Gespräch mit den Schülern lässt Darwish seine Grammatik immer wieder korrigieren. Er ist Perfektionist. Besonders die Artikel seien schwer, sagt er lachend. Es sind die Momente, in denen deutlich wird, dass Darwish bereit ist ein neues Leben zu beginnen.

Bald beginnt er ein Praktikum am Kempener Krankenhaus. Gerne hilft er auch bei der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge in der Via Stenden. Und wie gefällt ihm das Leben in Kempen, das er rund um seine Wohnung in der Altstadt erlebt? „Die Menschen sind sehr nett“, sagt Darwish. Er sei froh, hier zu sein.

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