Geschichte lebendig gemacht

Anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Grefrather Heimatvereins sprach der Historiker Gerhard Rehm.

Grefrath. 75 Jahre Heimatverein Grefrath waren auch für Kreisarchivleiter Gerhard Rehm Grund genug, sich mit einem Vortrag an dem Festbankett zu beteiligen. Neben dem Heimatvereins-Vorsitzenden Herbert Küsters, der über die Historie "seines" Vereins referierte und den Musikvorträgen von Liederkranz und einem Bläser-Ensemble um Johannes Herrig informierte der promovierte Historiker kurzweilig und detailreich über das Leben in Grefrath im 18. und 19. Jahrhundert.

"Damals gehörte die Niersgemeinde zum Herzogtum Geldern und nutzte seine Grenzlage zu den benachbarten Herzogtümern aus", berichtete Rehm, der das umfangreiche Archiv in der Kempener Burg verwaltet.

Steuern wurden eingefordert und Zölle erhoben. Bis in die Mitte des 18.Jahrhunderts war die Landwirtschaft der wichtigste Arbeitsfaktor, bis der Nebenerwerb der Leinen- und Samtbandweberei an Bedeutung gewann. Die Rohstoffe und Arbeitsgeräte (Stoffe, Webstühle) bekam man von der unweiten Samt- und Seidenstadt Krefeld.

"Schnell wurde Grefrath zum bedeutensten Weberstandort neben Viersen", wusste der Historiker. 50 von den 1795 Grefrather Bürgern waren im 18. Jahrhundert Handwerker, darunter auch ein Brandweinbrenner.

Gerhard Rehm verstand es, historische Kontexte mit Leben zu füllen. Seine Ausflüge in die Anekdotenkisten vergangener Zeiten luden zum Schmunzeln und Staunen ein.

Der Kreis-Archivar: "Gegen Ende des Ende des 18. Jahrhunderts dann gewann der Export von Leinen und Samt an Bedeutung." Grefrath zählte sogar zu einem der größten Exportgewerbedörfern der Zeit. Die damalige Amtssprache Niederländisch fiel dem Eindeutschungsprozess zum Opfer, was anhand von zeitgenössischen Schulbüchern nachgewiesen werden kann.

Die soziale Wirklichkeit war oft nicht einfach und von der Konjunktur abhängig. Die Weber beispielsweise bekamen rund ein Viertel weniger Lohn als ihre Kollegen aus der Seidenstadt. Welche Konsequenzen das im Einzelnen hatte, ließ Rehm unbeantwortet. Nur soviel: Schon im Jahr 1731 war von einem vernachlässigten Kind die Rede, das fortan in einer Pflegefamilie aufwuchs.

Gerhard Rehm schloss mit einer Anekdote aus dem Protokoll eines Schöffengerichts, bei dem 1792 ein mysteriöser Todesfall unter der Marktlinde untersucht wurde. Fazit: "Immer wird der Nachwelt etwas überliefert. Und so setzt man Zeichen."

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