Kultur Der rastlose Mann mit der Trompete

Grefrath · Am 1. Oktober feiert der Grefrather Musiker Markus Türk seinen 60. Geburtstag mit einem Benefizkonzert in der Albert-Mooren Halle nach.

Markus Türk als Solo-Multiinstrumentalist bei seinem letzten „Muziek Biennale“-Konzert am Ridderbeckshof in Kerken-Aldekerk.

Markus Türk als Solo-Multiinstrumentalist bei seinem letzten „Muziek Biennale“-Konzert am Ridderbeckshof in Kerken-Aldekerk.

Foto: Alexander Florié-Albrecht

Viele spannende Klangebenen legten sich via Loop bei Markus Türks „Muziek Biennale“-Konzert in Kerken-Aldekerk übereinander, als der Multiinstrumentalist nacheinander Schlagzeug, Gitarre, Trompete und Flügelhorn bediente. Anschließend blickte der Grefrather mit der WZ auf seine bisherige Karriere zurück.

WZ: Wie sind Sie überhaupt zur Musik gekommen?

Markus Türk: In unserer Familie wurde viel Musik gehört. Der Vater hat Geige, Klavier und Akkordeon gespielt und war im Opernchor in Krefeld. Dann bin ich mit dem älteren Bruder mit der Straßenbahn durch Krefeld gefahren, habe da eine liegengelassende Louis-Armstrong-Platte „Ambassador“ gesehen. Das Cover habe ich mir über das Bett gehängt und gesagt: ich will Trompeter werden. Kurz danach ging es nach Grefrath. Der Nachbar verkaufte dann eine 90 Mark-Trompete. Der Vater sagte: Du hast 100 Mark Taschengeld dafür, und wir zahlen den Unterricht. Dann hatte ich bei Hein Winkels Unterricht und war im Grefrather Musikverein.  Mit neun Jahren hatte ich mein erstes Konzert mit dem Grefrather Musikverein genau vor 50 Jahren 1972 im Haus Allen,  dem heutigen Nordkanal. Das war schön, weil mein Bruder, der mit anfing, mit mir ein Duett mit Begleitung „Die Paradiesvögel“ gespielt hat. Ich war stolz wie Oskar, die Eltern auch. Der Bruder war eher frustriert, hat noch eine Weile mit mir weitergespielt und ist später auf Gitarre umgestiegen.

Wie ging es dann weiter?

Markus Türk: Damals hatte ich Lust auf Trompete, fand die Musik klasse. Mit 14 ist das dann eingebrochen, weil ich keine Lust auf Polka und Marschmusik hatte. Dann habe ich mir das Gitarrespielen beigebracht und mit 15, 16 in der „Scout Skiffle Band“ gespielt, eine Pfadfindertruppe mit Grefrather Freunden, mit denen ich heute das Schwingbodenfestival und die Rocknacht organisiere. Da haben wir Neil-Young-Stücke gespielt, und es gab da ein Flügelhorn-Solo. Das Flügelhorn habe ich mir vom Bruder geliehen und gemerkt, dass ich mit einer Trompete auch was Anderes machen kann. Und so habe ich immer mehr Trompete gespielt und bin mit 18 bei den Kempener Lokalmatadoren „Cheapness forever“ und bei der Band „Return to forever“ eingestiegen.

Da war dann auch eine Punkphase dabei....

Markus Türk: Ich hatte auch viel mit der Nettetaler Szene zu tun, war bei der Deutsch-Punkband „Schnelle Schwester“ und bei „Rohöl.“ Die machten Landpunk, da war ich Gitarrist.  Der Saxofonist von „Cheapness“ kannte den Gitarristen der in den 80er und 90er Jahren angesagten Düsseldorfer Band „Family five“. Da bin ich, glaube ich, 1983 eingestiegen und habe die letzten knapp 40 Jahre da gespielt – Trompete, Bass, Gitarre. Ich war der „Libero“ für alles. Das war ein Gegenentwurf zur Neuen Deutschen Welle - die wollen sich von diesem Klamauk absetzen. Das wurde „soul punk“ genannt. Da war Axel Schulz, der heutige Manager der Ärzte, der aus Kempen stammt, Saxofonist.

Wann kam der Sprung hin zum professionellen Musiker?

