Analyse Kreis Viersen: Und im Hintergrund läuft die Landrats-Wahl

Kreis Viersen · Um die Posten der Bürgermeister gibt es im Kreis Viersen großes Aufsehen – bei der Spitzenposition im Kreishaus ist die Lage etwas ruhiger. Eine Analyse.

 Amtsinhaber Andreas Coenen (CDU) will erneut zum Landrat des Kreises Viersen gewählt werden.

Amtsinhaber Andreas Coenen (CDU) will erneut zum Landrat des Kreises Viersen gewählt werden.

Foto: Kreis Viersen/Gebhard Bücker Photographie

Die Bürgermeister werden am 13. September gewählt. Die Stadt- und Gemeinderäte auch. Nicht zu vergessen sind die Wahlen für den Kreistag. Und der Posten des Landrates steht auch zur Direktwahl. Letztere demokratische Entscheidung rückt in Zeiten von Corona und vielen spannenden Bürgermeister-Konstellationen in den Städten und Gemeinden arg in den Hintergrund. Dass dies so ist, könnte aber auch daran liegen, dass das öffentliche Interesse an diesem Amt, welches seit 2015 Andreas Coenen (CDU) innehat, ohnehin etwas geringer ist als beispielsweise an den Bürgermeisterposten. Sowohl in der Bevölkerung als auch bei den Parteien. Eine Analyse zur Landratswahl im Kreis Viersen.

Beginnen wir mit dem Amtsinhaber. 2015 trat Andreas Coenen als damaliger Kreisdirektor zur Landratswahl an und siegte mit 72,28 Prozent der Stimmen. Was auch daran lag, dass die damals zweitstärkste Partei im Kreis – die SPD – keinen Gegenkandidaten aufgestellt hatte. Die Sozialdemokraten sahen das Thema damals als ziemlich aussichstlos an und gingen lieber den Deal ein, mit Katarina Esser eine Dezernentin mit SPD-Parteibuch zu bekommen. Auch wenn das offiziell keiner bestätigen wollte und will.

Coenens spektakuläre Personalentscheidungen

Nun ist Katarina Esser seit dem 1. April schon wieder Geschichte. Wie berichtet, hat der Landrat die Gesundheitsdezernentin mitten in der Corona-Krise freigestellt. Es ist kein Geheimnis, dass es gerade in der Krisenzeit an einigen Stellen des Kreishauses nicht mehr stimmig war. Daraus resultierte Coenens spektakuläre Personalentscheidung. Nicht die einzige in seiner bisherigen Amtszeit. So tauschte er gleich zweimal auf der wichtigen Stelle des Pressesprechers. Axel Küppers, der von Coenens Vorgänger Peter Ottmann eingestellt worden war, und Markus Wöhrl passten wohl nicht zu den Anforderungen des Landrates. Nun ist Anja Kühne aus Berlin seit Anfang März Leiterin der Pressestelle.

Neben solchen personellen Themen sorgte auch der Umgang miteinander in den Rathäusern des Kreises Viersen für ein wenig Rumoren. Das galt für die Corona-Krisenbewältigung ebenso wie für die Neuordnung der Rettungswachen oder die Zukunft der Kempener Burg, die bald ohne Kreisarchiv einer neuen Nutzung zugeführt werden muss. Stattdessen verwirklicht Coenen das Großprojekt eines Neubaus für das Kreisarchiv in Dülken.

Landrat traut sich an
innovative Möglichkeiten heran

Dabei handelt es sich um einen Bau, der deutlich teurer werden wird als in der ersten Planungsphase angenommen. Dennoch steht das Archiv-Projekt für die Seite von Coenen, für die er eine Menge Lob bekommt. Der Viersener traut sich gerade in Sachen Bauen an innovative Möglichkeiten heran. Nach Vorbild des Venloer Rathaus und der dort vorhandenen Cradle-to-Cradle-Strategie steht auch im Kreis Viersen das nachhaltige Bauen auf dem Programm.

Überhaupt sind es Themen rund um Klima- und Umweltschutz, die der CDU-Landrat angepackt hat. So hat er für die Kreisverwaltung eine Klimaschutzstrategie auf den Weg gebracht. Und er hat das leidige Thema der Nitratbelastung des Grundwassers angepackt. Das zu tun, ist im landwirtschaftlich geprägten Kreis Viersen äußert unbequem, aber daher umso wichtiger. Weil die Belastung des Bodens eben so hoch ist. Dafür hat Coenen in der Landwirtschaft nicht nur Freunde gewonnen. Und auch auf Landesebene bekam er für seinen Vorstoß nicht ausschließlich Applaus. Dennoch hat er in diesem Fall ein wichtiges Thema ins Rollen gebracht.

