Corona-Krise Lage der Wirtschaft im Kreis Viersen: Große Hoffnung, große Sorge

Kreis Viersen · Wie verkraftet die Wirtschaft im Kreis Viersen die Corona-Krise? Einschätzungen des WfG-Geschäftsführers Thomas Jablonski.

 Das Gewerbegebiet am Industriering-Ost in Kempen mit den Standorten der Absatzzentrale (AZ) und von Hefe van Haag.

Das Gewerbegebiet am Industriering-Ost in Kempen mit den Standorten der Absatzzentrale (AZ) und von Hefe van Haag.

Foto: Norbert Prümen

Sorge, Hoffnung, Befürchtung und Zuversicht – beim Blick in die Corona-Glaskugel der hiesigen Wirtschaft sind viele Substantive vertreten. Das wurde bei einem Pressetermin mit dem Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG) des Kreises Viersen deutlich. Thomas Jablonski schaute auf den bisherigen Verlauf der Krise zurück. Und er blickte auf die Zukunftsszenarien von Industrie, Handel und Tourismus in der Region.

Mit den April-Zahlen der Industrie- und Handelskammer (IHK) machte Jablonski deutlich, wie dramatisch die Einschnitte seit dem Lockdown waren. Rund 40 Prozent der Unternehmen hätten Kurzarbeit eingeführt. Der Umsatzrückgang habe bei 21 Prozent gelegen. Die Sofort-Hilfe-Maßnahmen in Höhe von 9000, 15 000 oder 25 000 Euro hätten im Kreis Viersen 9162 Unternehmen beantragt.

„Die Lage war dramatisch. Das kann man ohne weiteres so sagen“, teilte Jablonski mit. Besonders spürbar war das an den Beratungstelefonen der WfG. „In den ersten drei Tagen haben unsere Mitarbeiter 100 Fördermittel-Beratungen durchgeführt“, so der Geschäftsführer. „Das war ein großer Kraftakt für die Kolleginnen und Kollegen. Denn es war auch unsere erste Pandemie“, so Jablonski mit einem Augenzwinkern.

In dieser Phase habe die WfG für die örtlichen Unternehmen auch als eine Art „Kummerkasten“ fungiert. „Bei Förderprogrammen von Land und Bund können wir ja erstmal direkt nichts machen. Aber neben der Vermittlung und Beratung ging es auch einfach ums Zuhören. Denn am anderen Ende der Leitung ging es um Existenzen.“ Bei den Förderungen habe sich aber letztlich die Kette Ministerium – IHK – WfG – örtliche Kommunen bezahlt gemacht. So habe man einen schnellen Informationsfluss herstellen können.

Im Industrie-Sektor strahlt Jablonski nach dem monatelangen Shutdown und nun erster Normalität die meiste Zuversicht aus. „Was der Region Kreis Viersen in die Karten spielt, ist der Fakt, dass wir von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt sind“, sagt der WfG-Chef. Im Kreis Viersen gebe es nur 20 Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. „Regionen, die zum Beispiel von einem Automobilkonzern abhängig sind, haben weitaus größere Probleme.“ Dennoch seien die Mittelständler nun darauf angewiesen, dass die Lieferketten der Weltwirtschaft wieder ans Laufen kommen. Denn auch in Kempen, Brüggen oder Tönisvorst gebe es Unternehmen, die auf Teile aus China oder den USA angewiesen seien. „Alles in allem bin ich aber zuversichtlich, dass die Industrie ab Herbst wieder durchstarten kann“, so Jablonski. „Aber natürlich würde eine zweite Corona-Welle alles verschlimmern.“

Beim Stichwort Herbst blickt Jablonski für den Einzelhandel nicht so rosig in die Zukunft. „Es ist klar, dass die Lage im Einzelhandel deutlich schwieriger ist. Und wenn im Herbst und Winter die Förderprogramme beendet sein sollten, muss der Laden wieder laufen“, so Thomas Jablonski. Da sei es schwierig, eine Prognose abzugehen. Man könne den vielen tatkräftigen Einzelhändlern in den Innenstädten nur wünschen, dass es aufwärts geht. Daran müssten aber die Kunden in den einzelnen Kommunen mitwirken.

Große Sorgen muss man sich um den Sektor Tourismus und Gastronomie machen. „Das ist ja ganz logisch“, sagt der Geschäftsführer. Da ist von jetzt auf gleich alles von Hundert auf Null gesetzt worden. Vor allem den Tourismus-Sektor, der am Niederrhein in den vergangenen Jahren so stark gewachsen ist, hat es hart getroffen.“ Die Gäste, die nun womöglich kommen, weil Auslandsreisen wegfallen und Nord- oder Ostsee überlaufen sind, würden den Verlust der vergangenen Monate nicht wettmachen können. Zudem gebe es ja weiter Einschränkungen – zum Beispiel für die Auslastung eines Hotels.

Das gilt auch für die Gastronomie: Auch dort sei die Lage mit einer nun erlaubten Auslastung von 50 Prozent nicht rosiger geworden. „Machen wir uns nichts vor: Für die meisten Gastronomen rechnet sich das Ganze derzeit nicht.“

Im Großen und Ganzen ist Jablonski aber davon überzeugt, dass die Corona-Krise auch Positives angeschoben hat. „Viele Unternehmer haben die Zeit genutzt, um Prozesse zu überprüfen und Dinge besser zu machen, die sie schon längst anpacken wollten“, sagt Jablonski. Ebenso sei Corona ein Schub für das Thema Digitalisierung. „Darüber geredet wurde schon lange. Nun wurden und werden Dinge umgesetzt.“ Das habe auch die WfG selbst gemerkt. „Ich fand es sehr belebend zu sehen, wie das ist, wenn man zur Digitalisierung gezwungen wird“, sagt der Geschäftsführer. „Es geht.“

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