Kempen/Tönisvorst Fall Alimadad: Rasierklingen-Diebstahl und Beleidigung

Die beiden für die Abschiebung des Afghanen relevanten Strafbefehle umfassen 65 Tagessätze.

Kempen/Tönisvorst: Fall Alimadad: Rasierklingen-Diebstahl und Beleidigung
Foto: Friedhelm Reimann

Kempen/Tönisvorst. Juristisch ist der Fall des nach Afghanistan abgeschobenen Alimadad N. für die Behörden erledigt. Unklar war in der Öffentlichkeit aber immer noch, was sich der 20-Jährige hat zu Schulden kommen lassen, um keine sogenannte Ausbildungsduldung zu bekommen. Bislang lag nur die Auskunft der Ausländerbehörde des Kreises Viersen vor, dass gegen N. zwei Strafbefehle mit zusammen mehr als 50 Tagessätzen erlassen worden sind (die WZ berichtete mehrfach). Ab einem Wert von 50 Tagessätzen sei eine Behörde dazu verpflichtet, keine Duldung zu veranlassen und Flüchtlinge mit einem abgelehnten Asylantrag abzuschieben. So wie im Fall von N, der in Tönisvorst gelebt und die Kempener Berufsschule besucht hat, geschehen.

Das Kempener Amtsgericht konnte nach einer ersten WZ-Anfrage am Donnerstag kein Licht ins Dunkel bringen. Die vom Kreis Viersen erwähnten Strafbefehle seien nicht vom Kempener Amtsgericht ausgesprochen worden, hatte Direktor Tim Buschfort am Donnerstag gegenüber der WZ erklärt.

Am Freitag stieß Buschfort dann doch auf die Strafbefehle. Und zwar aus dem Grund, weil der abgeschobene Afghane in den Akten mit unterschiedlichen Schreibweisen auftaucht. „Ich kann nun also bestätigen, dass gegen Herrn N. zwei Strafbefehle vorliegen“, so Buschfort. Der Gerichtsdirektor bestätigte auch, dass es sich in einem Fall um den Diebstahl von Rasierklingen in einem Drogeriemarkt handelt. Dafür war Alimadad N. im November 2015 mit 40 Tagessätzen à fünf Euro bestraft worden.

Beim zweiten für die Ausländerbehörde relevanten Vergehen handelt es sich um eine Beleidigung. Dafür erhielt der Afghane eine Strafe von 25 Tagessätzen — der Strafbefehl stammt aus dem Juni 2016.

Der Flüchtling hat seit 2014 in Deutschland gelebt — zuletzt in Tönisvorst. Er hat die Kempener Berufsschule besucht und einen Orientierungskurs der Kreishandwerkerschaft absolviert. Schüler und Lehrer des Berufskollegs, das sich in Trägerschaft des Kreises Viersen befindet, bezeichneten Alimadad als Schüler, der sich integriert. Einen großen Unterstützter hatte und hat der 20-Jährige im Kempener Michael Stoffels vom Flüchtlingsrat NRW. Im Rahmen einer Demonstration gegen Massenabschiebungen auf dem Buttermarkt kurz vor Weihnachten ging es auch um das Schicksal des damals gerade nach Afghanistan abgeschobenen Mannes.

Der Asylantrag von Alimadad N. war vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Mitte Mai vergangenen Jahres abgelehnt worden. Die Entscheidung war spätestens seit dem 21. Juni 2016 „bestandskräftig“, wie es in dem Schreiben von Landrat Andreas Coenen (CDU) an die Grünen im Kreis Viersen heißt. Diese hatten eine Anfrage zum Ablauf des Verfahrens gestellt. Einen weiteren Aufschub der Abschiebung konnte der Kreis Viersen nach eigenen Angaben nicht verantworten, weil die erwähnten Strafbefehle mit insgesamt 65 Tagessätzen gegen Alimadad N. vorlagen. Daher wurde die Abschiebung am 12. Dezember vorgenommen. Alimadad N. wurde nach Angaben des Kreises Viersen im Tönisvorster Sozialamt verhaftet.

Laut Michael Stoffels befindet sich N. derzeit mit anderen abgeschobenen Männern in einer Unterkunft der afghanischen Hauptstadt Kabul. Er habe dort keine Verwandten und wisse nichts über den Aufenthaltsort seiner Eltern. Stoffels will weiter Kontakt halten und sich für Alimadad N. einsetzen.

Ein weiteres Vergehen von N. hatte nach Angaben des Kreises Viersen keine Auswirkung auf das Abschiebeverfahren. Wie gestern berichtet, wurde Alimadad am 31. August zu einer Jugendstrafe von zwei Wochen Dauerarrest verurteilt — wegen eines Handyraubes, für den er gemeinsam mit einem anderen Mann für schuldig befunden worden ist. In der Berufungsverhandlung am 19. Dezember bestätigte das Krefelder Landgericht das Urteil des Kempener Amtsgerichts. Zu diesem Zeitpunkt war Alimadad bereits in Abschiebehaft beziehungsweise in Afghanistan und konnte somit nicht an der Berufungsverhandlung teilnehmen.

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