Interview Georg Alsdorf: „Ich werde um jede Stimme kämpfen“

Kempen · Für die Freien Wähler Kempen (FWK) tritt Georg Alsdorf als Bürgermeisterkandidat an – über seine Ziele sprach er mit der WZ.

 Bereits seit seinem 16. Lebensjahr ist Georg Alsdorf politisch aktiv. Jetzt will er Bürgermeister werden.

Bereits seit seinem 16. Lebensjahr ist Georg Alsdorf politisch aktiv. Jetzt will er Bürgermeister werden.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Georg Alsdorf im Bürgermeisterkandidaten-Quartett als Außenseiter zu bezeichnen, ist sicher nicht despektierlich. Der Vorsitzende der Freien Wähler Kempen (FWK) nimmt diese Rolle an und kämpft um jede Stimme. Jetzt stellte er sich den Fragen der WZ.

Herr Alsdorf, auf der Homepage der Freien Wähler heißt es, dass Sie sich intensiv mit den Bürgermeisterkandidaten auseinandergesetzt haben und zu dem Schluss gekommen seien, die eigene Philosophie und eigenen Ziele in keinem der Kandidaten ausreichend wiederzufinden. Daher sei es ein logischer und konsequenter Schritt, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Welche Ziele sind das? Was unterscheidet Sie inhaltlich am meisten von Ihren drei Mitbewerbern?

Georg Alsdorf: Wir wollen Kindertagesstätten bauen, die Schulen sanieren, bezahlbaren Wohnraum schaffen, die Vereine und den Einzelhandel unterstützen. Das sind die großen Themen von den Freien Wählern. Wir haben einfach gesehen, dass es notwendig ist, auch mal mit neuen Ideen zu kommen und sich als Freie Wähler zu präsentieren. Denn bisher ist in den erwähnten Themen relativ wenig umgesetzt worden. Dass nicht viel passiert ist, lag sicher auch an der Situation rund um die Beigeordneten im Rathaus. Da gibt es ja jetzt wieder positive Entwicklungen. Nun müssen die liegengebliebenen Sachen aufgearbeitet werden.

Kitas bauen, Schulen sanieren, Wohnraum schaffen, Vereine und Handel unterstützen – das wollen die anderen Kandidaten aber auch. Wo sehen Sie denn die Unterschiede zu den anderen?

Alsdorf: Der Unterschied ist, dass andere Parteien die Möglichkeit hatten, es umzusetzen. Dies aber nicht getan haben. Es gab eine schwarz-gelbe Mehrheit. Von daher haben CDU und FDP diese Chancen gehabt.

Auf der Homepage der Freien Wähler ist nachzulesen, dass eines Sie besonders von den übrigen Kandidaten abhebe: nämlich ein „Kempsche Jong“ zu sein. Philipp Kraft und Cedric Franzes sind in der Stadt Kempen aufgewachsen. Christoph Dellmans wohnt seit 1994 in Kempen ist in der Stadt verwurzelt. Was macht Sie zum besonderen „Kempsche Jong“?

Alsdorf: Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass die Identifikation für Kempener Themen gefehlt hat. Da brauche ich nur an das Thema Burg zu denken. Auswärtige, die hier hergekommen sind, haben gar nicht verstanden, dass die Burg eine Herzensangelegenheit für einen Kempener ist. Deshalb gehe ich bewusst darauf ein, dass auch mal einer Bürgermeister werden muss, der in Kempen geboren ist.

Gelesen habe ich bei Ihnen auch, dass Ihre „Person für eine maximale Schnittmenge aller anderen Kandidaten steht“. Was bedeutet das?

Alsdorf: Es ist so, dass die Freien Wähler sehr unterschiedlich strukturiert sind. Wir machen Sachpolitik mit sozialer Verantwortung. Und da kommen halt unterschiedliche Richtungen zusammen. Wir haben viele Strömungen, uns kann man nicht festlegen. Bis rauf zur Landesebene haben wir Leute, die früher in der CDU, in der SPD, bei den Grünen oder sonst wo waren. Wichtig ist, dass niemals eine Entscheidung ideologisch getroffen wird.

