"Ich verbiege mich nicht"

Seit etwa zehn Monaten ist Volker Rübo Bürgermeister von Kempen. Mit der WZ sprach er über Persönliches und seine Ideen für die Stadt.

Westdeutsche Zeitung: Herr Rübo, wie fühlen Sie sich im August 2010 nach den ersten Monaten im Amt des Bürgermeisters?

Volker Rübo: Sehr gut. Das Zusammengehörigkeitsgefühl hier in Kempen ist phänomenal. Man kann hier viel bewegen - zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern. Das macht mir Freude.

WZ: Im Vergleich zu ihrem Start im Oktober - hat sich da etwas verändert?

Rübo: Es ist mehr Sicherheit dazu gekommen. Ich habe eine gute Mannschaft, auf die ich mich verlassen kann. Ich bin in diese Position jetzt hinein gewachsen. Und sie macht mir viel Freude - eindeutig.

WZ: Was war die positivste Erfahrung der vergangenen Monate?

Rübo: Da ist so vieles, was in den vergangenen Monaten hier angestoßen worden ist. Mit der Mensa im Schulzentrum für die Martin-Schule und die beiden Gymnasien sowie mit der Cafeteria für die Realschule stemmen wir ein großes Bauprojekt. Sehr positiv ist auch die Entwicklung unserer Kindertagesstätten, die wir ausgebaut haben für die U3-Betreuung. Ich habe auch - am Anfang zumindest - ein gutes Gefühl bei den Haushaltsberatungen gehabt. Ich hatte den Eindruck, alle Fraktionen ziehen an einem Strang. Jetzt am Ende hat diese Zusammenarbeit etwas geschwächelt. Ich hoffe, dass es uns gelingt, wieder einen Schulterschluss herzustellen.

WZ: Sie rechnen also damit, dass die SPD, die ja in der letzten Ratssitzung ausgeschert ist, ihre Haltung wieder ändern wird.

Rübo: Ich bin mir sicher, dass eine solche Verweigerungshaltung von der Bürgerschaft nicht akzeptiert wird. Das wird die SPD merken, wenn sie hier versucht, auszuscheren. Wenn sie versucht, in reine Opposition zu gehen ohne Sachargumente. Da wird sich die SPD keinen Gefallen mit tun.

WZ: Gab es in den vergangenen Monaten auch negative Erfahrungen? Vielleicht eine echte Enttäuschung?

Rübo: Nein, eigentlich nicht. Die Haushaltsberatungen haben viel Kraft in Anspruch genommen. Das war ein Mammutwerk, dass wir gestemmt haben. Wir haben uns nicht zurückgelehnt. Vielmehr haben wir versucht, diese Wende zu schaffen, zu konsolidieren. Wir müssen uns unsere finanzielle Handlungsfähigkeit erhalten. Insoweit habe ich keine Enttäuschungen erlebt.

WZ: In Bezug auf das Haushaltsloch: Hat Kempen in der Vergangenheit auf zu großem Fuß gelebt?

Rübo: Nein, definitiv nicht, wir haben uns solide aufgestellt und nicht über unsere Verhältnisse gelebt. Bund und Land haben zunehmend mehr Aufgaben auf die Kommunen abgegeben ohne die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Die Ausgaben, die wir getätigt haben, waren zwingend notwendig. Wir haben unsere Schulen und Kindertagesstätten ausgebaut, wir mussten die Feuer- und Rettungswache bauen, auch der Baubetriebshof hatte es dringend nötig, um reibungslose Arbeitsabläufe zu gewährleisten. Wir haben nie in Prestige-Projekte investiert.

WZ: Baut die Stadt Kempen deshalb keinen Kunstrasenplatz?

Rübo: Auch das ist dem Umstand geschuldet, dass wir eine Fülle von Aufgaben haben, denen wir uns widmen müssen. Für einen Kunstrasenplatz fehlt der Stadt derzeit das Geld. Sollte sich die Finanzsituation verbessern, kann man darüber nachdenken.

WZ: Warum können andere Kommunen in der Region denn Kunstrasenplätze bauen?

Rübo: Ein Grund ist sicherlich, dass zum Beispiel Willich und Tönisvorst die Konjunkturmittel genutzt haben. Wir haben einen anderen Weg beschritten. Wir investieren diese Mittel ausschließlich in die energetische Sanierung unserer Gebäude. So setzen wir die Mittel nachhaltig ein. Bei der Schulsanierung gelingt uns ein Meilenstein für spätere Generationen. Einen Kunstrasenplatz muss mann nach rund 15 Jahren wieder erneuern.

WZ: Welche Perspektiven können Sie denn den Fußballvereinen in in Sachen Kunstrasen geben?

Rübo: Sowohl bei den beiden Aschenplätzen an der Berliner Allee als auch als auch beim St.Huberter Aschenplatz ist noch kein akuter Sanierungsbedarf gegeben. Wir müssen uns die Zeit gönnen, um zu sehen, wie sich unser Haushalt entwickelt. Und dann ist auch die Frage zu beantworten, was die Vereine selber stemmen können, um eine gemeinsame Finanzierung zu realisieren.

WZ: Und ab wann ist so eine Möglichkeit denkbar?

Rübo: Da können Sie mich nicht festlegen.

WZ: Dann andersherum: Bis wann können Sie einen Kunstrasenplatz ausschließen?

Rübo: Ich würde 2011 ausschließen. Ich sehe nicht die Möglichkeit, im Haushalt 2011 einen Kunstrasenplatz zu veranschlagen.

WZ: Gibt es bei Ihnen eine Ernüchterung, was die Möglichkeiten Ihres Amtes angeht?

