Stadtrat Kempen: Verbale Attacke von Herbst auf Klee überschattet Gesamtschul-Beschluss

Kempen · In der Sache gab es im Kempener Rat große Einigkeit: Für die Oberstufe muss etwas umgesetzt werden. Streit gab es trotzdem.

 2014 ist die Gesamtschule im früheren Nebengebäude der Hauptschule an den Start gegangen.

2014 ist die Gesamtschule im früheren Nebengebäude der Hauptschule an den Start gegangen.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Beginnen wir ganz sachlich: Der Rat hat am Dienstagabend beschlossen, dass die Verwaltung sofort mit der konkreten Planung einer Interims-Lösung für die Oberstufe der Gesamtschule beginnen soll. Dazu werden überplanmäßig 500 000 Euro zur Verfügung gestellt. Zudem einigten sich die Politiker darauf, dass alle Konstruktionen in Erwägung gezogen werden. Auch die sogenannte Holzbauweise, die die Fraktion der Grünen in der vergangenen Woche per Dringlichkeitsantrag ins Spiel gebracht hatte, war für alle anderen Fraktionen eine geeignete Lösung. Nur Günter Solecki (Die Linke) stimmte gegen den Beschluss. Aber nur, weil die Gesamtschule eigentlich eine viel bessere als diese Interims-Lösung verdient habe, so der Ratsherr.

Wie kürzlich berichtet, steckt die Stadt Kempen mit Blick auf die Oberstufe der Gesamtschule gehörig in der Bredouille. Die Verwaltung musste einräumen, dass die beschlossene Interims-Lösung wahrscheinlich nicht zum Sommer 2020 – dann geht die Oberstufe an den Start – fertig wird. Zudem fällt auch der Altbau der leerstehenden Martin-Schule vorerst als Lösung aus. Wegen einer Asbestbelastung ist dort keine schnelle Lösung in Sicht.

Im Rat am Dienstag gab Bürgermeister Volker Rübo (CDU) weiterhin das Ziel aus, zum 1. August 2020 eine Interims-Lösung stehen zu haben. Für alle Fälle sorge man aber nun vor, falls es eine Verzögerung um wenige Monate gebe. Als Interims-Lösung für die Interims-Lösung könnte die Oberstufe das erste Halbjahr in sechs Räumen des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums (LvD) beginnen.

Um Schüler, Eltern und Lehrer der Gesamtschule zu unterstützen, demonstrierten die Fraktionen in der Sache große Einigkeit und machten der Verwaltung deutlich, dass nun auch etwas umgesetzt werden müsse. Nach dem Beschluss ging es anschließend im nicht-öffentlichen Teil am Dienstagabend auch um eine Auftragsvergabe in Sachen Planung. Am Mittwoch soll es dann schon einen Termin mit Planungsbüros gegeben haben.

Die von den Grünen erklärte Dringlichkeit sah die Verwaltung aber aus juristischer Sicht nicht gegeben. Die Grünen hatten so argumentiert, dass diese wegen der Schadstoff-Belastung der Martin-Schule gegeben sei. Und man daher womöglich auf eine Ausschreibung verzichten könne, um gleich einen Auftrag an eine Firma – bestenfalls für eine Holzbauweise – vergeben zu können.

Jürgen Ripkens, Leiter des Rechnungsprüfungsamtes, machte aber deutlich, dass der von den Grünen ins Spiel gebrachte Paragraph in diesem Fall nicht gelte. „Die Dringlichkeit ist bei einem plötzlich eintretenden Ereignis gegeben“, so Ripkens. Mit Blick auf eine Schadstoff-Belastung eines Gebäudes könne davon keine Rede sein. Und eine „Verschleppung von Entscheidungen“ führe auch nicht zu einer Dringlichkeit, so die deutlichen Worte des Amtsleiters. Eine Vergabe ohne Ausschreibung könne es nicht geben. „Andernfalls riskieren wir eine Vergabe-Beschwerde“, so Ripkens. In einem solchen Fall „passiert hier dann ein Jahr lang gar nichts“, ergänzte Dezernent Jörg Geulmann. Die anderen Fraktionen schlossen sich der Verwaltungsmeinung an und führten den eingangs erwähnten Beschluss herbei. In der Ratssitzung am 8. Oktober erwartet die Politik eine Stellungnahme der Verwaltung zum Stand der Dinge.

