Meinung Eine Frechheit

Meinung · Die Art und Weise, die Kiwitz gewählt hat, ist nicht weniger als eine Frechheit. Der Sozial­demokrat stellt die Vertreter von CDU und FDP in die rechte Ecke – zum Beispiel mit dem Begriff „schwarzbraunes Pro“. Ein Kommentar von WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.

 WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.

WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Was ich denn von der ganzen Debatte halten würde? Ob ich dafür sei, die Wilhelm-Grobben-Straße wegen der Nazi-Vergangenheit des Mundartdichters umzubenennen? Diese und andere Fragen wurden mir in den vergangenen Wochen häufiger gestellt. Ich muss eingestehen, dass ich lange mit diesen Fragen gerungen habe. Kann ich, 1981 geboren, mir  ein Urteil zu dem Thema anmaßen? Kann ich bewerten, was ein Dichter, dessen Werke mich nicht sonderlich interessieren, in seinen Funktionen während der Nazi-Zeit verbrochen hat?

Nachdem ich die Debatten der vergangenen Wochen verfolgt habe, lege ich mich fest: Ich halte die Entscheidung, die Wilhelm-Grobben-Straße nun doch nicht umzubenennen, für falsch. Sie ist falsch, weil die Politik einen Fehler hätte korrigieren können. Ein Fehler, der 1964 mit einer CDU-Mehrheit gegen eine überwiegende Enthaltung anderer gemacht worden ist. Dieser Fehler wurde in einer Zeit gemacht, in der die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen nicht wirklich fortgeschritten war. 2019 ist das anders. Daher wäre die Umbenennung der richtige Schritt gewesen.

Nun gab es eine andere Entscheidung. Einen Kompromiss, der auf einer Empfehlung eines versierten Experten der Kempener Historie basiert. Und auf dem Weg dorthin gab es eine weitgehend sachliche Diskussion über ein heikles Thema. Dieser Prozess nennt sich Demokratie. Ein Grund zur Freude!

Und dann betrat am Donnerstag SPD-Chef Stefan Kiwitz die Bühne. Es ist das gute Recht eines Parteivorsitzenden kundzutun, dass ihm diese Entscheidung missfällt. Die Art und Weise, die Kiwitz gewählt hat, ist aber nicht weniger als eine Frechheit. Der Sozial­demokrat stellt die Vertreter von CDU und FDP in die rechte Ecke – zum Beispiel mit dem Begriff „schwarzbraunes Pro“. In diese Ecke gehören Christdemokraten und Liberale keineswegs. Man muss die Argumente von CDU und FDP nicht gut finden. Die Verantwortlichen dieser demokratischen Parteien aber derart zu beleidigen, geht gar nicht.

Kiwitz’ Empörung ist nichts anderes als der populistische und schlechte Versuch, mit dem Thema Grobben auf Stimmenfang zu gehen. Dabei sollte man als Demokrat gerade bei diesem Thema Sachlichkeit walten lassen. So wie es Kiwitz’ Partei­freunde Andreas Gareißen und Heinz Wiegers, aber auch die Grünen getan haben. Der Vorschlag der Grünen, die Entscheidung zum Thema Grobben zu verschieben und eine grundsätzliche Analyse der Straßennamen zu starten, wäre in Zeiten des Rechtsrucks ein gutes demokratisches Signal gewesen. In so einem Projekt hätten Demokraten ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte gemeinsam aufarbeiten können. Ein deutlich besserer Weg als die verbale Attacke von Demokrat Kiwitz auf andere Demokraten.

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