Kempen: Glücklich in die neue Zeit rutschen

Mein schönstes Silvester: Zum Jahresübergang erleben die Menschen oft besondere Dinge. Die WZ befragte einige Kempener nach ihren Erfahrungen.

Kempen. "Mein schönstes Silvester, das war 1969/70. Wir haben im Krefelder Stadtwaldhaus gefeiert und bei der Tombola ein Michelin-Besteck gewonnen. Das benutzen wir heute noch." So wie Dietrich Augstein (62) ergeht es vielen Kempenern: Wenn sie danach gefragt werden, welcher Jahresübergang für sie der beeindruckendste war, sprudeln die Worte wie ein Wasserfall.

Augstein ist Hausmeister des Thomaeums und feiert nun seit Jahrzehnten mit seiner Frau Brigitte und lieben Freunden auf die gleiche Art: Man lädt sich ein, um 24 Uhr knallen die Korken, bis 2Uhr wird geplaudert "über Gott und die Welt", berichtet der 62-Jährige. Aber 1969/70 - das war schon "was Besonderes". Der Clou damals war noch, dass Augsteins Bruder seine Gewinner-Lose nicht finden konnte und Dietrich und seine Freundin (heute seine Frau) einsprangen.

Wilhelm Stratmann erinnert sich besonders gerne an die Silvesternächte auf der Steinernen Brücke in Regensburg. Dort rutschte der Student der Geschichte und Volkskunde mit hunderten von Kommilitonen im Freien "zitternd aber glücklich" ins neue Jahr. Aber auch das Millennium-Silvester vor neun Jahren hat es dem Leiter von Schloss Rheydt angetan: Erlesen nicht nur Menü und französische Weine, sondern auch der Blick von der Burg Reichenhall. "Dieses Jahr werde ich mit meiner Frau kurzentschlossen etwas unternehmen- vielleicht ein Abstecher nach Köln auf die Severinsbrücke", so der 51-Jährige.

"Ich bin nicht so ein großer Feuerwerker", sagt der Tönisberger Hardy Prill. Da die beiden erwachsenen Söhne aus dem Haus sind, feiert er ruhig und traditionell mit seiner Frau Marlies: Lecker essen gehen bei La Piazza, zu Hause ein Fläschen Sekt köpfen, das Jahr Revue passieren lassen. "Der Fernseher bleibt aber aus", versichert der 54-Jährige. Da man dieses Silvester-Ritual im Grunde seit 29 Jahren pflege, könne der Bergbauarbeiter vom Wartsberg gar nicht sagen, welches Fest für ihn das schönste gewesen ist.

An legendäre Kempener Kellerpartys erinnert sich Dagmar Waldeck, Mitarbeiterin im städtischen Kulturamt. Wenn es mit ihrem Mann Siggi zu einem bestimmten Motto "unter Tage" ging, beispielsweise "Oma & Opa" oder "Bayern", ging oft mächtig die Post ab. "Diese Clique ist aus einem Kegelclub hervorgegangen, die Stimmung war super", sagt die 49-Jährige.

Franz-Josef Schmitz (54) hat am 31. Dezember gleich doppelten Anlass zum Feiern. "Meine Frau Trudi hat an diesem Tag Geburtstag", berichtet der Kamperlingser. Ab 11 Uhr ist insofern auch heute am Erlenweg in Kamperlings die Tür offen. "Da kommen zunächst die Fußball-Muttis", schmunzelt "Schmiko", der 2.Vorsitzende von Thomasstadt Kempen. Den ganzen Tag über trudeln dann Freunde, Verwandte, Nachbarn bei den Schmitzens ein. Ab 18Uhr feiert schließlich ein "harter Kern" von drei Pärchen Silvester. "Diesmal hoffentlich bei trockenem Wetter und mit Glühwein", hofft Franz-Josef Schmitz.

Einen originellen "Sport" hat Jochen Anders, seit über 30 Jahren Geschäftsführer des Heimatvereins St.Hubert, entwickelt. "Als ich noch auf Freiersfüßen stand, hat zu Mitternacht meine Schwiegermutter immer mehrere Kaninchen gebraten. Ich habe mit meinen Schwagern das Auffinden des versteckten Bratens eingeführt - meist fehlten dann schon zum Entsetzen meiner Schwiegermutter die besten Stücke", erinnert sich der 69-Jährige, der seit 1957 in St.Hubert lebt. "Später haben wir reihum bei den Geschwistern meiner Frau Silvester gefeiert."

Ein besonderes Erlebnis knüpft Hans Janssen an den Jahresübergang 1945/56. "Da spürte ich, dass jetzt eine bessere Zeit kommt und ich nicht wie zuvor mit Mutter in den Luftschutzkeller musste", erinnert sich der 71-Jährige an seine Kempener Kindheit im Zweiten Weltkrieg. Der Vize-Bürgermeister weiß noch genau, wie seine Tante Sophie, eine Nonne, im Keller an der St.Huberter Straße den Rosenkranz gebetet hat, wenn die Militärflieger kreisten und es Granaten hagelte. Als der Krieg zu Ende war, wusste Hans Janssen: "Das ist mein schönstes Silvester."

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