Aussagen von Herbst
sorgen für große Aufregung

Neben der sachlichen Diskussionsebene gab es beim Tagesordnungspunkt „Gesamtschule Oberstufe“ auch noch eine  Menge Aufregung. Im Mittelpunkt dieser stand Jochen Herbst (CDU), der zwar erst zum 1. Oktober Fraktionsvorsitzender wird, aber schon am Dienstag einen ersten großen Auftritt hatte. Die Debatte zur Verzögerung beim Projekt nutzte er zum verbalen Frontalangriff auf den Schuldezernenten Michael Klee. „Jahrelang ist hier nichts passiert. Da frage ich mich, was der Projektleiter so gemacht hat“, so Herbst. Zur Erklärung: Das Projekt Schulcampus wurde bis Herbst 2018 von Klee geführt, dann erklärte Bürgermeister Rübo das Thema zur „Chefsache“.

„In der Zeitung lese ich nur, dass das in den Schulen nicht klappt und dies mit den Kitas auch nicht“, fuhr Herbst in seiner harschen Kritik fort. „Da frage ich Sie, Herr Klee, was haben Sie denn in den vergangenen Jahren gemacht?“ Vor allem vor dem Hintergrund, dass Michael Klee ohnehin unter Druck und am 8. Oktober zur Wiederwahl steht, sorgten Herbsts Äußerung für Empörung bei den anderen Fraktionen. Wie berichtet, haben SPD und Grüne den Antrag gestellt, Klee für acht weitere Jahre zu wählen. CDU, FDP und Die Linke hatten Klee bereits mitgeteilt, nach März 2020 keine weitere Amtszeit für ihn zu planen.

„Was Herr Herbst hier gerade gemacht hat, ist eine ganz miese Tour“, so SPD-Fraktionschef Andreas Gareißen. „Hier mit solchen Unwahrheiten zu arbeiten, ist ein Schmierentheater. Ich hoffe nicht, dass das der Stil ist, den wir hier in Zukunft erleben werden.“ Monika Schütz-Madré (Die Grünen) bezeichnete Herbsts Aussagen als „primitiv“. Diese seien des „Rates nicht würdig“. Udo Kadagies (Freie Wähler Kempen) bat darum, „solche persönlichen Angriffe zu unterlassen“.

Auch CDU-Ratsmitglieder
zeigten sich sichtlich irritiert

Auch innerhalb der CDU sorgte die Wortmeldung des künftigen Fraktionsvorsitzenden bei einigen Ratsmitgliedern sichtbar für Irritationen. Im Zuge des Streits meldete sich schließlich der noch amtierende Fraktionschef zu Wort. „Dann werde ich das Thema mal auf eine sachliche Ebene zurückholen. Lassen Sie uns über den konkreten Punkt sprechen und eine Verlässlichkeit für die Gesamt- schule sicherstellen“, so Wilfried Bogedain. Dieser wird ein Jahr vor Ende der Legislaturperiode auf eigenen Wunsch in die zweite Reihe der Fraktion wechseln (die WZ berichtete).

Bürgermeister Volker Rübo gab nach Jochen Herbsts Sätzen mit Blick auf Klee eine schützende Stellungnahme ab: „Jetzt reicht es aber auch. Wir stehen hier als Verwaltung gemeinsam in der Verantwortung.“ Und schließlich bezog der Angegriffene selbst Stellung. „Herr Herbst, ich lade Sie gerne mal ein, an einem entsprechenden Planungsprozess teilzunehmen“, so Klee. „Glauben Sie allen Ernstes, dass ich hier irgendwelche Abläufe verschleppe.“ Bei der Umsetzung sei er eben nicht für alle Aspekte verantwortlich. „Ohne den Kollegen des Technischen Dezernates etwas vorzuwerfen. Aber für die bauliche Umsetzung eines Projektes gibt es das Technische Dezernat.“

In seine Worte bezog Klee die Mitarbeiter der Verwaltung mit ein. „Alle Mitarbeiter geben hier jeden Tag alles, um das Bestmögliche für die Stadt Kempen herauszuholen“, so der Beigeordnete. Da sei es keineswegs zuträglich, auf diese Art und Weise Kritik zu üben. Er selbst müsse das womöglich aushalten, so Klee. Indirekt treffe diese Kritik aber auch andere Mitarbeiter. „Wenn ich die Macht hätte, alles von A bis Z zu beeinflussen und zu steuern, Herr Herbst. Glauben Sie mir, dann würde ich wohl nicht hier sitzen.“

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