Sie sind gelernter Betriebswirt und bei der Sparkasse Krefeld tätig. Was befähigt Sie denn für das Amt des Bürgermeisters, um so eine Stadtverwaltung mit 650 Mitarbeitern zu führen?

Alsdorf: Einmal bin ich Betriebswirt. Das ist schon mal eine Grundvoraussetzung für so ein Amt. Ich kenne mich ganz gut mit Geld und Finanzen aus. Das spielt ja in so einer Stadt immer eine große Rolle. Und dann habe ich ja politisch viel Erfahrung.

Sie waren ja auch schon für die CDU aktiv.

Alsdorf: Richtig. Ich bin mit 16 in die Junge Union gegangen. Für die CDU bin ich dann dreimal in den Stadtrat gewählt worden und dann schließlich zu den Freien Wählern gewechselt.

Ein wichtiges Thema ist die Umstrukturierung der Verwaltung. Die Freien Wähler sprechen davon, „interne Arbeitswege umzugestalten“. Welche Pläne haben Sie da konkret?

Alsdorf: Das Wichtigste ist, das alle mal wieder an einem Strang ziehen. Das war ja lange nicht gegeben. Wenn ich da nur an die Streitereien zwischen einzelnen Dezernaten denke. Da ist nichts vorangegangen. Jetzt haben wir aus meiner Sicht gute neue Leute dazubekommen. So wie Torsten Schröder als Technischen Beigeordneten und Bennet Gielen als Ersten Beigeordneten, den ich auch schon lange aus gemeinsamen Zeiten in der Jungen Union kenne. Wenn das Führungspersonal wieder stimmt, hoffe ich jetzt auf Besserung.

Aus Ihrer Sicht fehlt also nur noch ein neuer Bürgermeister.

Alsdorf: Genau, richtig.

Sie sehen einen dringenden Bedarf an mehr bezahlbarem Wohnraum. Was bedeutet „bezahlbar“ für Sie und was muss dafür getan werden?

Alsdorf: Wir haben ja schon konkrete Vorschläge gemacht. Einmal gegenüber von Schmitz-Gilsing im Bereich der Oedter Straße. Dort kann man ein Mehrfamilienhaus bauen. Da sollten Sozialwohnungen vorgesehen werden. Die Preise in Kempen sind explodiert. Gerade für junge Familien muss es möglich sein, in Kempen bauen zu können.

In Sachen Schmitz-Gilsing war und ist die Verwaltung aber der Meinung, dass dort nichts geht. Wieso geht da doch was?

Alsdorf: Das ist schon merkwürdig. Die Einfamilienhaus-Siedlung grenzt an das Areal, die Leitungen sind vorhanden. Nun müsste man die restlichen Grundstücke dazubekommen. Auch wenn ich mir bewusst bin, dass derzeit wenige verkaufen wollen. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Dort kann man einen Anfang machen. Weiter muss es dann im Neubaugebiet „Kempener Westen“ gehen.

Kommen wir mal auf das Thema Bildung und Schulen. Ganz oben auf Ihrer politischen Liste steht „die längst überfällige Sanierung aller Schulen“. Was wären da Ihre ersten Schritte als Bürgermeister?

Alsdorf: Was bei den Sanierungen total verschlafen worden ist, ist das Thema Bau für die Oberstufe der Gesamtschule und grundätzlich der Brandschutz mit zweiten Rettungswegen. Da haben wir schon vor zwei Jahren drüber gesprochen. Es herrscht Stillstand. Und dann finde ich immer ärgerlich, dass so etwas im Ältestenrat ausgeklüngelt wird. Das ist nicht unser demokratischer Ansatz. Wir wollen in den Ausschüssen diskutieren.

Bleiben wir doch mal inhaltlich beim Thema Schulen. Ein heißes Thema ist ein möglicher Schulneubau auf dem Ludwig-Jahn-Platz. Die Position der Freien Wähler ist recht eindeutig. Sie wollen die beschlossene Machbarkeitsstudie und im besten Fall auch die Schule an diesem Standort. Die aktuelle Debatte ändern daran nichts?

