Mittendrin im Leben eines Promi-Paares

Die Schauspieler August Zirner und Katalin Zsigmondy nahmen die Zuhörer mit in das Leben von Lew und Sonja Tolstoi.

Mittendrin im Leben eines Promi-Paares
Foto: Kurt Lübke

Grefrath. Wenn eine Veranstaltung der Reihe „Kultur am Montag“ in der Grefrather Buchhandlung am Samstag stattfindet, muss das einen Grund haben — oder zwei: Das Schauspielerehepaar August Zirner (62) und Katalin Zsigmondy (61) hätte montags nicht zur Verfügung gestanden. Die Kulturfreunde in der ausverkauften Buchhandlung lernten nicht nur zwei renommierte Schauspieler kennen, sie erfuhren indirekt auch, dass ihre Ehe so schlecht gar nicht ist im Vergleich zu der höchst komplizierten und konfliktträchtigen, aber 48 Jahre währenden Beziehung zwischen Lew und Sonja Tolstoi.

Es war eine szenische Lesung mit zwei Rollen und alles andere als stocksteif. So hatten die Zuhörer bald das Gefühl, mittendrin zu sein im Leben des Promi-Paares. Sie hörten den russischen Schriftsteller von der 16 Jahre jüngeren Sonja schwärmen. Und sie lernten Tolstoi wie noch unzählige Male an diesem Abend als hinterfragenden, unsicheren Menschen kennen: „Ist das die Liebe oder wieder nur das Verlangen nach Liebe?“, fragte er in Zeiten größter Verliebtheit.

Aber es sollten bald dunkle Wolken aufziehen. In seinem Tagebuch, das er seiner Sonja zu lesen gibt, steht, was Tolstoi über Frauen dachte — und hätte Sonja eine Warnung sein sollen: „Die Gesellschaft von Frauen ist ein notwendiges Übel des gesellschaftlichen Lebens.“ Immer wieder kommen sie und er zu Wort und es fällt auf, dass das Paar oft völlig unterschiedliche Vorstellungen und Bedürfnisse hat. „In meinem Empfinden für sie ist eine Ruhepause eingetreten“: So hört es sich an, wenn ein Literat mit ersten großen Erfolgen merkt, dass die Partnerwahl verkehrt gewesen sein könnte.

August Zirner spielte Tolstoi überwiegend als ruhigen, nachdenklichen, aber unzufriedenen Mann — umso überraschender sein Wutausbruch: „Du verpestest die Luft, die du atmest!!“, brüllt der Mann, der sich zu seinem „Jünger“ Wladimir Tschertkow zum Schluss mehr hingezogen fühlte als zu seiner Frau. Sonja durchlebt ein Wechselbad der Gefühle, die keift, fleht um Liebe, versucht, sich umzubringen. Sie muss erleben, wie ihr Mann sie verlässt, krank wird und stirbt, ohne sie noch einmal sehen zu wollen.

Einziger Kritikpunkt: Der Tod der Beziehung dauerte quälend lange — die Dissonanzen waren bereits nach recht kurzer Zeit als unüberwindbar erkennbar. Es geht, und das machte den Abend zusätzlich interessant und wertvoll, nicht nur um ein Paar, das nicht zusammenpasst: Die Zuhörer lernen auch sozusagen im Schnelldurchgang kennen, wovon das Leben Tolstois geprägt war: von der Verliebtheit in den Erfolg, aber auch von dem schlechten Gewissen, das ihn wegen seiner privilegierten, adligen Herkunft quälte. Er sah die Not des kleinen Mannes, richtete Schulen für die Bauernkinder ein und schrieb sogar ein Schulbuch. Und er dachte — sehr zum Ärger seiner Frau — darüber nach, sich von allem Luxus zu trennen. Deutlich wurde auch, wie wenig er im Grunde mit seinen vielen Kindern anzufangen wusste.

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