Keine Entspannung im Kita-Streit

Das Wunsch- und Wahlrecht von Kempener Eltern bei der U-3-Betreuung steht zur Debatte.

Keine Entspannung im Kita-Streit
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Kempen/Tönisvorst. Der Streit zwischen Eltern und dem Jugendamt über die Betreuung von unter dreijährigen Kindern schwelt weiter. Wie bereits exklusiv von der WZ berichtet, geht das Kempener Ehepaar Stengel den Klageweg, um zu klären, ob die Stadt den Eltern eine Verlängerung der Kostenübernahme für die Betreuung ihres Sohnes von einer St. Töniser Tagesmutter verweigern darf. Bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes hat die Stadt den Zuschuss zur Tagespflege in St. Tönis gewährt. Danach nicht mehr: Stattdessen wurde der Familie nach eigenen Angaben mitgeteilt, dass die Stadt einen U-3-Platz in einer Kempener Kindertagesstätte für den Sohn hat.

Das Ehepaar Stengel und auch eine andere Kempener Familie (Strümpel-Walter) möchten ihre Kinder aber weiterhin von einer Tagesmutter — in St. Tönis — betreuen lassen. Sie pochen auf das „Wunsch- und Wahlrecht“, das der Gesetzgeber den Eltern einräumt.

Das bestätigt das NRW-Familienministerium in einem Schreiben: „Gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege (Kita). Der Anspruch bezieht sich wahlweise — und zwar nach der Entscheidung der Eltern — auf die Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege.“

Auch eine „überörtliche Betreuung“ — im konkreten Fall also in St. Tönis — müsse man den Eltern zugestehen. Nach Angaben der Familien Stengel und Strümpel-Walter wurde das bei einer Veranstaltung im NRW-Landtag zum Thema erklärt.

Im Schreiben übt das Ministerium Kritik an der Stadt: Die Darlegungen des Kempener Jugendamtes würden dazu führen, „dass die Tagespflege generell hinter dem Angebot der Kindertageseinrichtung zurückstehen müsste. Dem kann aus unserer Sicht nicht gefolgt werden“. Beide Betreuungsarten stünden gleichberechtigt nebeneinander.

Andere Eltern, die sich inzwischen bei der WZ gemeldet haben, bestätigen, dass die Stadt Kempen die Betreuung in „ihren“ Kitas bevorzuge: Die Verwaltung verfahre so, dass den Eltern bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahrs ihres Kindes der Tagesmutter-Zuschuss gewährt wird. Danach werde den Eltern ein U-3-Platz in einer Kita nahegelegt — auch wenn die betreuende Tagesmutter aus Kempen kommt.

Die Mütter Nina Stengel und Claudia Walter meldeten sich jetzt in der Einwohnerfragestunde des Jugendhilfeausschusses zum Thema zu Wort. Mit Blick auf die „überörtliche Betreuung“ in St. Tönis erneuerte Dezernent Michael Klee den Standpunkt der Stadt: „Wenn Eltern ihr Kind von einer Aachener Tagesmutter betreuen lassen möchten, müssen wir das dann auch bezahlen?“

Das Jugendamt sieht seine Pflicht erfüllt: „Wir bieten ausreichend U 3-Plätze in unseren Kitas an“, so Klee. „Dafür haben wir eine Menge Geld ausgegeben.“ Er räumte ein, dass ein „uneingeschränktes Wunsch- und Wahlrecht“ für Kommunen zum Problem wird: „Wenn wir alle Wünsche berücksichtigen müssen, ist das Ganze nicht mehr planbar.“

Nach Angaben von Klee würden andere Kommunen auf die Tagespflege verweisen, weil sie nicht genügend Kita-Plätze haben. „Andersherum hat die Stadt Köln ein Problem“, so Klee im Gespräch mit der WZ. „Dort hat man Eltern Plätze bei Tagesmüttern vermittelt. Diese pochen aber auf einen Kita-Platz.“ Dort gebe es gleich mehrere Gerichtsverfahren.

Kein gutes Haar ließ Klee im Ausschuss am rot-grünen Ministerium: „Wenn die Auslegung des Gesetzes so eindeutig ist, dann soll uns das Ministerium doch anweisen, wie wir zu verfahren haben. Das tut es aber nicht und verweist auf die Gerichte.“

Daher blickt man im Kempener Rathaus nun gespannt nach Düsseldorf. Laut Stadt obliegt eine Entscheidung jetzt dem Verwaltungsgericht. „Aus unserer Sicht ist der Fall ausgeschrieben“, so Jurist Klee. Die Familie Stengel wird in Kürze eine „letzte Stellungnahme“ ans Gericht schicken. Zudem planen die Eltern eine weitere Nachfrage beim Ministerium.

Bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird es noch „einige Zeit“ dauern. Das erklärte am Montag eine Sprecherin auf Anfrage der WZ. „Es gibt noch keine Terminierung.“

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