Alsdorf: Nein, wir stehen zu unserer Position. Wir müssen in das Projekt Schulcampus einsteigen. Das geht auf dem Jahn-Platz aber nur, wenn wir für den Sport ausreichende Alternativen und beste Bedingungen an der Berliner Allee schaffen können. Darum geht es letztlich in der Studie.

Wie bewerten Sie die Ideen anderer Fraktionen? Also, dass die Grünen das Gelände der Turnhalle Wachtendonker Straße und Schulpavillons für einen Neubau ins Spiel bringen.

Alsdorf: Ich sehe im Moment keine Alternative zu den Ideen, die jetzt in der Machbarkeitsstudie überprüft werden. Es würde auch Sinn machen, das Sportzentrum an der Berliner Allee zu bündeln. Aber es ist ja noch nichts beschlossen. Wir müssen in der Studie jetzt vor allem die Kostenfrage klären.

Wir sprachen eben schon kurz über die Kitas. Der Bau bzw. Ausbau von Kitas ist ja schon beschlossen. Wie wollen Sie denn diese neuen Objekte ausgestalten? Spielen da auch flexiblere Öffnungszeiten eine Rolle?

Alsdorf: Das spielt immer eine Rolle. Man muss aber sehen, wie man das alles umsetzen kann. Ich denke, dass die Kitas schon eine hohe Flexibilität haben. Durch die Strukturen – also zum Beispiel auch durch die Zahl der Kinder unter drei Jahren – hat eine Kommune weitaus größere Herausforderungen zu stemmen als früher.

Die Freien Wähler Kempen haben sich vor gut einem Jahr für die Ausrufung des Klimanotstands in der Stadt Kempen ausgesprochen. Klimaschutz ist ein wichtiges politisches Thema geworden. Was wollen Sie für mehr Klimaschutz in Kempen tun?

Alsdorf: Wir müssen gucken, dass das weiterentwickelt wird. Wir müssen zum Beispiel mehr Fahrradwege schaffen. Es gibt auch Punkte, bei denen Kempen in Sachen Klimaschutz gut ist. Wenn man mal eine Burgbesteigung macht, sieht man, wie grün Kempen ist. Das heißt aber nicht, dass man da nicht noch was machen könnte.

Was heißt das? Wo ist Klimaschutz ein Faktor? Beim Bauen?

Alsdorf: Es geht auch um erneuerbare Energien. Die geplante Solarthermieanlage der Stadtwerke ist ein wichtiger Punkt. Da wird Kempen eine Vorreiterrolle einnehmen. Diese Rolle hat Kempen übrigens schon lange inne. Die Themen Blockheizkraftwerke und Fernwärme sind hier schon immer innovativ angepackt worden. Beim Klimaschutz möchte ich auch nicht unser Plakat mit den Blumenwiesen vergessen. Dazu haben wir ja auch schon Anträge gestellt, damit freie Flächen möglichst mit Blumenwiesen versehen werden. Da muss die Politik dringend nochmal nachhaken.

Ich verstehe Sie so, dass die Stadtwerke und die handelnden Personen in Verwaltung und Stadtrat in den vergangenen Jahrzehnten einen guten Job gemacht haben. Oder?

Alsdorf: Ja, bei den Stadtwerken als 100-prozentige Tochter der Stadt, aber eigenständig in ihrer Entwicklung.

Nun würden Sie als Bürgermeister auch Aufsichtsratsvorsitzender bei den Stadtwerken. Sehen Sie sich in der Lage, so ein Unternehmen im Unternehmen Kempen zusätzlich mitzuführen? Trauen Sie sich das zu?

Alsdorf: Da geht es ja auch um Finanzen. Das wird mir relativ leicht fallen. Bei den Freien Wählern bin ich auch derjenige, der sich mit Belangen der Stadtwerke befasst.

Eben fiel bereits kurz das Wort „Radwege“. Es scheint in Kempen, so eine Art Konflikt zwischen Auto- und Radverkehr entstanden zu sein. Wie ist da Ihre Position?

