Ruhestand Volksbank-Chef geht von Bord

Kempen/Grefrath · Nach 32 Jahren als Vorsitzender des Vorstands steht für Josef Stieger die Rente an. Am Freitag hat der 66-Jährige in Kempen seinen letzten Arbeitstag.

 Josef Stieger blickt im Interview mit der WZ auf seine Karriere bei der Volksbank Kempen-Grefrath zurück.

Josef Stieger blickt im Interview mit der WZ auf seine Karriere bei der Volksbank Kempen-Grefrath zurück.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Wenn man sich in diesen Tagen mit Josef Stieger unterhält, erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der Mann in Kürze nicht mehr arbeiten wird. Der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Kempen-Grefrath hat am kommenden Freitag seinen letzten Arbeitstag und vermittelt ganz klar den Eindruck, dass er sich bis dahin auch mit allem, was er hat, für die Volksbank einsetzen wird. „Natürlich ist es in den letzten Wochen schon ruhiger geworden. Aber ich führe meinen Beruf mit großer Leidenschaft aus. Und das wird auch bis zum Schluss so sein“, sagt der 66-Jährige.

Die Identifikation mit dem regionalen Geldinstitut liegt beim Vorster auf der Hand. Am 1. August 1971 begann Stieger seine Ausbildung in Kempen und arbeitete sich bis an die Spitze der Genossenschaftsbank. Nach der Leitung der Kreditabteilung (ab 1985) wurde Stieger schließlich 1988 vom Aufsichtsrat zum Vorstand gewählt.

Der Aufstieg an die Spitze erfolgte in einer der unruhigsten Zeiten in der Geschichte der Volksbank Kempen. Die Bank befand sich in der Krise, in „äußerst unruhigem Fahrwasser“, so Stieger, der im Zusammenhang mit dem Geschäft gerne die Seemannssprache benutzt. „Das hat auch ein bisschen was mit Karl-Heinz Hermans, den ich sehr schätze, zu tun“, schiebt Stieger ein. Ehrenbürger Hermans habe einst bei einer Versammlung erwähnt, dass sich die Volksbank „auf stürmischer See“ befunden, aber schließlich zielsicher den „Heimathafen Kempen“ gefunden habe, erinnert sich Stieger an diese Phase um 2008 herum. Damals gab es ziemlich konkrete Fusionsgespräche mit Krefeld. Letztlich blieb die Volksbank Kempen-Grefrath aber eigenständig.

„Die Zahlen von heute sprechen für sich. Das war die richtige Entscheidung. Die Volksbank Kempen-Grefrath steht gut da“, so der scheidende Vorstand. Es ist zweifelsohne Stiegers größtes Verdienst, dass er die Volksbank aus der Krise Ende der 80er Jahre geführt und zu einer kerngesunden Bank gemacht hat. 1988 lag die Bilanzsumme bei umgerechnet 73, heute bei 400 Millionen Euro. Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Gerhard Knoor (bis 1998), Ulrich Dollen (bis 2009) und seither Helmut Thönes setzte Stieger einige Umstrukturierungen um: so die Fusionen mit Oedt (1993) und Grefrath (1996) sowie Umbauten im Hagelkreuz-Viertel, in Oedt und in der Hauptstelle, Burgstraße.

Stolz ist Stieger auf das Geleistete schon, daraus macht er keinen Hehl. „Ich bin aber vor allem stolz auf die Mitarbeiter der Volksbank Kempen-Grefrath“, sagt der Chef. Er sei tief beeindruckt von der Identifikation, die die 75 Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber hätten. „Das ist eine richtig tolle Mannschaft.“ Von der sich der Vorster am Ende der Woche verabschieden muss. „Daran muss ich jetzt schon dann und wann denken. Das wird sicher emotional.“

Im Team gehe es familiär zu. Ähnlich habe es Stieger auch im Umgang mit den Kunden gehalten. „Über Jahre haben ja viele gesagt ,ich geh’ zum Josef’, wenn sie mit der Volksbank Kempen-Grefrath etwas zu regeln hatten“, sagt Stieger. Sowohl seines als auch das Wort seiner Vorstandskollegen zähle, sagt der Vorsitzende. Dieses Vertrauen habe die Volksbank vor allem in den letzten Jahren auf dem Erfolgsweg gehalten.

„Überhaupt haben Genossenschaften nicht mehr das Image einer Wald- und Wiesenbank“, so Stieger. „In der Bankenkrise sind die Leute hier mit dem Koffer voller Bargeld aufgetaucht und wollten ihr Erspartes in Sicherheit bringen.“ Das Gebaren anderer Institute dieser Branche sei der Volksbank fremd. „Wir sind ein Partner für die Bürger in Kempen, in Grefrath, für die Unternehmen in dieser Region“, sagt Josef Stieger.

Umso ärgerlicher findet der Volksbank-Chef, dass man in den vergangenen Jahren unter den Verfehlungen anderer gelitten habe. Mit der Bankenkrise sei ein „bürokratischer Wahn“ entstanden, der alle in der Branche treffe. Durch EU-Reglementierungen sei es notwendig gewesen, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, die sich nur um Verwaltungsaufgaben kümmern. Das Kerngeschäft einer Genossenschaftsbank – „Kundenservice und Geld verdienen“ – sei da immer schwieriger aufrechtzuerhalten.

Die große Finanzwelt behagt Stieger schon lange nicht mehr. In den vergangenen Jahren verging keine Bilanzpressekonferenz, in der er keine kritischen Töne zum EU-Finanzmarkt und den Entscheidungen von „Herrn Draghi“ gefunden hat. „Es läuft vieles falsch. Und die Leidtragenden sind auch unsere Kunden. Da vertrete ich eine ganz klare Haltung“, so Stieger.

Und jetzt? Was kommt jetzt im Leben von Josef Stieger? Nun, zunächst wird er wie viele andere Menschen in Deutschland Weihnachten mit der Familie feiern. Der zweifache Vater und Großvater einer Enkelin wird die Weihnachtstage in Berwangen (Tirol) verbringen. Ein Ziel, das Familie Stieger seit Jahrzehnten zum Skifahren im Winter oder zum Radfahren und Wandern im Sommer anpeile. „Das ist so etwas wie unsere zweite Heimat. Ich freue mich sehr auf die Weihnachtstage dort“, sagt Stieger. Überhaupt sei die Familie das wichtigste. Daher freue er sich auf mehr Zeit mit seinen Liebsten.

Ein neues Fahrrad werde die Freizeitgestaltung ebenso bestimmen wie der Tennisschläger. Stieger ist seit Jahren beim TC Rot-Weiß Kempen aktiv – und das wird auch so bleiben.

Beim Thema Zukunft sucht Stieger dann noch nach einem Wort aus dem Neudeutschen: „Wie heißt das neuerdings, wenn man einfach mal nichts macht? Chillen? Genau chillen. Das werd’ ich auch machen.“

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