Radeln, wo früher die Züge rollten

Die alte Bahntrasse zwischen Kempen und Grefrath ist heute ein Juwel für Radler. Vor 30 Jahren wurde sie verwirklicht.

Grefrath/Kempen. Radfahren ist — ob mit oder ohne elektrische Unterstützung — gefragt. Und wenn die Radler dann auch noch ideale Strecken vorfinden, die durch die schöne niederrheinische Landschaft führen, ist dies noch weitaus interessanter. Vor 30 Jahren haben die Nachbarkommunen Kempen und Grefrath vorausgedacht und eine Radtrasse auf der alten Bahnstrecke von Grefrath nach Kempen verwirklicht, die heute ein Juwel für Radler ist.

Züge fahren dort schon länger nicht mehr. Der Personenverkehr, meist mit dem roten „Uerdinger Schienenbus“, wurde vor 35 Jahren eingestellt. Die Stadt Kempen und die Gemeinde Grefrath waren sich danach relativ rasch einig, dass man einen Rad- und Wanderweg anlegt, der über die alte Trasse führt, wie auch über Feldwege, die an der ehemaligen Strecke liegen. Die Grefrather Grünen hatten damals Bedenken, da „erneut Fläche versiegelt wird“, wie der Fraktionsvorsitzende Wilfried Maziul meinte. Ebenso gab es Kritik der Grünen damals an der Brücke aus „Bongossi-Holz“ über die Niers.

Radeln, wo früher die Züge rollten
Foto: Lübke

Der Radweg führt vorbei am alten Mülhausener Bahnhof, in dem es heute eine Gaststätte gibt. Es geht durch Kamperlings und an den „Haltpunkt Kamperlings“ erinnert noch ein Schild. Auf Grefrather Gebiet, zwischen Mülhausen und Grefrath, erinnert ein Stück Gleis, eine Tafel und Signalanlagen an die ehemalige Bahnstrecke. Die führte einst von Grefrath weiter nach Lobberich und den Haltepunkt De Wittsee bei Leuth bis nach Kaldenkirchen und Venlo.

Die endgültige Streckenstilllegung zwischen Grefrath und Kaldenkirchen erfolgte zum 31. Dezember 1999. Seit gut einem Jahrzehnt gibt es den Rad- und Wanderweg von Grefrath bis nach Kaldenkirchen, der unter anderem an der ehemaligen Müllkippe „Lobbericher Berg“ sowie am de Wittsee vorbeiführt.

Die Gleise am Bahnhof in Kempen für die Strecke nach Grefrath und Kaldenkirchen sind längst abgebaut. Sie mussten weichen für eine Fahrradabstellmöglichkeit und einen Parkplatz. Die Strecke von Kempen nach Kaldenkirchen könnte — würde sie noch bestehen — bald runden Geburtstag feiern. Denn die Rheinische Eisenbahngesellschaft, die die Strecke einst baute, gab sie im Dezember 1867 für den Güterverkehr und am 1. Januar 1868 für den Personenverkehr frei, so dass die Strecke 150 Jahre alt würde.

Der Bahnhof Mülhausen-Oedt, wie er offiziell einst hieß, wurde auf Initiative des Ordens der Schwestern Unserer Lieben Frau gebaut, die in Mülhausen die Liebfrauenschule betrieben. An der Strecke ist der Lobbericher Bahnhof der einzige, der abgerissen wurde. Im Jahr 1976 musste das Gebäude weichen.

Im Grefrather Bahnhofsgebäude ist heute das Jugendzentrum Dingens zu finden. Am De Wittsee und in Kamperlings gab es nur Haltepunkte.

In Grefrath hatte die Strecke große Bedeutung für die Bongschen Mahlwerke, die in Schlibeck an der Strecke lagen. Die Müllkippe „Schlibecker Berg“, einst von der Stadt Mönchengladbach betrieben, ist längst verdichtet.

Ein dunkles Kapitel Eisenbahngeschichte ereignete sich im März 1956. In Kamperlings kam es zu einem schweren Zugunfall mit Toten. Kurze Zeit nach dem Unfall entstand der Haltepunkt Kamperlings in Höhe der heutigen St. Josefs-Kirche.

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