Kempener Metzgerei : Die Gerlachs schnaufen durch
Kempen Nach 66 Jahren endet die Ära der Kempener Metzgerei Gerlach am Concordienplatz – einen Nachfolger gibt es nicht.
„Bozsik, immer wieder Bozsik, der Rechte Läufer der Ungarn. Er hat den Ball. Verloren. Diesmal. Gegen Schäfer. Schäfer nach innen geflankt. Kopfball. Abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Tooor! Tooor! Tooor! Tooor!“ Es ist nicht überliefert, ob der Kempener Kurt Gerlach diese legendäre Radioreportage des WM-Endspiels am 4. Juli 1954 von Herbert Zimmermann mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt hat. Denn Gerlach hatte für den folgenden Tag, den Tag nach dem 3:2 der Deutschen gegen Ungarn, den Tag nach dem „Wunder von Bern“, große Pläne. Am 5. Juli 1954 öffnete sich erstmals die Tür der Kempener Metzgerei Gerlach. Und am 27. Juni 2020 wird sich die Tür schließen – für immer. Nach 66 Jahren wird die Ära der Familie Gerlach zu Ende sein.
„So ein Geschäft mit dieser Familientradition schließt man nicht mal eben so“, erzählt Klaus Gerlach, der das Geschäft 1989 nach dem Tod von Vater Kurt übernommen hat. Allerdings würden einige Mitarbeiter jetzt aufhören. „Und nach mehr als 30 Jahren, in denen 15-Stunden-Tage keine Seltenheit waren, wollten meine Frau und ich nicht noch einmal mit einem erneuerten Team neu anfangen“, sagt der 59-Jährige. Es sei an der Zeit, kürzerzutreten.
Inge und Klaus Gerlach haben nach eigenen Angaben intensiv nach einem Nachfolger gesucht. „Ich habe sämtliche Kontakte über die Innung spielen lassen“, sagt der Metzgermeister. Aber unter den Kollegen in der Region habe sich niemand gefunden, den Laden am Concordienplatz beispielsweise als Filiale zu betreiben. „Auch das hat in unserem Handwerk ohne Frage etwas damit zu tun, dass gutes Personal schwer zu finden ist.“ Auch in der eigenen Familie, das Ehepaar Gerlach hat drei Söhne, gibt es keinen Nachfolger. „Unsere Söhne gehen völlig andere Wege. Das ist auch gut so“, sagt der Vater.
Und so wird das Ladenlokal, das im Besitz der Familie ist, ab Ende Juni erstmal leerstehen. „Was daraus wird, wissen wir noch nicht“, sagt Inge Gerlach. „Wir müssen uns zunächst mal um die ganze Abwicklung kümmern, Maschinen abbauen und verkaufen etc.“ Ein Ladenlokal werde es aber bleiben, das sei für den Concordienplatz auch so im Bebauungsplan der Stadt Kempen vorgesehen.
Begonnen hat die Ära mit Kurt und Mechthild Gerlach 1954 an der Kuhstraße. 1967 ging es dann aus der Altstadt in die „Neue Stadt“, damals die Siedlung, in der die belgischen Soldaten der Grefrather Nato-Kaserne ihre Wohnungen hatten. „Die Belgier waren für den Betrieb meines Vaters sehr gute und wichtige Kunden“, erinnert sich Klaus Gerlach. Die Familie habe zum Teil sogar darauf geachtet, dass belgische Spezialitäten vorrätig waren. Zu Weihnachten habe man sich in der Auslage auch an belgischen Bräuchen orientiert.