Thomaeer reisen in die 1920er Jahre

„Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ gefällt abwechslungsreich.

Kempen. So etwas hat es am Thomaeum noch nicht gegeben. Das fiel sofort jedem Zuschauer auf. Zur Aufführung von „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ fehlten die sonst üblichen Stuhlreihen im Publikum. Stattdessen standen viele Tische in der Aula, an denen rund herum Platz genommen wurde. Zwei Bühnen und Bewirtung im Zuschauersaal waren ebenfalls ungewohnt — aber erfolgreich. Alles im Flair der 20er-Jahre. Dieses Ziel hat sich der Literaturkurs der Jahrgangsstufe 12 gesetzt.

Aus den Lautsprechern kommt Musik von Marlene Dietrich und Gustav Gründgens, auch „Mackie Messer“ darf nicht fehlen. Auf der Leinwand läuft ein schwarz-weiß-Film mit dem jungen Hans Albers. Mit Hilfe von Kostümen und Frisuren werden die Zuschauer mit auf eine Zeitreise genommen. Durchs Publikum laufen Bettler und Losverkäufer. Die 26-köpfige Theatergruppe unter der Leitung von Brigitte Nienhaus zeigt das Leben der Berliner zwischen den Weltkriegen. „Oder wie es hätte sein können“, bemerkt der Conférencier (Jannik Lange) zu Beginn der Vorstellung.

Das selbstgeschriebene Stück ist eine Collage, die Modernisierung, Wirtschaftskrise, Gesellschaft und Politik thematisiert. Es enthält Elemente von Erich Kästner und „Berlin Alexanderplatz“. Aber es gibt auch einen roten Faden: Die junge Kellnerin Maria (Sabrina van Stiphout) wird durch einen Kaffee-Automaten ersetzt und landet in einer Bar. Dort trifft sie den Börsenspekulanten Friedrich (Yannick Jonat), der erst viel Geld verdient, es dann aber in der Wirtschaftskrise wieder verliert. Eines Nachts wird Maria ermordet, der mutmaßliche Täter vom Gangsterboss gerichtet und die Polizei bestochen.

In der Bar geht das Leben weiter: Während Nazis gegen Sozialdemokraten und Homosexuelle wettern, sorgen die Barsängerin (Judith Deußen, mit beeindruckender Stimme), leicht bekleidete Tänzerinnen sowie Prostituierte für Kurzweil. Das Theaterstück steht unter strenger Beobachtung des Revue-Produzenten (Mathias Herwix), der sich zwischendurch zu Wort meldet. Doch trotz seiner Befürchtungen, der Inhalt könnte zu politisch sein, ist ein abwechslungsreiches Schauspiel entstanden, das das Publikum begeistert. leh

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