Gedenkstunde in Kempen Gedenken an Opfer der Pogromnacht

Kempen · Seit 20 Jahren organisiert der Geschichts- und Museumsverein die jährliche Gedenkstunde an die Novemberpogrome in Kempen. Viele Menschen nahmen Anteil.

 Herbert Holtemeyer an der Klarinette: Kempener gedenken der Novemberpogrome.

Herbert Holtemeyer an der Klarinette: Kempener gedenken der Novemberpogrome.

Foto: Norbert Prümen

(evs) Rund 150 Menschen kamen am Mittwochabend zur Gedenkstunde an die Novemberpogrome 1938 an der Umstraße in Kempen zusammen. Damit war die Veranstaltung sehr gut besucht, ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren immer mehr verfestigt hat.

Am Morgen des 10. November 1938 brannte hier die Kempener Synagoge, es wurden Geschäfte und Wohnungen zerstört und geplündert, Männer wurden zusammengetrieben und gefangen genommen. Diese Taten stellten eine neue Form der Gewaltmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes gegen Juden in Deutschland und Österreich dar und gelten als Vorstufe zum wenige Jahre später beginnenden Holocaust.

Mahnmal erinnert an ehemaligen Standort der Kempener Synagoge

In Kempen erinnert ein kleines Mahnmal an den ehemaligen Standort der Synagoge. Dort organisiert der Kempener Geschichts- und Museumsverein seit 2003, also seit fast 20 Jahren, die jährliche Gedenkstunde. Ina Germes-Dohmen, Vorsitzende des Vereins, erinnerte in ihren Begrüßungsworten noch einmal an die geradezu bizarre Situation, dass der Martinszug, ein Zeichen für christliche Nächstenliebe, am Abend des 10. November 1938 an der noch rauchenden Synagoge, an zertrümmerten Läden und Wohnungen entlangführte, ein „unvereinbarer Kontrast“, wie sie es ausdrückte. Sie erinnerte an die aktuellen Krisen, an den Ukraine-Krieg und vielschichtige Formen der Diskriminierung von Menschen. „Unser Gedenken muss in die Gegenwart hineinwirken“, so ihr Appell.

Dem Kempener Geschichts- und Museumsverein gelingt es, Jahr um Jahr wechselnde Redner zu finden, die verschiedene Facetten des Novembergeschehens beleuchten. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, zumal die Zeitzeugen schwinden. In diesem Jahr sprach Barbara Kirschbaum, bis 2020 Leiterin der Museums- und Gedenkstättenpädagogik am NS-Dokumentationszentrum in Köln. Sie berichtete, welche Gedanken sich Kinder über den Holocaust machen. Die Kinder würden – unbemerkt von den Erwachsenen – über die Medien viel aufnehmen. „Es hat mich immer wieder überrascht, wieviel die Kinder wussten“, erklärt sie. „Sie versuchen, die Dinge, die sie aufschnappen, in ihr Weltbild einzupassen und haben viele Fragen.“ Fragen, die in der von der vom Dokumentationszentrum angebotenen Kindersprechstunde an sie herangetragen wurden, und die einander sehr ähnelten. Etwa: „Warum konnten so viele Menschen zu Adolf Hitler halten? Jesus war doch auch Jude, wie konnten Christen da mitmachen? Warum die Juden und nicht andere?“ Fragen, die auch in die Gegenwart hineinwirkten, wie die Rednerin befand. Gerührt hat sie der Vorschlag eines Mädchens zu den Novemberereignissen: „Ich hätte den Juden beim Aufräumen geholfen.“ Der Gedanke des großen Widerstands schrecke vielleicht zunächst ab. „Ich wünsche mir, dass uns diese kleinen Dinge einfallen, wenn Solidarität von uns gefordert ist“, befand Barbara Kirschbaum.

Zum Abschluss sangen alle leise das jüdische Friedenslied „Hevenu Shalom Alehem“, umspielt von den Klarinettenklängen von Herbert Holtemeyer, der seit vielen Jahren die Veranstaltung musikalisch einrahmt – ein sehr passender Abschluss.

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