Rübo: Nein, da bin ich ein alter Hase und erfahren genug. Schließlich bin ich schon seit knapp 14 Jahren im Verwaltungsvorstand. Es ist zwar einiges an Terminen hinzugekommen. Da bin ich froh, dass ich sehr gute Stellvertreter habe, die mir diese repräsentativen Aufgaben teilweise abnehmen. Wobei ich sagen muss, dass mir solche Termine Spaß machen.

WZ: In der Öffentlichkeit zu stehen, ist für Sie also mehr Lust als Last?

Rübo: Überwiegend ist es Lust. Es ist schön, mit den Bürgern gemeinsame Stunden zu verbringen. Ich lebe mein Leben so, wie ich es für richtig halte. Ich verbiege mich nicht.

WZ: Welche Aufgaben wollen Sie bis Jahresende noch erledigen?

Rübo: Zunächst geht es darum, den Bau der Mensa zu Ende zu bringen. Dann wird es auch schon darum gehen, den Haushalt 2011 vorzubereiten. Auch der weitere Ausbau der Kindertagesstätten für die U3-Betreuung ist ein Thema. Und wir werden den Schulentwicklungsplan im November einbringen.

WZ: Zum Haushalt 2011: Wo kann Kempen noch sparen?

Rübo: Wir haben ja schon in einigen Dingen vorgegriffen. Sprich: bei der Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer. Wenn die Hebesätze so erhöht werden, wie von uns vorgeschlagen, sollte man da nicht noch weiter heran gehen. Wir haben von der Politik weitere Prüfaufträge bekommen. Im Jugendbereich müssen wir schauen, wo es noch Möglichkeiten gibt. Bei den Gebühren für Kindertagesstätten, Kindertagespflege und Offene Ganztagsschule haben wir im interkommunalen Vergleich teilweise günstige Sätze, wo man eine Anpassung vornehmen könnte.

WZ: Anpassen heißt erhöhen?

Rübo: Ja, das ist eine Erhöhung. Diesen Vorschlag werden wir machen.

WZ: Gibt es trotz des Sparkurses auch noch Projekte, an denen sich die Stadt aufrichten kann?

Rübo: Wir müssen uns nicht aufrichten. Wenn man sich die Stadt mit funktionierendem Einzelhandel, gut gefüllten Gewerbegebieten, wachsenden Wohngebieten und gut entwickelter Infrastruktur ansieht, haben wir hier eine runde Situation. Aber natürlich ist der Klosterhof ein ganz wichtiges Projekt.

WZ: Laufen da konkrete Gespräche mit Investoren?

Rübo: Ja, es gibt Interessenten. Insofern hoffe ich, dass wir schon in den nächsten Wochen einen Investor präsentieren können, der sich mit dem Klosterhof auseinandersetzen wird. Wir haben ja die entsprechenden Vorarbeiten geleistet. Der Rat hat den städtebaulichen Rahmen abgesteckt. Wir nehmen einem zukünftigen Investor eine ganze Menge ab. Es gibt einen klaren Rahmen mit klaren Preisvorstellungen.

WZ: Das kann man auch anders ausdrücken: Einem Investor wird ja auch viel Freiheit bei der Gestaltung genommen.

Rübo: Es wird ihm sicherlich Freiheit genommen. Aber an der Stelle können wir uns auch nicht irgendetwas vorstellen. Das darf kein städtebaulicher Missstand werden. Wir haben einen Vorschlag definiert, der zu Kempen passt.

WZ: Wie sieht es bei den Neubaugebieten aus? Wie weit kann Kempen noch wachsen?

Rübo: Zunächst werden wir an der St.Töniser Straße im Herbst 2011 einen weiteren Bauabschnitt beginnen. In etwa sechs Jahren wird dieses Gebiet dann voll sein. Da gibt es rund 200 Baugrundstücke.

WZ: Welche Ideen gibt es über die St.Töniser Straße hinaus?

Rübo: Wir können auch noch in den Westen springen. Zum Beispiel rechts und links der Ziegelheider Straße. Eine andere Alternative ist an der Straelener Straße im Anschluss ans Hagelkreuz. Diese Fläche halte ich für sehr interessant. In St.Hubert wird sich die weitere Wohnbauentwicklung im Norden am Pielenhof vollziehen.

WZ: Ihre Ziele bis zum Ende des Jahres haben Sie schon abgesteckt. Wie sieht es denn mit Projekten bis zum Ende Ihrer ersten Amtszeit 2015 aus?

Rübo: Meine vorrangigste Aufgabe ist, die guten Strukturen, die wir in Kempen haben, zu erhalten. Dabei geht es um unsere funktionierende Altstadt, unsere Schulen und Kindertagesstätten weiter zu entwickeln. Eine weitere Frage ist die, wie wir mit der Ausweisung von neuen Gewerbegebieten umgehen. Wie schaffen wir es weiterhin, Unternehmen in Kempen anzusiedeln?

WZ: Ein spezielles Großprojekt haben Sie also nicht im Auge?

Rübo: Nein. Wir sind gut aufgestellt. Unseren Standard zu erhalten, wird angesichts der Finanzkrise schwer genug. Außerdem möchte ich das Profil Kempens als familienfreundliche Stadt weiter schärfen. Kempen an sich ist das Großprojekt.

WZ: Sie haben gesagt, dass Ihnen der Job Spaß macht. Können Sie sich vorstellen, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren?

Rübo: 2015 bin ich 56 Jahre alt. Insofern habe ich die Pensionsgrenze dann noch längst nicht erreicht.

WZ: Sie wollen also nochmal?

Rübo: Ich möchte dann nochmal. Mir macht die Aufgabe und die Zusammenarbeit mit den vielen engagierten Menschen viel Freude.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort