Meterlange Spekulatius waren einst der Renner zu Nikolaus

Werner Beckers gibt Einblicke in die Backkunst.

Kempen. „Das Größte für die Kinder war damals das Geschenk: ein Spekulatius. Da durften alle ’mal abbeißen, denn es gab für alle nur einen“, sagt Werner Beckers, ehemaliger Kustos des Kramer-Museums.

Zugegeben, der Spekulatius war etwa einen Meter lang, aber als einziges Geschenk, das wäre für die meisten Kinder heute kaum vorstellbar. Ebensowenig, dass Nikolaus groß gefeiert wurde und nicht Weihnachten.

„Das war bis Anfang des 19. Jahrhunderts am Niederrhein so üblich, wie auch heute noch in den Niederlanden“, weiß Beckers. Den Spekulatius wussten die Kinder anno dazumal zu würdigen, denn seine Herstellung war knifflig.

Nicht nur, dass in den ärmeren Familien die Mutter die Zutaten zusammensparen musste, auch der Backvorgang war eine Herausforderung. Beckers erläutert das anhand der Formen, die in der historischen Küche des Museums hängen.

Groß sind sie und schwer. „Die wiegen sicherlich etwa drei Kilo. Schließlich sind sie aus Holz gemacht“, sagt der 69-Jährige. Meist wurde Buchenholz verwendet, weil es hart ist. Und die Formen sind auf beiden Seiten mit einer Figur versehen. Beispielsweise mit einem Jäger, der eine Eule auf der Hand trägt, auf der einen, und einer Hexe auf der anderen Seite.

Der Teig — jede Familie hatte ihr eigenes Rezept, das weiter vererbt wurde — wurde vorsichtig in die Form gestrichen, die zuvor mit Mehl gepudert worden war, damit nichts festklebt. „Für Spekulatius sind die Schnitzereien nicht so tief ins Holz eingearbeitet wie für Printen“, so Beckers. Der Grund: die unterschiedliche Dicke der Backwerke.

Ist der Teig in der Form, muss er auch wieder ’raus. Und das war gar nicht so einfach. Denn die große Holzform ist schwer und der Teig sitzt fest in der Schnitzerei. Also musste die Hausfrau die Form auf den Tisch schlagen. „Natürlich nur mit der oberen Kante, in die eine Rille eingearbeitet worden ist. Sonst würde man ja den Keks beschädigen“, erklärt Fachmann Beckers, der selbst mit seiner Frau Annemarie Spekulatius nach dem Rezept deren Großmutter backt. War das geschafft, konnte das kostbare Werk gebacken werden.

Die Spekulatius-Formen, die im Museum hängen, sind Schenkungen der ehemaligen Kempener Bäcker Draak und Jöbkes und stammen aus dem 19. Jahrhundert.

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