Ex-Außenminister in Kempen Gabriel und der Einfluss Europas

Kempen · Mit dem Besuch des Ex-Außenministers läuteten die Sozialdemokraten am Montag in Kempen den Europa-Wahlkampf ein.

 Ex-Außenminister Sigmar Gabriel vor seiner Rede im Kolpinghaus – eingerahmt von der stellvertretenden Kreisvorsitzenden Tanja Jansen (Nettetal) und Kempens SPD-Chef Stefan Kiwitz.

Ex-Außenminister Sigmar Gabriel vor seiner Rede im Kolpinghaus – eingerahmt von der stellvertretenden Kreisvorsitzenden Tanja Jansen (Nettetal) und Kempens SPD-Chef Stefan Kiwitz.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Beginnen wir mal ausnahmsweise salopp: Vom Stuhl gerissen hat die Rede von Sigmar Gabriel im Kolpinghaus nicht viele. Es waren acht von etwa 200 Sozialdemokraten, die nach Gabriels Worten aus einem starken Applaus stehende Ovationen machen wollten. Geschätzte 192 Gäste applaudierten lieber sitzend. Vermutlich waren die Worte des Ex-Außen- und Ex-Wirtschaftsministers sowie Ex-Parteivorsitzenden etwas zu weit weg von der sozialdemokratischen Seele. Aber es waren die entscheidenden Themen für Europa, die Gabriel am Montagnachmittag rund zweieinhalb Monate vor einer für den Kontinent richtungsweisenden Europawahl behandelte.

Wie kann sich Europa in der Weltordnung behaupten?

„Wie kann sich Europa in einer Welt behaupten, in der sich mit China und den USA zwei Spieler befinden, die die Spielregeln bestimmen wollen?“, fragte Gabriel in den Saal – und gab gleich selbst die Antwort: Indem die europäischen Staaten wieder eine starke Gemeinschaft bilden. Stattdessen spielten immer mehr nationale Interessen oder das Schaffen von Steueroasen in Europa eine Rolle. Dies sei der falsche Weg. Und deshalb müssten die Demokraten den Nationalisten und Rechtspopulisten am 26. Mai bei der Europawahl deutlich machen, für welches Europa die Mehrheit der Menschen steht.

Nur als starkes Bündnis werde die EU überhaupt noch in der Welt ernst genommen. Mächte wie die USA, China und Russland stellten die Ernsthaftigkeit der Union infrage. „Die Europäer gelten schon jetzt als Vegetarier in einer Welt von Fleischfresser. Wenn jetzt noch die Briten weg sind, werden wir zu Veganern“, so Gabriel in seinem durchweg frei formulierten Beitrag.

Mit Blick auf die Bundespolitik schaute Wirtschaftspolitiker Gabriel auf dem Umgang Deutschlands mit dem Kohleausstieg. Rund 80 Milliarden Euro koste der vorzeitige Ausstieg aus der Braunkohleförderung – und zwar sieben Jahre vor dem Datum, zu dem der Ausstieg ohnehin geplant gewesen sei, so Gabriel. Im Verhältnis dazu stellte der Sozialdemokrat die 150 Milliarden Dollar, die China zur Förderung der künstlichen Intelligenz ausgibt. Im Haushalt der Bundesrepublik stünden dafür nur drei Milliarden Euro. Ob dies zukunftsgerichtet sei, müsse man dann schon stark bezweifeln, so der Bundestagsabgeordnete.

Zurück nach Europa: Um die Zukunft der Gemeinschaft zu sichern, will Gabriel den Vorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Marcon folgen. Dieser hatte sich jüngst an die Bürger in Europa gewandt. Sie sollten sich gegen eine nationalistische Abschottung stemmen. Auf diesen Neuanfang per Brief hat Macron aber aus der Sicht von Sigmar Gabriel wenige Antworten bekommen – vor allem aus Deutschland. Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, „die ich durchaus für motivierter gehalten habe“, habe sich geäußert. Ansonsten sei es nicht viel gewesen – auch aus der SPD, so der Ex-Vorsitzende.

Schiefner zu Gabriel: „Die Sozialdemokratie braucht Dich“

Die europäische Gemeinschaft habe den Menschen in Europa in den vergangenen Jahrzehnten den Frieden gesichert. Spätestens zur Europawahl sei die Zeit gekommen, diese Werte zu verteidigen. Sonst werde die nächste Generation schon fragen, was anno 2019 gegen diese nationalistischen Tendenzen getan worden sei. Der dreifache Vater Gabriel – seine Töchter sind zwei, sieben und 30 Jahre alt – macht sich nach eigenen Angaben Sorgen, ob seine Kinder noch souverän über ihr Leben entscheiden können. Zu groß sei der Druck großer Mächte und zu klein das, was einzelne Staaten in Europa entgegensetzen könnten. Derzeit passiere nichts anderes als das Ende der Nachkriegsordnung – und nur ein vereintes Europa könne Einfluss auf eine neue Ordnung nehmen.

Der Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Udo Schiefner dankte Sigmar Gabriel: „Die Sozialdemokratie braucht Dich. Deutschland braucht Dich“, sagte der Kempener in Richtung seines Fraktionskollegen.

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