Umfrage Viel Aufwand für wenig Umsatzplus?

Kempen/Willich/Tönisvorst/Grefrath. · Viele Einzelhändler in Kempen, Willich, Tönisvorst und Grefrath sehen die Mehrwertsteuersenkung kritisch. Sie glauben nicht, dass die Steuerersparnis für viele Kunden ein großer Kaufanreiz ist.

 Anita Brauers, die Leiterin des Vienhues-Biomarktes in Kempen, macht Kunden mit einem Schild vor dem Geschäft auf die Senkung der Mehrwertsteuer ­aufmerksam.

Anita Brauers, die Leiterin des Vienhues-Biomarktes in Kempen, macht Kunden mit einem Schild vor dem Geschäft auf die Senkung der Mehrwertsteuer ­aufmerksam.

Foto: Wolfgang Kaiser (woka)

„Ob das so ein Riesenanreiz ist, etwas zu kaufen?“ So wie Stefan Robben vom gleichnamigen Herrenausstatter es in den Raum stellt, sehen es etliche Einzelhändler in der Tönisvorster Innenstadt. Die Mehrwertsteuersenkung, mit der die Wirtschaft angekurbelt werden soll, löst Skepsis aus. Robben zählt sich selbst zum „kleinen Konsumbereich“, wie er es beschreibt. Ein Herrenhemd, das bisher bei ihm 29,90 Euro kostete, ist durch die Steuersenkung nun 89 Cent günstiger.

„Zudem gibt es generell schon gute Angebote für die Kunden, auch ohne Mehrwertsteuersenkung“, sagt er. Dennoch wird er die Senkung von 19 auf 16 Prozent Mehrwertsteuer weitergeben, egal, ob etwas schon vorher reduziert war. Anders ausgezeichnet hat er seine Ware aber nicht. Der Rabatt wird an der Kasse abgezogen. Das macht auch Birgit Felde von Wäsche, Mieder und Wolle Schuffelen in Anrath so. „Alles geht normal weiter, nur dass wir am Ende drei Prozent abziehen“, sagt Felde, die das Ganze pragmatisch sieht. Wobei es genau genommen nur 2,52 Prozent sind. Denn es wird vom rechnerischen Endpreis abgezogen. Die Steuer wird auf den Nettopreis aufgeschlagen. Entsprechend werden bei der Steuersenkung lediglich drei Prozentpunkte von 119 Prozent Gesamtpreis abgezogen. Das macht 2,52 beziehungsweise 1,87 Prozent bei zwei Prozentpunkten beim reduzierten Mehrwertsteuersatz aus.

„Eine völlig sinnlose Aktion, die uns Einzelhändlern viel Arbeit macht. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis“, sagt Brigitte Boves vom gleichnamigen Geschäft Chic mit Stick in Kempen. Sie spricht von einer unüberlegten Entscheidung der Regierung. Der Gau wäre es in ihren Augen aber noch gewesen, wenn das gesamte Warensortiment hätte umetikettiert werden müssen. Denn das wäre ansonsten schließlich zweimal der Fall gewesen – jetzt die Preise runter und zum Ende des Jahres wieder rauf. Schließlich ist die Mehrwertsteuersenkung nur für ein halbes Jahr vorgesehen.

Umzeichnung ihrer Waren ist für
manche Händler gar nicht möglich

„Bei der Menge unserer Waren hätten wir gar nicht umzeichnen können. Das wäre Wahnsinn gewesen“, sagt Alfred Erren vom gleichnamigen Spiel- und Schreibwarengeschäft in Willich. Er fühlt sich als Einzelhändler indes schon genug gebeutelt. Die Mehrwertsteuersenkung sieht er als zusätzliche Belastung. Das gesamte Kassenprogramm muss für die korrekte Buchung geändert werden – in seinen Augen völlig unnötige Kosten. „Viel Aufwand für wenig“, fasst Erren seine Meinung in einem knappen Satz zusammen. Dem schließt sich Karl Gross von der Grefrather Buchhandlung an. „Ich muss meine Kasse zum Kassenhersteller nach Krefeld bringen, damit sie programmiert werden kann. Das kostet Geld, und im Januar habe ich das gleiche Spiel in umgekehrter Richtung wieder. Wobei in dieser Zeit die Kasse fehlt, was umständlich und ärgerlich ist“, sagt Gross. Was sich die Politik vielleicht mit guten Willen ausgedacht habe, führe in der Praxis zu Schwierigkeiten, und niemand habe so richtig etwas davon, fügt der Buchhändler an. „Wenn jemand einen Ferrari kauft, hat er vielleicht etwas von der Mehrwertsteuersenkung, obwohl ein solcher Mensch es sicherlich nicht braucht. Wer aber normal einkauft und keine besonderen Großanschaffungen plant, der profitiert nicht wirklich“, findet Groß. Zumal er sich fragt, wer in solchen Zeiten Geld für Großanschaffungen
hat.

Werbung für die Mehrwertsteuersenkung sieht man in den Innenstädten kaum. Beim Bio-Markt Vienhues in Kempen steht eine der wenigen Informationstafeln zur Mehrwertsteuersenkung. „Die MwSt-Senkung des Konjunkturprogrammes geben wir selbstverständlich in vollem Umfang an Sie weiter. Den jeweiligen Nachlass können Sie am Kassenbon einsehen“, heißt es dort. Allerdings will das Kassensystem noch nicht alles mitmachen. Jeder Preis muss per Hand eingegeben werden. Der Kassenzettel wird indes um einiges länger. „Einzelrabatt 2%“ samt der entsprechenden Summe ist unter jedem gekauften Produkt zu lesen.

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