Kempen: „Hatten immer zu wenigGeld“

Fast 11000 Euro hat der Kassierer der Oedter Kolpingsfamilie unterschlagen. Dafür gibt es vom Amtsgericht eine Bewährungsstrafe.

Oedt/Kempen. Kassierer unterschlägt 11000Euro bei der Kolpingsfamilie Oedt: Dieser WZ-Bericht am 20.September 2008 schlug wie eine Bombe ein. Am Donnerstag Vormittag folgt im Kempener Amtsgericht das juristische Nachspiel. Untreue in 225Fällen lautet der Vorwurf.

Dass sich der geständige Angeklagte nicht wohl fühlt in seiner Haut, ist unschwer zu erkennen. Seine Lage ist nicht gerade rosig, wie die Angaben zur Person bei der Eröffnung der Verhandlung dokumentieren. Der 51-Jährige lebt seit Anfang 2008 getrennt von seiner Frau und den beiden Kindern. Zahlen muss er 533Euro Unterhalt, dazu kommen über 400Euro Miete. Da bleibt nicht viel bei 1500, 1600Euro netto, die der nicht vorbestrafte Kraftfahrer verdient.

"Meine Frau war arbeitslos, wir hatten immer zu wenig Geld", beschreibt der Angeklagte die Situation im Jahr 2005. Im Mai wurde er zum Kassierer der Kolpingsfamilie gewählt. Zwei Monate später hob er 300Euro vom Sparbuch des gemeinnützigen Vereins ab. Nach fünf Monaten folgte eine erste private Lastschrift. "Ich dachte mir, ich beleih’ mal die Kolpingsfamilie."

Immer wieder hob der 51-Jährige in den folgenden drei Jahren kleinere Beträge ab. Lässt private Abbuchungen über eines der beiden Girokonten laufen, füllt Überweisungen aus. Es sind so viele Aktionen, dass das Gericht die Beträge bis 50Euro bei der Ermittlung des Strafmaßes gar nicht berücksichtigt- das sind alleine 107Fälle.

Das Geld brauchte der Oedter vor allem, um die Rechnungen von Internet-Dienstleistern zu bezahlen. "Das war Freizeitgestaltung. Man wird abhängig davon", sagt der Angeklagte. Und es wurde immer mehr: "Eigentlich habe ich nachher den Überblick verloren."

Gab es denn keinen Versuch, das Ganze zu stoppen?, will Richterin Renate Holtz-Hellegers wissen. "Doch, aber es war ja kein Geld da." Und er sei zu feige gewesen, um zum Vorstand zu gehen. Bewusst habe er 2008 nicht auf Briefe von Volksbank und Sparkasse reagiert, damit die sich an den Vorstand wenden.

Am 27.August 2008 sei die Sache aufgeflogen, so Birgit Stenmans am Donnerstag vor Gericht. Die Schriftführerin bekam an dem Tag einen Anruf von der Volksbank: Das Girokonto der Kolpingsfamilie war im Minus. Nicht besser das Bild bei der Sparkasse: 700Euro in den roten Zahlen. Und auf dem Sparbuch waren statt der erwarteten 7000 nur noch 8,99Euro.

Bei einer akribischen Kassenprüfung kam heraus, dass es zudem Schulden gab: 2500Euro beim Kolpingwerk in Köln, 1000Euro beim Musikverein Oedt. Nur weil die Gläubiger die Beträge stunden, kann die 1872 gegründete Kolpingsfamilie weitermachen. Zudem kam zu Tage, dass der Angeklagte immer mal wieder Geld aufs Kolpingkonto überwiesen hat, insgesamt 1747Euro.

"Wir waren naiv und haben Lehrgeld bezahlt", so Stenmans am Donnerstag. Das trifft wohl auch auf die Kassenprüfer zu. Denn die waren mit der selber gebastelten Aufstellung des Angeklagten zufrieden, haben nur die Salden verglichen. Ein reguläres Kassenbuch gab es nicht. Dass die Abschlüsse von Giro- und Sparkonten verschiedene Daten trugen, fiel den Kassenprüfern nicht auf. Das Geld war nämlich hin und her überwiesen worden.

Am Ende der Beweisaufnahme darf der Angeklagte noch einmal das Wort ergreifen. Aber eigentlich will der 51-Jährige wohl nicht, zuckt mit den Schultern. Erst nach einer stummen, aber eindringlichen Aufforderung seines Anwalts sagt er denn doch was: "Es tut mir unheimlich Leid. Ich will versuchen, den Schaden wiedergutzumachen."

Er habe Vertrauen missbraucht und einen "ganz erheblichen Schaden" angerichtet, sagt Richterin Renate Holtz-Hellegers: 10653,37Euro. Das Urteil: ein Jahr Haft, ausgesetzt zu einer vierjährigen Bewährungsstrafe. Und der ehemalige Kassierer muss monatlich 150 Euro an die Kolpingsfamilie zurückzahlen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort