Interview „Ich gehe nirgendwo rein, um zu verlieren“

Grefrath. · Roland Angenvoort (SPD) will Bürgermeister von Grefrath werden – über seine Ziele und Ideen sprach er mit der WZ.

 Bürgermeisterkandidat Roland Angenvoort während des Gesprächs mit der WZ-Lokalredaktion.

Bürgermeisterkandidat Roland Angenvoort während des Gesprächs mit der WZ-Lokalredaktion.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Im linken politischen Lager Grefraths hatte vieles auf eine gemeinsame Unterstützung der Bürgermeisterkandidatur von Wirtschaftsförderer Jens Ernesti hingedeutet. Doch dann überraschte die SPD mit einem eigenen Kandidaten: Roland Angenvoort ist seit 30 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv – jetzt will er Bürgermeister werden. In der Kempener Redaktion stellte er sich den Fragen der WZ.

Warum wollen Sie Bürgermeister werden?

Roland Angenvoort: Ich bin seit elf Jahren stellvertretender Bürgermeister. Zudem bin ich von verschiedenen Leuten angesprochen worden, ob ich nicht Lust hätte, Bürgermeister zu werden. Wenn eine Glut in mir ist und da pusten einige rein, dann entfacht das ein Feuer. Ich bin jetzt seit 34 Jahren bei der AOK und seit 25 Jahren Manager dort. Die Fähigkeiten, die ich dabei erworben habe, möchte ich gerne in den Dienst der Gemeinde stellen.

Es gibt Gerüchte, dass sie eine neue berufliche Perspektive haben und deshalb gar nicht mehr ganz so ernsthaft das Amt wollen. Ist da was dran?

Angenvoort: Ich gehe nirgendwo rein, um zu verlieren. Ich bin Geschäftsbereichsleiter Bildung bei der AOK. Ein Job, den ich gerne mache. Der AOK-Vorstand hat mir zugesichert, dass ich im Falle der Wahl zum Bürgermeister für fünf Jahre freigestellt werde. So kann ich entspannt ins Amt gehen. Wenn es nichts wird, mache ich bei der AOK in meiner jetzigen Position weiter.

Es soll eine Absprache im Vorfeld gegeben haben, dass die SPD Wirtschaftsförderer Jens Ernesti unterstützen will. Und dann wurden doch Sie aufgestellt. Wie ist das gelaufen?

Angenvoort: Ich war nicht mehr im Vorstand der Partei, nur im Gemeinderat und stellvertretender Bürgermeister. Ich wusste nicht, was sich hinter den Kulissen abgespielt hat. Und wenn nicht wenige Unternehmer und Bürger mich bei Terminen fragen, ob ich nicht Bürgermeister werden will, dann beschäftigt man sich mit der Frage.

Als Folge Ihrer Nominierung ist der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Monhof aus der Partei ausgetreten. Jetzt kandidiert er für die Grünen für den Gemeinderat.  Wie sehen Sie das?

Angenvoort: Jochen Monhof hat viel Erfahrung und viel für die SPD getan. Er ist ein Gewinn für die Grünen und ich wünsche ihm Glück. Ich hätte mich gefreut, wenn er auch mit mir mal gesprochen hätte. Aber das ist jetzt für mich Schnee von gestern.

Sie haben einmal gesagt, Sie sind ein Macher. Was möchten Sie denn machen?

Angenvoort: Zu tun gibt es ja gerade nicht wenig in Grefrath. Die Frage ist ja, was tut ein Bürgermeister? Letztendlich ist er der Chef der Verwaltung. Sie organisieren Zusammenarbeit. Sie setzen Menschen wirksam ein und sie verantworten Erfolg. Wann ist eine Gemeinde erfolgreich? Wenn Menschen gerne in der Gemeinde leben und wenn Sie der Frage nachgehen: Wo tut es weh? Und da ist zum Beispiel das Freibad. Hier müssen wir erstmal feststellen, was bezahlbar ist. Was mit der Landesgartengartenschau passiert. Würde es klappen, wäre das ein großer Gewinn. Die Haushalte der Kommunen geraten gerade wegen der Auswirkungen von Corona in Schieflage. Ich kann zwar schön sagen: Ich bin ein Macher. Aber ich muss ja auch die Mittel dafür haben. Und die sind begrenzt.  Da muss ich ganz genau schauen, wie viel uns noch bleibt, wenn die Gewerbesteuer wegbricht. Wir haben einen Haushalt von ungefähr 30 Millionen, davon sind 17 Millionen Steuereinnahmen, zumeist durch die Einkommenssteuer. Aber es kommt auch Gewerbesteuer an. Und wenn die Firmen ihre Vorauszahlungen jetzt auf Null setzen, dann kommt kein Geld rein. Wir werden erst im zweiten Halbjahr 2021 Klarheit haben, wie viel uns wirklich fehlt.

Und was wollen Sie dann machen?

Angenvoort: Dagegen kann man nicht ansparen. Man muss gezielt investieren und sich die Jobs in der Verwaltung genau anschauen. Nehmen wir das Beispiel Bauamt. Welche Arbeiten sind dringend nötig? Das städtebauliche Konzept in Oedt, ISEK, läuft. Die Fördermittel dafür sind da, wir schießen von der Gemeinde nur einen kleinen Teil mit rein. Wir müssen dafür sorgen, dass bei ISEK auch die wesentlichen Dinge umgesetzt werden können. Aber personell ist das Bauamt an seine Grenzen gekommen. Weitere Fragen, die beantwortet werden müssen: Wie können wir das Freibad erhalten? Was muss zwingend saniert werden?

Es gibt aber doch schon einen Beschluss zur Sanierung des Freibads.

Angenvoort: Beschlüsse sind immer gut, solange sie auf Dauer finanzierbar sind. Zu der Zeit, als der Beschluss gefasst wurde, wussten wir nicht, was auf uns zukommen würde. Eine Priorisierung anhand der Haushaltsmittel, die uns zur Verfügung stehen, ist wichtig.  Wir müssen auch in Wahlkampfzeiten darauf achten, dass wir nicht so tun, als wenn wir üppige Finanzmittel hätten.

Noch einmal zurück zur Personalfrage. Würden Sie die Strukturen, wie sie Bürgermeister Lommetz geschaffen hat, so belassen? Würden Sie das Personal aufstocken?

Angenvoort: Ich rede nicht über Mitarbeiter, ohne vorher mit ihnen gesprochen zu haben. Ich finde es gut, wie bisher dort umorganisiert wurde. Aber ob der Zuschnitt genauso bleiben soll, wie er ist, da muss ich vorher erst mit den Betroffenen reden. Ich mache mir Gedanken ums Bauamt. Es sind ja Stellen ausgeschrieben und wir müssen dann sehen, ob das reicht.

Wie kompromissbereit sind Sie?

Angenvoort: Man kann von mir alles haben, mein Rückgrat bekommt man aber nicht. Ich bin lösungsorientiert. Ich will keine Gründe hören, warum etwas nicht geht. Ich will den Weg wissen, wie es gehen kann.

Würden Sie auch gegen Ihre Partei stimmen?

Angenvoort: Ja.

Kommen wir zum Thema Rathaus. Sicher ist, dass die momentane Situation mehr als unbefriedigend ist. Was haben Sie für Pläne?

Angenvoort: Wir müssen nach vorne schauen und sehen, was finanziert werden kann, welche Prioritäten es gibt. Mir müssen sehen, wie dort vernünftig gearbeitet werden kann. Es gibt teilweise Zustände, die gehen so nicht. Wird Geld in den Bestand investieren, kostet es viel. Wir haben zwei Rathäuser, das kostet auch viel. Und diese Dinge kann man sich in meinen Augen sparen. Man muss eine intelligente Lösung finden.

Würden Sie das Rathaus in Oedt schließen?

Angenvoort: Wir brauchen eine Anlaufstelle für die Bürger in Oedt. Das kann man aber woanders mitorganisieren. Grundsätzlich ist es immer sinnvoll, an einem Standort die Verwaltungsangelegenheiten der Gemeinde Grefrath zu bündeln.

Was sagen Sie zu den Plänen, auf der Fläche gegenüber des Grefrather Rathauses zu bauen?