Fachlich hat der Landrat sich in seiner ersten Amtszeit also in mehreren Themenfeldern gut und richtig auf den Weg gemacht. Am Zwischenmenschlichen hat es an der einen oder anderen Stelle gehapert. Eine Sicht der Dinge, die man in einigen Rathäusern des Kreises Viersen teilt.

Coenen muss keine große Furcht vor dem Wahltermin haben

Dann blicken wir auf den Wahltermin am 13. September, vor dem Coenen keine große Furcht haben muss. Zu beantworten ist wohl in erster Linie die Frage, ob der Amtsinhaber in die Stichwahl muss, weil er im ersten Wahlgang vielleicht nicht auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommen wird. Coenen ist der haushohe Favorit im Rennen gegen Annalena Rönsberg (SPD), Udo von Neer (FDP) und Christoph Saßen (Die Linke). Weitere Kandidaten gibt es bislang nicht. Derzeit wirkt es eher so, als müsse Coenen in den eigenen Reihen noch viele Skeptiker überzeugen. Bei der Nominierung auf dem CDU-Parteitag in Grefrath kam Coenen nur auf 82 Prozent. Alles andere als ein guter Wert.

Blicken wir etwas genauer auf Coenens Gegenkandidaten. Mit der 34-jährigen Annalena Rönsberg hat die SPD eine überraschende Kandidatin aufgestellt. Überraschend war die Entscheidung für alle, die sich in Viersen nicht so gut auskennen. Denn außerhalb der Kreisstadt ist Rönsberg nicht wirklich bekannt. Seit elf Jahren gehört sie dem Viersener Stadtrat an. Dort ist die verheiratete dreifache Mutter Vorsitzende des Sozialausschusses. Nach dem Studium (Sozialwissenschaften, Schwerpunkt Politikwissenschaften) führt sie seit 2010 die Geschäfte der SPD-Fraktion im Kreis Heinsberg.

Rönsberg kritisiert den Führungsstil des Landrates

Die SPD steht jedenfalls hinter ihrer Kandidatin. Beim Aufstellungsparteitag erhielt sie 100 Prozent der Stimmen. Und sie vertritt einen kämpferischen Kurs, in dem sie den Amtsinhaber unter anderem für seine „schlechten Führungsqualitäten“ kritisiert.

Schon vor fünf Jahren sah es die FDP als ihre demokratische Pflicht an, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Damals holte der Kreisvorsitzende Wolfgang Lochner aus Kempen immerhin 15,97 Prozent. Nun scheint die Konstellation ähnlich zu sein. Die FDP schickt einen Kandidaten ins Rennen, weil es dazugehört. Ähnlich wie Lochner ist es erneut ein Urgestein der Partei. Der Viersener Udo Van Neer tritt an. Der 63-Jährige, der schon lange Mitglied des Kreistags ist und jetzt auf Listenplatz 1 steht, warf auf dem Parteitag der Liberalen seinen Hut in den Ring. Zu einem Zeitpunkt, an dem dieses Mal durchaus offen war, ob die FDP einen Kandidaten aufstellen wird. Van Neer war der Meinung, dass es so sein muss – so wie Lochner 2015.

Gibt es einen Derzenenten-Deal mit den Grünen?

Die Linke geht mit einem „Wiederholungstäter“ ins Rennen. Kreistagsfraktionsvorsitzender Christoph Saßen war auch 2015 angetreten und holte 11,75 Prozent. Nun will er es erneut wissen. Seine Chancen werden nicht besonders groß sein.

Und die Grünen? Die werden erneut nicht auf dem Wahlzettel der Landratswahl vertreten sein. Wohl vor allem deshalb, weil gerade die Führungsriege der Partei im Kreis Viersen sehr zufrieden mit der Arbeit von Landrat Coenen ist. Die bereits skizzierten Themen rund um Klima- und Umweltschutz sehen die Grünen beim CDU-Landrat durchaus in guten Händen. Und dann steht offenbar noch ein Deal im Raum, den logischerweise keiner bestätigen würde. Schließlich wird zum 1. April 2021 eine wichtige Stelle frei. Solange gilt die Freistellung von Katarina Esser, und dann kann das Dezernat für Arbeit und Soziales wieder mit einer neuen Führungskraft besetzt werden. Viele Insider würde es nicht wundern, wenn diese aus den Reihen der Grünen kommt.

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