Kempen: „Gelassen und zugleich wachsam“

Fall Bauerfeind ruft Anwalt für Arbeitsrecht auf den Plan.

Kempen. Der Bandagenhersteller Bauerfeind schließt Ende des Jahres- 200 Mitarbeiter sind betroffen. Auch beim Segeltuch-Produzenten Dimension Polyant (120Mitarbeiter) stehen die Zeichen auf Sturm. Jetzt stehen Verhandlungen an zwischen Betriebsrat und Firmenleitung- es geht um Abfindungen, Sozialpläne, Renten-Ansprüche etc..

Die WZ sprach mit Dr.Roland Reinfeld. Der 43-Jährige ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Gobbers & Denk mit Büros in Krefeld und Frankfurt/Main. Seit 1996 ist der Kempener Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Roland Reinfeld: Bei einer Betriebsschließung muss sich der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verständigen. Der Sozialplan regelt den Ausgleich der Nachteile, die den Beschäftigten entstehen- insbesondere die Höhe und Berechnung von Abfindungen. Aber auch die Frage, ob Arbeitsplätze an einem anderen Standort angeboten werden. Der einzelne Beschäftigte kann grundsätzlich abwarten, bis Interessenausgleich und Sozialplan zustande gekommen sind. Handlungsbedarf besteht aber nach Erhalt einer Kündigung.

Reinfeld: Mitarbeiter, die vorzeitig selbst kündigen oder einen Aufhebungsvertrag abschließen, laufen Gefahr, dass sie keine Ansprüche aus dem Sozialplan haben. Nachverhandeln bleibt in der Regel ohne Erfolg.

Reinfeld: Das richtet sich nach Alter, Beschäftigungszeit und Gehaltshöhe des Mitarbeiters. Grundsätzlich gilt, dass ältere Mitarbeiter mit langer Beschäftigungszeit und höherem Gehalt die höchsten Abfindungen erhalten. Die Höhe hängt natürlich vom Verhandlungsgeschick der Beteiligten ab. Das Arbeitgeber-Argument, dass die Mitarbeiter einen Arbeitsplatz an einem anderen Standort antreten können, kann die Einsparung von Abfindungen zum Ziel haben. Bei weiten Entfernungen wie im Fall Bauerfeind- Zeulenroda ist 525 Kilometer entfernt- ist fraglich, ob ein solcher Ortswechsel zugemutet werden kann.

Reinfeld: Das Arbeitsgericht geht vom Grundsatz der freien unternehmerischen Entscheidung aus. Die Gerichte prüfen daher nicht, ob eine Betriebsschließung wirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht, sondern nur, ob die Maßnahme unsachlich oder willkürlich ist. Dies wird bei Schließungen aber so gut wie nie angenommen.

Reinfeld: Das kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber gegen seine Vertragspflichten verstößt. Wurden allerdings Zusagen gemacht, die aufgrund der Schließung nicht eingehalten werden, sind Ansprüche denkbar. Ansprüche bestehen auch, wenn der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Maßnahme beginnt, bevor die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Interessenausgleich abgeschlossen sind.

Reinfeld: Gut beraten ist, wer gelassen und zugleich wachsam bleibt. Die Beschäftigten sollten die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung verfolgen und Ideen an die Belegschaftsvertreter weitergeben. Auch wer bisher wenig mit dem Betriebsrat zu tun hatte, muss sich darüber klar sein, dass dieses Gremium jetzt eine Regelung trifft, die das eigene Arbeitsverhältnis unmittelbar betrifft. Wer wechseln will, hat ab Bekanntwerden der Schließungsabsicht Anspruch auf ein qualifiziertes Zwischenzeugnis.

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