Angenvoort: Bevor ich über einen Standort rede, muss ich erstmal über Geld reden. Es gibt die Möglichkeit von Homeoffice, der interkommunalen Zusammenarbeit. Es stellt sich die Frage, was kann man ausgliedern. Wir müssen Synergien bilden. Es stellen sich einige Fragen: Wie groß muss ein Rathaus sein? Wie viele Arbeitsplätze muss ich vorhalten? Was können wir an die gemeindeeigenen Betriebe angliedern? Wenn diese Fragen geklärt sind, erst dann sind Sie beim Standort. Ich glaube nicht, dass ich das Thema in der ersten Hälfte der Amtszeit angehen werde. Ich glaube, da gibt es drängendere Probleme. Erstmal muss ISEK laufen und das Freibad angegangen werden.

Wie sähe bei Ihnen als Bürgermeister die Wirtschafsförderung aus?

Angenvoort:  Ich habe mich viel mit Unternehmern unterhalten. Netzarbeit ist hier angesagt. Ich strebe eine engere Zusammenarbeit mit der IHK an. Außerdem denke ich, dass Wirtschaftsförderung auch eine Angelegenheit des Bürgermeisters ist. Da würde ich Hand in Hand mit Herrn Ernesti schauen, welche Bedürfnisse große und welche kleine Unternehmen haben. Was gegen den Leerstand unternommen werden kann. Wir sollten zu einem Netzwerk mit Grefrath InTakt, IG Oedt und den Unternehmen kommen. Wo haben wir noch Lücken, Flächen für Gewerbe? Wir müssen gezielt Firmen in die Gemeinde bekommen. Wir haben als Gemeinde keine eigenen Flächen, da muss man verhandeln. Das ist eine Herausforderung.

Was ist mit Tourismus und Marketing?

Angenvoort: Tourismus ist ein boomender Bereich. Jeder Ortsteil ist von Grün umgeben. Nehmen wir den Wohnmobilplatz in Oedt, der ist immer voll. Aber wir als Gemeinde profitieren wohl als einzige im Kreis nicht vom Boom. Da müssen wir mehr tun. Wir können nicht erst dann anfangen, wenn Grefrath zum Zentrum der Landesgartenschau wird. Dann ist es zu spät. Wir müssen schon vorher denken.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Landrat und zum Kreis Viersen?

Angenvoort: Ich finde Landrat Coenen macht einen ganz ordentlichen Job. Wir brauchen den Kreis, wir sind voneinander abhängig.

Sie haben gesagt, Sie wollen im ersten Wahlgang 35 Prozent bekommen…

Angenvoort: Ja, das habe ich so gesagt. Wenn ich die 35 Prozent habe, bin ich schon mal im zweiten Wahlgang.

Was heißt, dass Sie von einer Stichwahl ausgehen?

Angenvoort: Ja, Ich glaube, Stefan Schumeckers, Jens Ernesti und ich sind jeder sehr nahe an 30 Prozent dran. Ich glaube nicht, dass sich einer deutlich absetzen kann. Ich glaube auch, dass ich deutlich mehr Stimmen holen werde als meine Partei. Denn sonst wären es ja nur 20 Prozent. Das reicht nicht.

Wie würden Sie mit der AfD umgehen, wenn sie in den Rat käme?

Angenvoort: Das müssen wir praktisch werden lassen. Am Ende des Tages organisieren wir Mehrheiten, organisieren Lösungen. Ich erwarte in unserem Ratssaal ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander.

Vor der Wahl steht der Wahlkampf. Wie gestaltet sich dieser sich für Sie in Coronazeiten?

Angenvoort: In der ersten Phase der Pandemie war keine Kontaktmöglichkeit. Und ich habe weitergearbeitet. Wahlkampf nebenbei machen, das ist sehr anspruchsvoll und nicht mein Ding. Ich bin halt eher bei den Menschen. Ich glaube, die Wahl wird nicht bei Facebook gewonnen, sondern bei den Leuten. Die dann über Angenvoort reden. Da halte ich es mit Friedrich Nietzsche: „Gib den Menschen ein Wozu und er verträgt fast jedes Wie.“

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