Lobberich: Menschen - „Ich hatte immer Glück“

Otto Wittenbecher fährt seit 70Jahren unfallfrei. An seinem 90.Geburtstag nächste Woche will er seinen Führerschein abgeben.

Lobberich. Nein, einen Unfall hat er nie gebaut. Nicht einmal ein Punkt ziert sein Sünderkonto in Flensburg. "Die Weste ist sauber", sagt Otto Wittenbecher. Und das seit 70 Jahren. Bald ist Schluss: Am Dienstag will er seinen Wagen abmelden, am 30.Oktober, seinem 90.Geburtstag, auch den "Lappen" abgeben.

Gut erinnern kann sich der Lobbericher noch an seine Motorrad-Prüfung: "Da musste ich eine Acht auf dem Gras fahren." Das war’s. "Das war nicht so dramatisch wie es heute ist. Du gingst mit frischem Mut an die Sache ran."

Otto Wittenbecher hat im Januar 1939 in Halberstadt im Harz seinen Führerschein bekommen. Acht Wochen dauerte seine Schulung. Danach musste er mit einem Tanklastzug über die leeren Straßen Sachsen-Anhalts zu einem Flugplatz fahren, um dort am Rollfeld mit einem Helfer Flugzeuge zu betanken. "Da ist mir kein Auto entgegengekommen, so ruhig war es", sagt der 89-Jährige. Asphaltiert waren die Straßen nicht, aber die meisten mit Pflastersteinen befestigt.

Nach dem Krieg erhielt er seinen zweiten Führerschein. "Der war nach 20 bis 25 Jahren so vergriffen, dass mir die Polizei mal bei einer Kontrolle gesagt hat: Herr Wittenbecher, Sie müssen sich mal ’nen neuen Führerschein holen." Und den trug er bisher immer bei sich. Das soll sich bald ändern. "Ich habe immer Glück gehabt. Manchmal knallte es wenige Meter von meinem Standort entfernt, wo ich noch einige Augenblicke vorher stand."

Wie er es geschafft hat, so lange ohne Verkehrsdelikt zu bleiben? "Es liegt wohl am Autofahren", gibt er einfach, aber schlüssig zurück. "Wenn man vernünftig fährt, geht das. Man muss sich der Situation anpassen. Wenn alles frei ist, kann man durchtreten. Und wenn nicht, muss man das Tempo verringern."

Zudem sei er als Privatmann nicht so viel mit dem Auto unterwegs gewesen. Mal zum Einkaufen, mal Verwandte besuchen, zur Arbeit und in den Ferien in die Eifel. Längere Strecken hat er mit seiner Frau lieber im Flugzeug zurückgelegt. "Weltreisen mit dem Auto habe ich nicht unternommen. Und ein Raser bin ich auch nicht gewesen."

Die Ungebundenheit, aber auch das Fahren selbst wird ihm in der nächsten Zeit fehlen. "Auf jeden Fall werde ich das vermissen. Aber ich habe eine nette Nachbarin und Kinder, das klappt schon. Es ist nur gewöhnungsbedürftig."

Die Entscheidung, das Fahren an den Nagel zu hängen, hat er aufgrund seines Alters getroffen. "Ehe man es drauf ankommen lässt, sollte man es vermeiden." Die Aufmerksamkeit sei eben nicht mehr so wie vor 50 Jahren. "Und ich bin gut zu Fuß." Allerdings müsse er neuerdings einen Spazierstock mitnehmen. Aber kurz vor dem 90.Geburtstag ist das wohl in Ordnung, findet er.

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