WZ-Interview Kempen: Die SPD kämpft für die politische Wende

Kempen · Bundesweit steckt die Sozialdemokratie im Tief. Kempens SPD-Vorsitzender Stefan Kiwitz will vor der Kommunalwahl 2020 dennoch Aufbruchstimmung erzeugen. Unter anderem mit dem rot-grünen Bürgermeister-Kandidaten Christoph Dellmans.

 Stefan Kiwitz stellte sich den Fragen von WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.

Stefan Kiwitz stellte sich den Fragen von WZ-Redaktionsleiter Tobias Klingen.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Seit Dezember ist Stefan Kiwitz Vorsitzender der Kempener SPD. Durch seine Wahl wurde eine Vorstandskrise bei den Sozialdemokraten beendet. Was nicht heißt, dass das Wort Krise bei der SPD keine Rolle mehr spielt. Insbesondere die bundesweiten Ergebnisse und Umfragen machen Kiwitz und seinen Vorstandskollegen zu schaffen. Wie er mit Blick auf die Kommunalwahl 2020 trotzdem Aufbruchstimmung erzeugen will, darüber sprach Kiwitz im Interview mit der WZ.

Herr Kiwitz, die SPD ist im Bundestrend im Tief. Dazu kommt das schlechte Abschneiden bei der Europawahl. Wenn Sie daran denken: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die Kommunalwahl 2020?

Kiwitz: Die Europawahl war ohne Frage eine Zäsur. Mit dieser Heftigkeit hatte ich auch nicht gerechnet. Wir Ehrenamtler, die in Kempen insgesamt elf Informationsstände zur Europawahl gemacht hatten, waren mit anderen Erwartungen in die Wahl gegangen. Das ist dann ziemlich frustrierend. Jetzt geht es aber weiter. Wir haben die Kommunalwahl fest im Blick. Da geben wir Vollgas.

Mit der Aufstellung von Christoph Dellmans als Bürgermeister-Kandidaten haben Sie gemeinsam mit den Grünen in jedem Fall einen Coup gelandet. Nun war das zunächst eine Idee der Grünen, der sich die SPD angeschlossen hat. In welcher Rolle sehen Sie die SPD in dieser Partnerschaft – ist das ein Verhältnis auf Augenhöhe?

Kiwitz: Ja. Wir haben relativ früh die Gespräche geführt, um auszuloten, ob es passt. Ich glaube, dass nach zwei oder drei Gesprächen klar war: Christoph Dellmans ist unser Kandidat. Er weist Kompetenz aus, ist authentisch und bürgernah, kommt aus der Verwaltung. Das sind die Kriterien, die für uns passen. Deswegen sind wir auch schon selbstbewusst in die Offensive gegangen.

Wie geht es rund um den Wahlkampf von Christoph Dellmans jetzt weiter?

Kiwitz: Wir treffen uns regelmäßig mit den Grünen, um abzustimmen, welche Themen wir besetzen und welche Termine wir machen. Im Herbst soll Herr Dellmans dann bei den Mitgliederversammlungen  beider Parteien offiziell als Kandidat aufgestellt werden. Übrigens werden SPD und die Grünen zwei getrennte Wahlkämpfe führen.

Sie haben auch schon mit anderen Fraktionen Kontakt gehabt, was eine Unterstützung von Dellmans angeht. Wie ist der Stand bei diesen Gesprächen?

Kiwitz: Man hat sich dabei noch ein wenig Bedenkzeit erbeten. Die Signale, die ich vernehme, sind aber relativ positiv. Viel mehr will ich aber nicht vorweg nehmen.

Sie sagten, dass Dellmans aus der Verwaltung kommt. Nun ist es aber so, dass die SPD die Verwaltung massiv kritisiert. Warum ist er dann der richtige Bürgermeister?

Kiwitz: Er kennt die Verwaltungsabläufe bestens. Und ich schätze ihn so ein, dass er Veränderungen in der Verwaltung befördern kann. Eine Umstrukturierung der Verwaltung ist eine Kernforderung der SPD. So wie es derzeit läuft, kann es nicht weitergehen. Wir haben ja auch immer eine Strukturanalyse gefordert. Nun meinen einige, dass das vorliegende Gutachten zur Untersuchung der Verwaltungsstrukturen überholt ist, weil es auf Zahlen aus 2015 basiert. Man kann die Analyse aber auch auf den neuesten Stand bringen.

Kommen wir zum Zustand der Kempener SPD. Sie sind schon vor der CDU in einen sogenannten Bürgerdialog eingetreten. Was nehmen Sie denn aus diesen monatlichen Terminen mit?

Kiwitz: Da ist zum einen der soziale Wohnungsbau, aber auch das Thema öffentlicher Nahverkehr. Dann auch die Verwaltung. Viele Bürger berichten uns, dass die Arroganz der Verwaltung nicht mehr zu ertragen ist. Und dann geht es auch immer wieder um den Klimaschutz und darum, was man vor Ort tun kann. Aber der Tenor der Aussagen ist, dass sich die Leute freuen, dass die Politik wieder in den Dialog mit dem Bürger eintritt. Ich habe frühzeitig für dieses Modell geworben. Das war in der Partei auch nicht ganz einfach durchzusetzen. Wir müssen und wollen aber ständig im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern sein.

Wird dieses Format des Bürgerdialogs fortgesetzt?

Kiwitz: Ja, das wird monatlich beibehalten. Hinzu kommt, dass wir jetzt einen Fragebogen an die Bürger verteilen. Wir wollen zu verschiedenen Themenfeldern wissen, was die Leute darüber denken. Den Fragebogen kann man beim Bürgerdialog und auch online ausfüllen. Wichtig ist, dass es um konkrete Fragestellungen geht. Wir fragen nicht einfach nur „Kempen, wie geht’s dir?“. Näher an den Bürger wollen wir auch durch ein neues Büro rücken. Wahrscheinlich zum 1. August haben wir ein Parteibüro am Hessenring in der Nähe von Edeka.

Nun haben Sie offenbar eine ganze Menge an Themen mitgenommen. Für was steht denn die SPD? Was wollen Sie jetzt noch auf den Weg bringen?

Kiwitz: Beim preiswerten Bauen haben wir mehrere Themen auf der Agenda. Dazu gehört auch die Frage: Was ist denn mit einer autofreien oder autoarmen Siedlung? Das ist eine Geschichte, bei der die CDU in Willich schon relativ weit ist. Das sollten sich alle Kempener Kollegen vielleicht mal anschauen. Autoarm heißt weniger Parkplätze, heißt geringere Erschließungskosten. Wir müssen ökologischer bauen. Kempen muss innovativer werden. So können wir uns vorstellen, dass in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt wird, experimentell unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten bauen zu dürfen.

2020 ist auch damit zu rechnen, dass die rechtspopulistische AfD im Stadtrat sitzt. Wie begegnet die Kempener SPD dieser Entwicklung?

Kiwitz: Grundsätzlich finde ich die Entwicklung mit einer wachsenden Bedrohung von Rechts erschreckend. Ich habe jüngst in einer Pressemitteilung ausgedrückt, wie mich die Ereignisse rund um den Mordfall Lübcke abstoßen. Konkret zur AfD: Einige vertreten die Meinung, dass man diese Partei nicht zu sehr thematisieren sollte. Das sehe ich nicht so. Wir dürfen nicht weiter schweigen. Wir müssen das offensiv angehen. Ich möchte diese rechte Partei nicht im Rat haben. Deswegen auch unser Bürgerdialog. Wir müssen auf den Bürger zugehen und fragen: Was haben wir denn falsch gemacht?

Mit welchem Ziel geht die Kempener SPD in den Wahlkampf?

Kiwitz: Wir wollen gemeinsam mit den Grünen die Mehrheitsverhältnisse verändern. Wir haben im Moment elf Sitze im Rat. Es wäre schon schön, wenn es elf plus x werden. Daran arbeiten wir jeden Tag. Nach der Nominierung von Christoph Dellmans hält die positive Stimmung an. Ich bin optimistisch, dass in Kempen eine klare politische Wende geschafft wird.

Wie sieht es in der Fraktion aus? Stehen da personelle Veränderungen an?

Kiwitz: Altersbedingt werden einige ausscheiden. Es gibt einen Generationswechsel, den wir vor einem dreiviertel Jahr im Ortsverein angestoßen haben. Wir haben inzwischen sechs junge und gute Leute im Vorstand. Diese aufzubauen, ist eine gute Option.

Sie selbst sind derzeit nicht im Rat. Sie werden aber sicher 2020 kandidieren?

Kiwitz: Ja, das wird so sein.

Soll denn Andreas Gareißen Fraktionsvorsitzender bleiben? Oder streben Sie möglicherweise diese Rolle an?

Kiwitz: Es ist so besprochen, dass Andreas Gareißen den Vorsitz übernimmt. Ich bin mit dem Posten des Parteivorsitzenden gut beschäftigt. Auch wenn es dann und wann Unstimmigkeiten gibt, ergänzen wir uns gut. Ich bin jedenfalls nicht so vermessen, derzeit auch den Fraktionsvorsitz anzustreben.

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