Markus Türk: Ich habe mit 22, 23 Jahren überlegt, dass ich das mal ernsthaft betreiben muss. Aber es war für mich nicht vorstellbar, dass ich gut genug bin, habe mich immer nicht so als fertiger Musiker gefühlt. Dann habe ich gesagt: wenn ich die Aufnahmeprüfung am Konservatorium bestehe, mache ich weiter oder sonst eine handwerkliche Ausbildung. Schreiner hätte ich gut gefunden. Ich arbeite zuhause gerne mit Holz, habe unser Haus selbst um- und ausgebaut. Ein Jahr lang habe ich sehr intensiv fünf bis sechs Stunden geübt, Klavier gespielt. Das war in Arnheim aber nicht gefragt. Ich bestand. Da war klar, dass es seinen Weg geht.

Das war zu Beginn sicher kein Zuckerschlecken....

Markus Türk: Ich habe in vielen Bands gespielt, weil ich spielen musste. Als ich bei „Salsa Picante“ um 1993/94 einstieg, war das eine Auszeichnung für mich - und eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Ich habe sogar mal bei Warner Brothers Movie World in einer Marching Band gespielt. Dadurch sammelst du aber Erfahrungen und bist universell einsetzbar.

Wie wichtig ist Markus Türk seine lokale Verortung am Niederrhein?

Markus Türk: Das ist mir extrem wichtig, weil ich mit Haut und Haaren Niederrheiner bin, den Menschenschlag liebe. Ich kann mir nicht vorstellen, dauerhaft woanders zu leben. Ich fahre in der Landschaft mit dem Rad, geh mit dem Hund. Wenn ich nach Köln gegangen wäre oder Berlin, hätte ich sicher auch meinen Weg gemacht, aber am Niederrhein bin ich der König (lacht). Wenn ich zwischen Krefeld und Mönchengladbach ein Trompeter gebraucht wird, werde ich angerufen. Ich bin total gut vernetzt, kenne die Szene und Musiker bis ins Ruhrgebiet und Köln. Und ich bin seit 1989 an der Musikschule Mönchengladbach und seit acht Jahren am LvD Kempen.

Was gibt Ihnen der Unterricht mit Kindern und Jugendlichen?

Markus Türk: Das ist teilweise beglückend, wenn Du Schüler hast, die Feuer fangen und das wollen. Fast jeder hat Talent, und wenn man sich für etwas begeistert, kann das jeder lernen. Ich habe keinen gefunden, der absolut ungeeignet war, habe ein paar Leute, die lange Jahre bei mir Unterricht hatten und mittlerweile richtig tolle Musiker sind. Das macht mich total glücklich, dass die das von mir angenommen haben. Mit einem Schüler zu sitzen, und ich spiele, er improvisiert und geht ab, das ist ein Glücksgefühl. Aber es gibt auch Schüler, die erst begeistert sind und wo es abflacht, weil es Mühe macht und sie auch noch Fussball oder was Anderes machen. Einmal pro Woche Trompete spielen bringt keine Fortschritt. Aber ich mache mittlerweile ja auch mehr Ensemble–Unterricht, was mir total Spaß macht wie beim LvD. Wenn da eine fünfte Klasse ist, die nach zwei, drei Wochen schon ein paar Töne und mit mir ein kleines Stück spielen kann und merkt, es geht zusammen.

Welche der vielen Projekten und Reisen in Ihrer Karriere sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Markus Türk: Ich war zweimal auf musikalischer Madagaskar-Reise. Das war total beeindruckend, generell das Land und die Leute. Und das Zusammenspiel, was für wahnsinnig tolle Musiker dort sind. Was auch sehr beeindruckend war, war, als ich in Myanmar mit Tim Isfort, dem heutigen Leiter des Moers Festivals, war. Ich hatte über Madagaskar Leute der deutschen Botschaft kennengelernt, die nach Myanmar versetzt wurden und dort Kulturarbeit machen wollten. Tim und ich sind dann anlässlich 20 Jahre deutsche Wiedervereinigung 2009 gemeinsam hingefahren, haben in einem US-Club, in der russischen Botschaft, im französischen Kulturzentrum und in einem englischen Klub gespielt. Und wir haben einen Workshop an einer privaten Musikschule gemacht. Dort haben wir mit Musikstudenten gespielt, die mehr so in Richtung Klassik und Pop unterwegs waren, aber Jazz machen wollten. Die fragten uns dann, was sie für uns tun können. Wir wollten gerne traditionelle burmesische Musik kennenlernen. Sie haben dann einen Trommelkreis geholt, das ist wie ein Lattenzaun, der um den Spieler drum ist und um den hängen trommeln, dazu einen Gongkreis und Trommler. Ich nahm die Trompete, spielte mit, und er improvisierte auch. Das war eine totale Offenbarung für mich. Wir haben den ganzen Abend zusammen improvisiert. Das war ein Weg in andere Welten und doch schön, dass es auf musikalischer Ebene so funktioniert. Das ist das, was ich meinen Schülern erzähle: „Dann könnt ihr mit jedem Musik machen.“ Das ist die universellste Sprache, mit der man sich verständigen kann.

