Die WZ öffnet Türen Im Rathaus lässt der Kalte Krieg noch grüßen

Der 1967 eröffnete Sitz der Kempener Verwaltung am Buttermarkt verfügt über einen Luftschutzkeller. Anno 2017 dienen die Räume als Lager für Pläne und Clownmasken.

Die WZ öffnet Türen: Im Rathaus lässt der Kalte Krieg noch grüßen
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Die Stahlbetondecke ist 1,20 Meter dick. „Bei Bauarbeiten vor rund 15 Jahren wurde da mal ein Kabel aus dem Foyer durchgeführt. Die beauftragte Fachfirma hat 24 Stunden gebraucht, um durchzubohren“, berichtet Christoph Dellmans. Der Pressesprecher der Stadt Kempen hat der WZ heute eine der ungewöhnlichsten Türen im Rahmen unserer Adventsreihe geöffnet: Wir stehen im Luftschutzkeller des Kempener Rathauses.

Mitten in der Zeit des Kalten Krieges war der Verwaltungssitz am Buttermarkt geplant und errichtet worden: In der Stadtratssitzung am 29. Oktober 1960 stimmte die Mehrheit für einen Neubau. Baubeginn war 1964, am 21. Mai 1967 wurde die Einweihung des neuen Rathauses gefeiert.

Adventsserie: Die WZ öffnet Türen

In jenen Jahren hielt man es offenbar für notwendig, Bürgermeister, Stadtdirektoren und Beamten bei einem drohenden Angriff eine Zuflucht anzubieten. Wobei: Alle 160 Mitarbeiter, die heute im Rathaus ihren Arbeitsplatz haben, hätten sicher nicht in die engen kleinen Räume gepasst, wenn sich „der Sowjet“, wie es Konrad Adenauer immer ausdrückte, ausgerechnet Kempen als Ziel eines Atomschlags ausgesucht hätte. „Ich wäre da gar nicht erst reingegangen. Da bringt man es doch lieber schnell hinter sich“, bekennt Christoph Dellmans nachdenklich.

Zurück in den Rathauskeller. Vielleicht würde der Bunker geräumiger wirken, wenn er denn leer wäre. Ist er aber nicht: Da mit Luftangriffen in der nächsten Zeit — so Gott will — nicht zu rechnen ist, werden in den verschiedenen Räumen, die alle durch schwere, gewölbte Stahltüren gesichert sind, heute Akten gelagert. Aber auch Wahlurnen und -unterlagen. Und Schilder, die Richtung Wahllokal weisen, Und alte Stadtkarten. Und Baupläne. Und sogar überdimensionale Clownmasken, die als Karnevalsschmuck dienen. Bis unter die Decke sind all diese Sachen gestapelt. Selbst die einstigen Sanitärräume, die als solche nur noch durch ihre fehlende Größe zu erkennen sind, werden entsprechend genutzt.

Es riecht ein bisschen muffig hier unten. Aber es ist warm und trocken. Was den alten Akten durchaus zugutekommt. Was findet sich hier? Christoph Dellmans greift willkürlich in ein Metallregal — und zieht ausgerechnet einen Ordner hervor, in dem sich Unterlagen zum geplanten Rathausbau aus der ersten Hälfte der 60er Jahre finden. „Die Honorarforderungen dürfen vorerst 1000 Mark nicht überschreiten“, wird da einem Architekten gleich auf der ersten Seite durch den damaligen Stadtbaurat brieflich mitgeteilt. Und auch die nackten Zahlen zum Neubau werden in den alten Papieren aufgelistet: Mit Gängen sind es 3250 Quadratmeter — beziehungsweise 14 050 Kubikmeter umbauter Raum.

Solche Zahlen und Fakten hat auch Christoph Dellmans parat, der auf Anfrage Schulklassen und Kindergartengruppen durchs Rathaus führt. 2600 Quadratmeter Büroflächen sind vorhanden, 100 Büros stehen zur Verfügung. Der Entwurf des Gebäudes stammt von den Architekten Heinz Döhmen aus Viersen und Heinz Cobbers aus Kempen.

Wir haben uns lange genug zwischen den vollen Regalen herumgedrückt und verlassen den Luftschutzbunker wieder. Einige Stufen höher und einige Schritte weiter kommen wir an der nächsten dicken Tür vorbei: Auch ein großer Tresor wurde damals in den Rathauskeller eingebaut. Der durch Stahltür und Gitter doppelt gesicherte Raum, den laut Aufschrift über der Tür die „Peltz Geldschrankwerke Düsseldorf“ gebaut hat, dient im Moment aber nicht der Aufbewahrung von Millionen — sondern zur Lagerung von alten Möbeln.

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