Novelletten als genialer roter Faden

Der Pianist Martin Helmchen unterbricht Schumanns Stücke mit Werken anderer Komponisten.

Novelletten als genialer roter Faden
Foto: Friedhelm Reimann

Kempen. Als roter musikalischer Faden ziehen sich die acht Novelletten op. 21 von Robert Schumann (1810-1856) durch das Programm von Martin Helmchen. Sogleich fällt auf, dass der Pianist die Folge der Novellette stets durch ein Werk eines anderen Komponisten unterbricht.

Da stellt sich für den Zuhörer die spannende Frage, welches Klangerlebnis entsteht aus den ausgewählten Klavierstücken, die fast 300 Jahre Musikgeschichte widerspiegeln? Welche Rolle übernehmen dabei die 1838 komponierten Novelletten?

Schumanns musikalische Charakterstücke beginnen mit „Markiert und kräftig“. Der erste Teil dieser Novellette entspricht ganz ihrem Titel, doch dann wechselt es zu zarten romantischen und lyrischen Klängen, die Helmchen sehr einfühlsam interpretiert. Ein Wechsel zwischen kräftigen und eher verträumten Klängen charakterisiert dieses Stück.

In seiner Auswahl für das nachfolgende Werk zeigt der Pianist, dass er erst einmal „en famille“ bleibt. Aus den Soirées musicales für Klavier op. 6 von Clara Wieck (1819-1896) lässt er die Toccatina erklingen, die zwar mit einem kontrastreichen Presto beginnt, doch dann den liedhaften Charakter der Novellette I aufgreift und diesen Faden — auch im nachfolgenden Notturno — in feinster romantischer Manier weiter spinnt.

Da wird die Auswahl sonnenklar bzw. deutlich sogar im Lichte eines Vollmonds: Es ist ein intimer Dialog zwischen Robert und seiner späteren Ehefrau Clara. Musikalisch und gefühlsmäßig scheinen die beiden auf einer Wellenlänge, wie ihre beiden im Abstand von zwei Jahren entstandenen Kompositionen zeigen.

Doch welche Verbindungen gibt es von Novellette II „Äußerst rasch und mit Bravour“ zu den sechs kleinen Klavierstücken op. 19 von Arnold Schönberg (1874-1951)? Hier gibt es keinen Kontrast, sondern nahezu unmerklich gehen die Werke ineinander über. An einigen dezent erklingenden moderneren Harmonien wird erahnbar und dann immer deutlicher, dass man bei Schönberg angekommen ist.

Doch nicht nur in die Moderne auch zurück in den Barock kann Helmchen einen höchst eleganten Bogen mit der Sarabande aus der Partita Nr. 4 D-Dur von Johann Sebastian Bach (1685-1750) schlagen. Fein verspielt, von großer Transparenz in der Interpretation des Pianisten kann man hier eine Seelenverwandtschaft zwischen den beiden Komponisten heraushören.

Die geniale Zusammenstellung zu erleben, die Übergänge zu verfolgen, wird zu einem besonderen Genuss an diesem Klavierabend. Da kommt Novellette VI „sehr lebhaft mit viel Humor“ daher.

Man hört, wie sich in dem Stück zaghaft ein Walzer andeutet, wie es sich langsam an einen „richtigen“ Walzer heranarbeitet. Und dann wie selbstverständlich — als gäbe es nur diese eine Möglichkeit — erklingt die Grande Valse Brillante a-Moll von Frederic Chopin (1810-1849).

Glänzend interpretiert ohne dick aufzutragen und das „Grande“ herauszustellen, fügt sich auch dieses Stück in den roten Faden des Konzerts. Wie viel Kenntnis und Recherche stecken in diesem musikalischen Geflecht, in das sich die ausgewählten Stücke so harmonisch wie logisch einfügen? Mit sichtlicher Spielfreude durchlebt der Pianist, die von ihm ausgewählte Musik. Ein exquisiter Konzertabend!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort