Kempen: Kunstraum WZ - Kolping-Bilder treffen den Nerv der Kempener

Viele Besucher haben am Samstag das Gespräch mit Christel Kremser gesucht. Die Fotografin stellt zurzeit bei der WZ neun Bilder vom alten Kolpinghaus aus.

Kempen. "Die Mädchen dort waren hübscher als bei Casino." Mit diesen Worten überraschte Christoph Endres Christel Kremser mit Blick auf die neun Schwarz-Weiß-Fotografien vom alten Kolpinghaus.

Die Kempener Fotografin hatte am Samstag zu einer Matinee in die Geschäftsstelle der Westdeutschen Zeitung eingeladen. Bis in den frühen Nachmittag drängten sich dort die Kempener und tauschten bei Kaffee und Kuchen Erinnerungen aus.

Aber auch zeitkritische Anmerkungen kamen nicht zu kurz: Das alte Kolpinghaus wurde im Zuge der Altstadt-Sanierung wie viele andere Häuser im Grüngürtel im Sommer 1981 abgerissen- was bis heute lebhafte Diskussionen auslöst.

Vom Elternhaus aus musste Christoph Endres in seiner Jugend beim Gesellschaftsverein Casino Veranstaltungen besuchen. Das Kolpinghaus galt aber insgeheim als Top-Adresse für die Kempener Jugend, wenn man sich vergnügen wollte, berichtete der 70-Jährige am Samstag aus seinen Erinnerungen.

Seine Frau Christa Lenze erinnerte in puncto Altstadt-Sanierung an den Abriss der Badeanstalt, die zugunsten des Kreishauses verschwinden musste. Mit Blick auf die heutige Planung- Stichwort Orsay-Center- war Christa Lenze betrübt: "Hier soll ein fast schon monströses Bauwerk die Straße einengen und den Atem nehmen." Das "charmante historische Gebäude des Franziskanerklosters" könne sich auch künftig nicht entfalten, der Blick sei verstellt.

Der Fotograf Paul Maaßen (53) erinnert sich mit Blick auf die Kremser-Bilder an Diskussionen mit seinem Vater Heinz Maaßen über Sinn und Unsinn der Altstadt-Sanierung. Der war zurzeit des Abrisses 1981 Stadtkämmerer und hatte ein gehöriges Wörtchen mitzureden bei der Stadtplanung. "Als junger Mann war ich entsetzt über die Pläne der Stadtväter, heute sehe ich auch vieles anders", sagte Paul Maaßen, der sich an viele schöne Feste im Kolpinghaus erinnert.

Der heutige Kämmerer, Volker Rübo (49), der seit 1993 in Kempen lebt, suchte am Samstag bei der WZ ebenfalls den Austausch und hörte viel über das Ringen der Kempener um eine gelungene Altstadt-Sanierung. Beeindruckt zeigte sich Rübo, der auch Kulturdezernent ist, aber auch von der künstlerischen Qualität der Fotografien.

Genau aus diesem Grunde stand der Fotograf Dieter Lueb (65) bewundernd vor den Kremser-Bildern: "Faszinierend! Ich habe ihre letzte Ausstellung im Kramer-Museum auch drei Mal besucht", so der pensionierte Elektro-Ingenieur, der seit 14Jahren in Kempen lebt. Weitere Kempener Kreative wie Edith Stefelmanns, Moses Pankarz oder Gilbert Scheuss waren ebenfalls zu Gast bei der WZ, weil sie die Arbeiten von Christel Kremser schätzen.

Aus dem benachbarten Kramer-Museum machte Kulturamtsleiterin und Museums-Chefin Elisabeth Friese einen Abstecher zur Kremser-Schau bei der WZ und ließ die Schwarz-Weiß-Impressionen auf sich wirken. Manfred Messing, der vor zwei Jahren den Kunstraum WZ mit seiner Schiefer-Installation im Zeitungsfenster gestaltet hatte, hat mehrfach mit Christel Kremser ausgestellt. "Ich finde den Abriss des Hohenzollernbades einen viel größeren Verlust für die Kempener Altstadt-Architektur", sagte der 43-Jährige.

In puncto altes Kolpinghaus stimmte ihm Bürgermeister Karl Hensel (64) da zu. Als rechte Hand des damaligen Stadtdirektors Klaus Hülshoff steht Hensel seit 1973 im Rathaus in der Verantwortung und hat die Geschichte des Kolpinghauses hautnah miterlebt. "Das alte Kolpinghaus war so sanierungsbedürftig, dass es einer Stadt wie Kempen nicht würdig war", begründete Hensel, warum die Stadtväter für Abriss und Neubau einen Steinwurf entfernt die Hand gehoben hätten.

Um das alte Kolpinghaus hätte es in der Bürgerschaft weniger Diskussionen gegeben als um andere Villen im Grüngürtel, die nach dem Sanierungskonzept von Stadtplaner Professor Zlonicky fallen mussten. Die Altstadt-Sanierung seit 1968- durch die Kremser-Bilder nun wieder akutell geworden- sei ein großer und wichtiger Prozess in der Entwicklung der Stadt Kempen gewesen. "Im Austausch mit der Bürgerschaft ist dieser Prozess im Großen und Ganzen als gelungen zu bezeichnen", sagte Hensel- auch mit Blick auf andere Gemeinden, wo die Stadtentwicklung längst nicht so positive Früchte getragen habe wie in Kempen.

Hensel erinnerte sich noch gut an intensive Gespräche mit der Kolpingsfamilie, die damals noch in der Verantwortung stand und Abriss wie Neubau ihres "Gesellenhauses" (so wurde es damals genannt) bestmöglich abwickeln wollte. Weil die Kolpingsfamilie beim Neubau finanziell an Grenzen stieß, hatte die Stadt später das Gebäude übernommen. Seit Mitte der 90er-Jahre ist das Kolpinghaus über einen Erbpachtvertrag wieder in Privathand.

Mathilde Bildstein geriet beim Anblick der Fotos ins Schwärmen: "Hier hatte ich als Zwölfjährige mein erstes Bühnenerlebnis. Damals durfte ich zur Einführung von Propst Lux ein Gedicht aufsagen", erinnerte sich die Vize-Bürgermeisterin. 1957 machte sie dort mit Freundinnen einen Tanzkurs und lernte ein Jahr später beim Tanztee sonntags ihren Mann Günter kennen, den sie vier Jahre später, also 1962, heiratete. "Das sind große Erinnerungen."

Das alte Kolpinghaus war der Treffpunkt für Kempens Jugend, hier war "niveauvolle Gesellschaft garantiert", wie die 68-Jährige berichtete. Legendäre Bälle - egal, ob zu Silvester, Karneval oder zur Kirmes - fanden dort statt. "Das alte Kolpinghaus hatte Atmosphäre", resümierte die Kempenerin. Der Abriss, da seien sich Zeitzeugen einig, machte ganz Kempen traurig. Doch auch ohne Nostalgie fand daraufhin ein nahtloser gesellschaftlicher Übergang ins neue Kolpinghaus statt.

Bernd Faber staunte, dass alle Leute auf den Fotos einander zugewandt sind. "Hier wurde anscheinend gemeinsam gefeiert", meinte der 48-Jährige, der das Gebäude nur aus Erzählungen kennt. Ein Eindruck, den Christel Kremser bestätigte: "Beim WZ-Foto vom letzten Möhnenball der Prinzengarde ist mir aufgefallen, dass die jungen Leute alleine tanzen, ohne sich anzusehen. Das war früher anders."

Und Ursula Kubanek brachte eigene alte Fotos mit: Ihre Mutter Käthe Peuten hatte ein Damenschneider-Atelier und gestaltete Modenschauen im Kolpinghaus mit, wie auf den Fotos zu erkennen ist. Da ist die damalige Auszubildende zu sehen, wie sie als Model ein Kamelhaar-Kostüm samt Bibermuff vorführt.

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