Mircos Schicksal wieder ganz nah
Am Freitagabend wurde die TV-Premiere von „Ein Kind wird gesucht“ auf Arte gezeigt. Der Film beruht auf dem Fall des 2010 ermordeten Jungen aus Grefrath. Eine TV-Kritik.
Grefrath. 1,81 Millionen - so viele Zuschauer hatte die TV-Premiere von „Ein Kind wird gesucht“ am Freitagabend bei Arte nach Angaben der Quotenmessung AGF. Viele dieser 1,81 Millionen dürften in Grefrath und Umgebung vor dem Fernseher gesessen haben. Schließlich hat das Schicksal des 2010 ermordeten Mirco (10) die Region, ja ganz Deutschland bewegt. Regisseur Urs Egger versucht die Geschehnisse der 146 Tage zwischen Mircos Verschwinden und dem Auffinden seiner Leiche spannend zusammenzufassen. Um es vorweg zu nehmen: Das ist Egger auf beeindruckende Art und Weise gelungen.
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Hauptkommissar Ingo Thiel und sein Ermittlerteam der Soko „Mirco“. Hauptdarsteller Heino Ferch nimmt man den akribischen, ungeduldigen und teilweise brachialen Ermittler aus dem Kreis Viersen ab. Ohne Schnörkel und voller Besessenheit arbeitet vor allem Thiel an der Lösung des Falls.
Immer im Hinterkopf hat der Chef der Soko dabei das Versprechen, das er der Mutter von Mirco gegeben hat: Er werde ihren Sohn finden. Im Film - und auch in der Realität - ist den Beteiligten aber früh klar, dass es nur noch um das Finden eines toten Jungen geht. Ferch spielt Thiel während der 89 Minuten so, wie ihn viele Journalisten während der Ermittlungen 2010 und 2011 kennengelernt haben: Nach außen lässt das Selbstbewusstsein während der zum Teil stockenden Ermittlungsarbeit nicht nach. Nach innen allerdings tauchen auch einige Zweifel auf, dem Täter den Mord auch wirklich nachweisen zu können. Das wird in „Ein Kind wird gesucht“ deutlich.
Im Film — und wohl auch in der Realität — raucht Thiel Kette und ist der menschelnde Teamleiter, der nach Lösung des Falls die Bierkisten zur Feier schleppt. Dankenswerterweise bleibt dem Zuschauer Thiels unerträgliches „Hab Dich“-Zitat erspart, das er nach eigenen Angaben bei der Festnahme zu Täter Olaf H. gesagt hat.
Neben der aufreibenden Arbeit der Soko versucht der Film einen Blick in die Gefühlswelt von Mircos Familie zu werfen. Regisseur Egger legt dabei einen Fokus auf den Gottesglauben von Reinhard (Johann von Bülow) und Sandra (Silke Bodenbenner) Schlitter. Der Film zeigt, dass dieser Glaube bei Mircos Mutter wohl nicht zu erschüttern war, während Reinhard Schlitter erhebliche Zweifel hegt. Warum ist das passiert? Warum haben wir am Abend von Mircos Verschwinden nicht nach ihm geschaut? Warum soll man dem Mörder seines Kindes verzeihen? Diese Fragen stellt sich vor allem der Vater der Familie.