Debatte um verkaufsoffenen Sonntag Darf St. Martin dem Handel helfen?

Kempen. · Das Fest des Heiligen Martin soll Anlass für einen verkaufsoffenen Sonntag sein – die Verwaltung fürchtet aber, dass Gerichte das anders sehen werden.

 Dass Kempen und St. Martin eine besondere Verbindung ist, zeigt auch die Tatsache, dass man als „Armer Mann“ (gespielt von Christoph Dellmans) Bürgermeister werden kann.

Dass Kempen und St. Martin eine besondere Verbindung ist, zeigt auch die Tatsache, dass man als „Armer Mann“ (gespielt von Christoph Dellmans) Bürgermeister werden kann.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Helfen und teilen – nach einer Symbolfigur für diese Aktivitäten braucht man nicht lange suchen: St. Martin. Dass der Samariter in Kempen eine besondere Bedeutung, ist ebenfalls keine Neuigkeit. Aber gegen Corona kann auch der Heilige Martin nicht viel ausrichten, deshalb wird Kempen in diesem Jahr keine Züge und Feierlichkeiten in üblicher Größe erleben (die WZ berichtete). Nun will aber der Werbering den legendären römischen Soldaten nutzen, um Händlern und Gastronomen in der Altstadt zu helfen. Denn die Martinsfeierlichkeiten sollen der Anlass werden, den man braucht, um am 8. November einen verkaufsoffenen Sonntag durchführen zu dürfen.

Ob dies aber tatsächlich funktioniert, steht in den Sternen. Denn um eben jene Anlässe wird derzeit in NRW heftig diskutiert und vor Gericht gestritten. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte jüngst in Reihe mehrere Beschlüsse zur Erlaubnis von verkaufsoffenen Sonntagen in anderen Kommunen kassiert. Und zwar weil diese Städte keinen ausreichenden Anlass vorlegen konnten, um eine Sonntagsöffnung gewährleisten zu können.

Für Kempen stellt sich der Werbering eine Ausstellung in den Geschäften vor. In den Läden sollen Kunstwerke von Kempener Künstlern, aber auch Fackeln zu sehen sein, die Kinder derzeit in Schulen und Kitas basteln. Ausgestellt werden sollen die Werke vom 28. Oktober bis 8. November – und an jenem Sonntag soll dann eine Finissage stattfinden und die Läden geöffnet sein.

Was nach einer guten Idee klingt, wird aber derzeit von der Verwaltung skeptisch gesehen. „Aus unserer Sicht ist eine Genehmigung aus drei Gründen derzeit nicht möglich“, so Ordnungsdezernent Jörg Geulmann im Haupt- und Finanzausschuss am Dienstagabend. „Auch wenn ich vollstes Verständnis für den Werbering habe und auch die Besonderheit des Martinsfestes in Kempen kenne.“

Aus Sicht der Verwaltung ist es aber so, dass der Anlass „St. Martin“ vor einem Gericht nicht standhalten würde. „Die Ausstellung von Fackeln und Kunst wird dem Verwaltungsgericht nicht ausreichen“, so Geulmann. Zweitens fehlt dem Werbering noch die Zustimmung der Gewerkschaft Verdi, die derzeit landauf landab gegen die Sonntagsöffnungen klagt. Ohne diese Zustimmung sei das Verfahren kritisch zu sehen. „Und drittens muss der Werbering auch noch am Hygienekonzept nacharbeiten“, so Geulmann. Letzteres Problem sei sicher noch am einfachsten aus der Welt zu schaffen.

In der Diskussion am Dienstag machten die Fraktionen aber deutlich, dass man nicht so einfach aufgeben. „Also wenn St. Martin in dieser Stadt kein Anlass ist, dann weiß ich es auch nicht“, so Grünen-Fraktionschef Joachim Straeten. Diese Kempener Besonderheit müsse man der Begründung stärker herausarbeiten. „Und dann müssen wir das versuchen. Das sind wir den Einzelhändlern schuldig.“

Auch Andreas Gareißen (SPD) war der Meinung, „dass wir in dieser Corona-Krise ein Zeichen setzen müssen“. „St. Martin ist ein Anlass. Und wir sollten dem Werbering die Gelegenheit geben, nachzuarbeiten.“

Ebenfalls pro Werbering-Antrag war Werner Rennes (Freie Wähler). Er befand ebenfalls, dass St. Martin für die Stadt Kempen ein gegebener Anlass sei. „Unsere Einzelhändler und Gastronomen leiden unter Existenzängsten. Deshalb sollten wir mutig sein und versuchen, die Genehmigung zu bekommen“, sagte Irene Wistuba (FDP). Politik und Verwaltung sollten „jetzt nicht einfach den Kopf in den Sand stecken“. Für die Grünen legte Straeten dann noch nach, „Mut zu beweisen und von mir aus einen Präzedenzfall zu schaffen“.

Die CDU als größte Fraktion hatte zunächst die Linie von Dezernent Geulmann unterstützt. „Es sind in den letzten Tagen und Wochen mehrere Pseudo-Anlässe von den Gerichten einkassiert worden. Da müssen wir ganz vorsichtig sein“, so Fraktionsvorsitzender Jochen Herbst. Man wolle die Verwaltung nicht Verlegenheit bringen, rechtswidrig zu handeln. Denn genau das hätten jüngst die Richter des Verwaltungsgerichtes in anderen Fällen beanstandet. Nach der Debatte im Gremium zeigte sich die CDU dann aber offen. „Dann wollen wir hier nichts blockieren und dem Werbering eine weitere Chance geben“, so Herbst.

Bis zur Ratssitzung am kommenden Dienstag, 6. Oktober, soll der Werbering nun noch einmal am Anlass-Konzept arbeiten. Ebenso müssten mit dem Ordnungsamt der Stadt und dem Gesundheitsamt des Kreises Viersen weitere Details in Sachen Corona-Schutzverordnung geklärt werden. Auch die Frage, ob das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes am 8. November in der Innenstadt vorgeschrieben werden soll. Für das Vorgehen, dass bis nächste Woche weitergeplant werden soll, sprach sich der Ausschuss fast einstimmig aus. Dagegen stimmte nur Günter Solecki (Die Linke). Eine Enthaltung gab es von Irene Steeger (SPD).

Im Verlauf der Sitzung gab Jörg Geulmann aber auch zu bedenken, dass das Ordungsamt und auch er selbst bei den geringsten Anzeichen der Rechtswidrigkeit nicht mitspielen werde. „Wenn Sie als Rat die Genehmigung beschließen und wir das für rechtswidrig halten, muss ich den Bürgermeister auffordern, diesen Beschluss zu beanstanden“, so der Beigeordnete.

Die Ratssitzung beginnt am Dienstag um 18 Uhr im PZ des Thomaeums, Am Gymnasium 4. Besucher müssen sich vorher anmelden unter Tel. 02152/9171212 oder per E-Mail an [email protected].

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