Wander-Ausstellung Inklusion Raus aus dem Corona-Schatten

Kempen · Auch Menschen mit Behinderung hatten unter Corona schwer zu leiden. Eine Wanderausstellung mit Alltagsfotos einer Kempener Wohngruppe, die in diversen Geschäften in der City zu sehen ist, rückt ihr Leben in dieser Zeit in den Fokus.

 Die Menschen in den Blick nehmen, die aus dem Blick geraten sind - dieses Ziel verfolgen Rainer Hamm, André Sole-Bergers, Pia Grühn, Conny und Armin Horst

Die Menschen in den Blick nehmen, die aus dem Blick geraten sind - dieses Ziel verfolgen Rainer Hamm, André Sole-Bergers, Pia Grühn, Conny und Armin Horst

Foto: Alexander Florié-Albrecht

Es war der 22. März 2020, als mit dem ersten Lockdown das gesamte öffentliche Leben mit einem Schlag herunterfahren wurde. Zu dieser Zeit ging André Sole-Bergers, Mitarbeiter der Lebenshilfe Kreis Viersen, in Wohngruppen, um diese zu unterstützen.  „Da wurde ich in meine Zeit in der Rolle als Betreuer zurückversetzt“, sagt er heute. Sein Weg führte ihn auch in die Lebenshilfe-Wohngruppe in Kempen.

Dort erlebte er mit, wie sich die Corona-Zeit niederschlug. „Die Menschen mit Behinderung wurden da irgendwie vergessen“, ist sein Eindruck. Denn die Situation mit rund 26 Bewohnern plus Pfleger – also gut 40 Personen – war unter diesen besonderen Bedingungen nicht einfach. Ob der Tagesausflug, der Cocktail im Lokal „Venga“ oder der Tanzkurs – auch ihr Leben kam zum Erliegen. Wochenlang habe keiner der Bewohner das Haus verlassen oder Besuch empfangen dürfen, erinnert sich Betreuerin Pia Grühn. Und die Menschen, die sich vorher eigenständig bewegen konnten, durften nicht mal mehr einkaufen gehen. „Da gab es viel Videotelefonie mit Freunden. Das war echt eine schwierige Zeit“, erinnert sie sich. Begleitet von viel Angst und Unsicherheit.

Viel Improvisation war
während des Lockdowns gefragt

Man musste viel improvisieren, schaute sich Youtube-Videos an. Als es dann etwas besser wurde, „stand Fahrradfahren hoch im Kurs. Einmal haben wir Müll gesammelt“, erzählt Sole-Bergers. Und tatsächlich konnte man auch mit Bewohnern wie Conny, einem der Protagonisten der Fotoserie, Einzelausflüge machen.

Der zweite Lockdown habe vielen zu schaffen gemacht. „Wir betreuen auch viele, die psychische Probleme haben“, sagt Sole-Bergers. Irgendwann war dann das Repoertoire an Aktivitäten ausgeschöpft – auch wenn seitens der Stadt da ein „schöner Rückhalt“ bestand und sogar vom Bürgermeister Kempen-Postkarten zur Verfügung gestellt wurden, sagt der Lebenshilfe-Mitarbeiter.

Der Hobby-Fotograf machte ab März drei Monate lang Fotos vom Alltag der Wohngruppen-Mitglieder – ob beim Staubsaugen oder beim Bügeln. Alle Bilder wurden in Schwarz-Weiß gemacht, um eine gewisse Einheitlichkeit herzustellen. „Wir hatten dann auf einmal 330 Herzen für das  Staubsaugen-Bild bei Instagram und haben gemerkt, das kam gut an.“ Vielleicht auch, weil bei vielen eine veraltete Vorstellung von Wohngruppen bestehe, meint Betreuerin Pia Grühn. 

Eine Win-Win-Situation
für alle Beteiligten

So entstand die Idee einer Ausstellung, um die Menschen ein Stück weit aus der Anonymität im Schatten der Corona-Krise zu holen.  Mit der NEW und der Volksbank Kempen fanden sich direkt Kooperationspartner. Mit dem zweiten Lockdown blieb die Idee aber erstmal liegen. Dann sprach Sole-Bergers den Werbering Kempen an, der die Idee gut fand.

Denn das Konzept, Bilder in Schaufensterm zu zeigen, war für die Mitgliedern des Werberings nicht neu. „Das hatten wir schon zum Stadtjubiläum gemacht. So wussten sie, worauf sie sich einlassen. Eine klasissche Win-Win-Situation“, meint Werbering-Geschäftsführer Rainer Hamm.

Insgesamt 15 Geschäfte erklärten sich bereit, ihre Schaufenster für die Arbeiten von Sole-Bergers zur Verfügung zu stellen. „Es hätten sich bestimmt noch mehr gemeldet, wenn nicht Urlaubszeit wäre“, freut sich der Vorsitzende des Werberings, Armin Horst, darüber, dass man einen konstruktiven Beitrag für das Projekt leisten kann. Und bei denjenigen, die auf den Fotos zu sehen sind, herrscht wie bei Conny Freude: „Ich bin dankbar, weil ich sehe, dass diese Fotos einfach schön sind.“

Bis zum 8. Oktober sollen die Werke in den Schaufenstern der Stadt zu sehen sein. Auf der Webseite der Lebenshilfe Viersen findet sich ein Routenvorschlag für die Kempener-Wanderausstellung mit dem Ausgangspunkt Vorster Straße – von dort aus zur Ellenstraße, Neustraße, Judenstraße, zum Studentenacker, zur Umstraße und über die Burgstraße zum Landgasthof Haus Bellen an der Hülser Straße. Über Open-Street-Map findet sich dazu die entsprechende Wegbeschreibung. Im Anschluss daran sollen die Bilder in einem Heinsberger Café zu sehen sein.

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