Lesung in Grefrath Tatort-Arzt liest Knastgeschichten

Grefrath. · Vor der Lesung berichtete Joe Bausch von seiner Zeit als Gefängnisarzt.

 In der Buchhandlung Groß in Grefrath gab Joe Bausch mit seinem Werk „Gangsterblues“ Einblick in eine beklemmende Welt.

In der Buchhandlung Groß in Grefrath gab Joe Bausch mit seinem Werk „Gangsterblues“ Einblick in eine beklemmende Welt.

Foto: Wolfgang Kaiser

Wenn Karl Groß zur Lesung lädt, sind die wenigen Plätze in der kleinen Buchhandlung an der Hohen Straße immer schnell ausverkauft. Diesmal aber ging es besonders rasant, denn Joe Bausch hatte sich angekündigt. Im Hauptberuf war der Mann aus dem Ruhrgebiet Gefängnisarzt, „draußen“ aber ist er vor allem bekannt durch seine Rolle als Dr. Philipp Roth, Pathologe im Köln-Tatort.

Schon vor ein paar Jahren tourte Bausch mit seinem schriftstellerischen Debüt „Knast“ durch die Lande und gewann viele Fans bei seinen Lesungen. Jetzt ist er mit seinem zweiten Sachbuch unterwegs. „Gangsterblues“ heißt es, weil es die Stimmung im Gefängnis besonders gut treffe, findet der 66-Jährige. Und der Mann muss es wissen: Mehr als 30 Jahre lang hat der studierte Mediziner als Arzt im Hochsicherheitstrakt der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl gearbeitet. Es ist ein Gefängnis für „die ganz harten Jungs“, wie der Autor sagt. Mörder, Missbrauchstäter, Räuber, Serientäter und Geiselnehmer sitzen in Werl ein.

Bausch fragt, ob Resozialisation im Gefängnis möglich ist

Während Bausch sich in „Knast“ darauf konzentriert hat, zu ergründen, warum ein Mensch zum Verbrecher wird, geht es in „Gangsterblues“ eher um die Resozialisation – und wie sich Gefängnisse ändern müssen, um der Klientel gerecht zu werden. „Als ich anfing im Gefängnis, hatten von zehn Insassen sechs eine Berufsausbildung, heute ist es einer“, sagt Bausch. Auch die Zahl der Drogenabhängigen, die im Gefängnis sitzen, sei enorm gestiegen. „Und dann haben wir das Problem, mit bis zu 60 verschiedenen Nationen zu tun zu haben, das bedeutet verschiedenen Wert- und Moralvorstellungen“, sagt Bausch. Einige der Menschen mit anderer Herkunft seien überhaupt nicht für ein Leben in Deutschland sozialisiert.

Das Buch erzählt auch von den Lebensgeschichten der Insassen

Bis Bausch tatsächlich die ersten Geschichten aus seinem Buch liest, vergeht eine gute halbe Stunde, in der der gelernte Schauspieler und studierte Mediziner von seinem Leben zwischen diesen beiden Berufen erzählt. Auch im Buch schildert der Autor Lebensgeschichten und Schicksale von Menschen, die er im Laufe der Jahre im Gefängnis als Patienten behandelt hat, und die Spuren hinterlassen haben.

Dabei hat der Autor es geschafft, ganz unterschiedliche Schicksale zu erzählen und damit auf Probleme hinzuweisen, die ihm in der JVA Werl begegnet sind. Es geht um Wiederholungstäter, Reue, Todesangst und die Abgründe kranker Seelen. Teilweise sind die Geschichten, die Bausch erzählt, sehr skurril, oft krass, manchmal lustig, und manchmal stimmen sie nachdenklich. Wie die Geschichte des Mannes, der 18 Jahre lang unschuldig gesessen hat. „Im Jahr werden 8395 Anträge auf Wiederaufnahmeverfahren gestellt, einem wird nachgegangen“, weiß Bausch.

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