Was fasziniert Sie an Weltmusik?

Markus Türk: Das war einfach früh in mir angelegt, das Interesse für Weltmusik und Musik, die nicht aus Deutschland kommt. Meine Eltern hatten Schlagerparade-Platten, da fand ich die Bee Gees toll. Und Bert Kaempfert, der spielte „Caravan“ von Duke Ellington, was einen arabischen Touch hat. Das hat mich mein Leben lang nicht losgelassen. Dann bin ich Don Cherry getroffen, der lange mein Vorbild war, die erste Weltmusikband gegründet hat. Ich habe mit einem Tablamusiker, der 15 Jahre in Indien gespielt hat, musiziert, brasilianische Musik. Das war im Grunde fast zwangsläufig.

Wieviel Rastlosigkeit, die ausgelebt werden muß, steckt in Ihnen?

Markus Türk: Wenn ich eine musikalische Idee habe, werde ich morgens wach und habe eine Melodie im Kopf, habe dann keine Ruhe, bis ich an Instrumenten sitze und spiele. Mein Soloprogramm weiterzuentwickeln, das treibt mich voran. Da ist Ruhelosigkeit da. Aber wenn ich in Frankreich in unserem Sommerhaus bin, kann ich drei Wochen auch ganz wenig machen. Ich habe zwar die Trompete immer dabei, aber nie das Gefühl, was zu machen. Man muss täglich üben, um die Konstanz und die Kondition zu halten. Jeden Morgen spiele ich nach Möglichkeit eine Stunde, um die Form zu halten.

Aber mit dem Instrument einschlafen tun Sie noch nicht...

Markus Türk: (lacht) Meine Frau würde das nicht so toll finden. Sie ist Kindergärtnerin und früh weg, so dass ich nach der Hunderunde üben kann. Es ist auch ein körperliches Instrument, anders als wenn Du Querflöte machst. Du atmest, spannst die Muskulatur an. Das ist, als wenn Du joggen gehst. Wenn Du das dann ein paar Tage nicht machst, ist es ein körperliches Gefühl, dass das fehlt.

Eigentlich hatten Sie ja am 4. Januar schon ihren 60. Geburtstag. Warum feiert der Mann jetzt erst?

Markus Türk: Das ist quasi eine Corona-Nachlese. Januar ist auch keine schöne Zeit zum Feiern, so kurz nach Weihnachten. Deshalb habe ich das verschoben. Eigentlich wollte ich es im September machen, aber das hat terminlich nicht hingehauen. Die Albert-Mooren-Halle war dann am 1. Oktober frei. Ich hatte die Idee schon vor zehn Jahren zum 50. Geburtstag, wo ich in dem Haus Allen „90 Jahre Türk“ - 50 Jahre Leben und 40 Jahre Bühnenjubiläum - gefeiert habe. Diesmal beschränke ich mich auf „Endlich 60!“

Warum machen Sie das in Form eines Benefizkonzertes?

Markus Türk: Ich konnte das so jetzt nicht finanziell stemmen, aber wollte möglichst viele Leute dabei haben und dachte: feiere und tu dabei was Gutes. Es gibt das Projekt in Kinshasa „Espace Masolo“, das ist ein Heim für obdachlose Kinder und Jugendliche, die dort betreut werden und ihre Ausbildung machen können. Wir haben vor zehn Jahren schon für sie ein Benefizfestival gemacht. Das ist unterstützenswert, weil ich gesehen habe, welche dramatischen Biographien sich dahinter verbergen. Das dortige Orchester „Fanfare Masolo“ war vor vielen Jahren in Deutschland und in Wuppertal bei dem dortigen Freundeskreis. Mit ihnen habe ich 2006 bis 2008 eine Tour mit einem Musik-Theaterstück gemacht.

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