Alsdorf: Das ist eine schwierige Frage, weil alles schon ziemlich zugebaut ist. Unser Nachbarland, die Niederlande, ist da wesentlich weiter. Das sind interessante Konzepte. Aber man muss auch sehen, dass es dort einen anderen Flächenverbrauch gibt. In Kempen muss man auch den tollen Ackerboden im Blick haben, der nicht zerstört werden darf. Wir stehen für eine Weiterentwicklung des Radverkehrs. Es dürfte aber schwierig werden, auf die Kempener Standards noch viel draufzusatteln. Kempen ist eine absolute Fahrradstadt.

Sie sagen, die Diskussion um Kunstrasenplätze im Stadtgebiet zeige, dass in der Sportstättenplanung zu viel liegengelassen wurde und mittlerweile deutlicher Handlungsbedarf vorliege. Braucht Kempen weitere Kunstrasenplätze und wenn ja, wo? Braucht St. Hubert einen?

Alsdorf: Wir brauchen in St. Hubert auf jeden Fall einen. Da müssen wir dranbleiben. St. Hubert braucht eine Lösung. Dort herrscht seit Jahren ein unhaltbarer Zustand. Das ist für die Vereine wichtig.

Nun ist es aber so, dass insbesondere der TuS St. Hubert mit rückläufigen Zahlen bei den Aktiven zu kämpfen hat. Daher gibt es auch Leute, die das Projekt Kunstrasen in St. Hubert nicht mehr sehen. Wie sehen Sie das?

Alsdorf: Ich glaube, dass das der falsche Ansatz ist. Wenn St. Hubert einen Kunstrasenplatz bekommt, kommen auch die Kinder wieder zurück. Wir müssen Anreize und Voraussetzungen schaffen. Das Angebot ist im Moment schlecht, daher orientieren sich die Fußballer woanders hin.

Auf Ihrer Facebook-Seite findet man keine Einträge von Ihnen selbst. Ihre drei Mitbewerber sind dort besonders mit Blick auf die Corona-Situation sehr aktiv. Müsste man im Jahr 2020 als Bürgermeisterkandidat in Sachen Social Media nicht ein wenig mehr zu bieten haben?

Alsdorf: Also, die Freien Wähler sind bei Facebook sehr aktiv. Da stellen wir Kandidaten und Programm vor. Und es wird jetzt auch noch mal verstärkt.

Wie präsent sind Sie in diesem Corona-Wahlkampf in den Stadtteilen?

Alsdorf: Wir sind jedes Wochenende unterwegs. Es hätte alles viel früher losgehen sollen, was nicht möglich war. Nun sind wir dabei, mit den Bürgern in Kontakt zu treten – so gut es eben geht.

Jetzt dürften Sie so realistisch sein, dass Sie nicht glauben, im ersten Wahlgang zum Bürgermeister gewählt zu werden. Was erhoffen Sie sich denn als Ergebnis?

Alsdorf: Das ist Kaffeesatzleserei. Aber ich würde mir acht bis zehn Prozent wünschen. Für mich und die Freien Wähler. Meine Kandidatur hat ja auch das Ziel, mehr Präsenz für unseren Verein zu haben und die Freien Wähler nach vorn zu bringen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es zu einer Stichwahl zwischen Christoph Dellmans und Philipp Kraft kommt. Würden die Freien Wähler einen der beiden unterstützen?

Alsdorf: Die Frage ist nicht entschieden. Ich würde meinem Verein empfehlen, keine Empfehlung abzugeben.

Aber es wird noch darüber diskutiert?

Alsdorf: Ja, natürlich.

Zum Schluss eine Frage zu den Chancen der Freien Wähler bei der Kommunalwahl. Es ist ja so, dass weitere „kleinere“ Parteien um die Gunst der Wähler buhlen werden. Neben Ihnen und den Linken auch noch die Piraten, die ÖDP samt Bürgerinitiative und auch die AfD. Haben Sie die Befürchtung, dass diese Konkurrenz den Freien Wählern schaden wird? Könnte es deutlich enger werden?

Alsdorf: Die Schnittmengen im Rat werden sich verändern. Wir sind aber, glaube ich, ein Stückchen außen vor. Wir sind gut präsent und ich habe große Hoffnungen auf ein gutes Ergebnis. Ich denke eher, dass die großen Parteien verlieren werden. Wir werden um jede Stimme kämpfen.

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