Sparprogramm Kempen: Haushaltssicherungskonzept ist wohl nicht mehr zu verhindern

Kempen. · Strukturelles Defizit zwingt die Stadt Kempen zum großen Sparprogramm.

Formal ist der Vorgang sehr komplex, unterm Strich aber ganz einfach: Politik und Verwaltung müssen sich darauf einstellen, dass die Stadt Kempen in den nächsten Jahren eine Menge Geld sparen muss. Im Haupt- und Finanzausschuss am Dienstag machte Kämmerer Jörg Geulmann deutlich, dass das Haushaltssicherungskonzept (HSK) fast nicht mehr zu vermeiden sei. In der Planung für den Haushalt 2021 seien die Ämter bereits in Kenntnis gesetzt, dieses Szenario einzuplanen. Seit Ende August gebe es Gesprächsrunden dazu; Anfang Oktober soll auch erstmals der politische Arbeitskreis „Haushalt“ tagen.

Wenn eine Kommune im gesetzlich vorgeschriebenen HSK landet, bedeutet das, dass in einem Zeitraum über zehn Jahre Einsparungen vorweisen muss. Ausgaben, die nicht unbedingt nötig sind, dürften nicht mehr bzw. nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörden getätigt werden. Kempen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit erstmals im HSK landen, weil die sogenannte Ausgleichsrücklage in größerer Form genutzt werden muss als in früheren Jahren. Wenn eine Kommune in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mehr als fünf Prozent der Rücklage einsetzen muss, ist das HSK vorgeschrieben, heißt es sinngemäß im Gesetzestext. Laut Geulmann wird der Kempener Haushalt in 2023 und 2024 deutlich über der Fünf-Prozent-Marke landen: und zwar jeweils bei über elf Prozent. „Ich denke, dass das die dramatische Situation verdeutlicht“, so der Beigeordnete.

Das jährliche Minus wird in den Prognosen der kommenden Jahre immer größer. Für das laufende Jahr rechnet Geulmann mit einem Minus von 9,8 Millionen Euro, für 2021 mit 8,6 Millionen Euro. In den Jahren 2022 bis 2024 stehen derzeit die Minuszahlen 14,2, 13,7 und 12,9 Millionen Euro. Und erneut gab Geulmann einen wichtigen Hinweis: „Unsere großen Investitionen der kommenden Jahre, wie zum Beispiel das Projekt Schulcampus, sind noch gar nicht eingerechnet.“ Insofern habe Kempen mit einem strukturellen Defizit zu kämpfen.

Dieses werde zwar auch von der Corona-Krise befeuert. Die Pandemie sei aber keinesfalls der Auslöser für die Kempener Haushaltskrise. Derzeit rechnet Geulmann für 2020 mit einem Corona-Loch von rund vier Millionen Euro. Zwei Millionen davon seien auf ausbleibende Gewerbesteuer zurückzuführen. Weitere 1,3 Millionen Euro fehlten aufgrund von rückläufiger Anteile an der Umsatz- und Einkommenssteuer. Letztlich gebe es zusätzliche Corona-Aufwendungen von 459 000 Euro und weniger Einnahmen von 445 000 Euro.

Zurück zum Haushaltssicherungskonzept: Laut Geulmann ließe sich dieses nur noch verhindern, wenn es gelingt, zwischen 2020 und 2022 zwölf Millionen Euro einzusparen. Nur so könnte der Rücklagen-Gebrauch in 2023 unter fünf Prozent gedrückt werden. „Aber ganz ehrlich: Meiner Meinung nach würden wir das HSK so auch nur aufschieben beziehungsweise rauszögern“, befand der Kämmerer in der Ausschusssitzung. Die andere Variante, 2021 ins Sicherungskonzept zu gehen und den Haushalt über einen Zeitraum von zehn Jahren auszugleichen, sei die weitaus klügere Herangehensweise.

Die intensiven Sparberatungen sollen also noch in der alten Ratskonstellation beginnen und dann mit den neuen Mehrheitsverhältnissen und dem neuen Bürgermeister Christoph Dellmans nach dem 3. November fortgesetzt werden. Kritik daran gab es von Günter Solecki (Die Linke). Der „alte Rat“ solle sich damit doch gar nicht mehr befassen. Geulmann entgegnete aber, dass auch in den nächsten Wochen schon wertvolle Zeit genutzt werden könne. „Im Übrigen gehe ich davon aus, dass Herr Dellmans sich schon jetzt in den Kreis einbinden wird“, sagte Geulmann und drehte sich zum künftigen Bürgermeister um. Vom hinteren Platz dort gab es ein Nicken und ein Augenzwinkern.

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