Kempen : Fachfrau für besondere Menschen
Jennifer Kunze ist Pädagogin und betreut Autisten. In Kempen gibt es eine Therapie-Ambulanz.
Kempen. Raymond Babbitt im mehrfach Oscar-prämierten Film „Rain Man“ oder Dr. Sheldon Cooper in der Erfolgsserie „The Big Bang Theory“ — das sind Darstellungen von Autisten, die wohl vielen bekannt sind. Jennifer Kunze überträgt diese „zugespitzten Figuren“ allerdings ungern in die Realität. „Die Figur Ray aus ,Rain Man’ vereinigt viele Facetten des Autismus — das ist eher untypisch dafür“, sagt die Diplom-Pädagogin, die in Kempen Autisten betreut und therapiert. „Bei uns sagt man eher: Wenn du einen Autisten kennst, kennst du einen Autisten.“ Heißt: Diese neurobiologische Entwicklungsstörung tritt in vielen unterschiedlichen Ausprägungen auf. Jeder Autist für sich ist ein besonderer Autist.
An der Vorster Straße in Kempen hat die Autismus-Therapie-Ambulanz Niederrhein ihren Sitz. In der Region von Kleve bis Mönchengladbach betreuen 42 Mitarbeiter knapp 400 Klienten, die unter der Beeinträchtigung leiden. „Wir arbeiten hier vor Ort mit den Klienten, sind aber auch mobil unterwegs“, sagt Kunze. Das Team bestehe aus Sozial- und Diplom-Pädagogen, Psychologen sowie Musik- und Kunstpädagogen.
Auf unterschiedlichen Wegen begegnet die Ambulanz also den Menschen mit der Entwicklungsstörung. „Autismus ist keine Krankheit. Es ist wichtig, dass man das betont“, so Kunze. „Autismus ist genetisch bedingt.“ Unter der Störung können sowohl Kinder als auch Erwachsene leiden. „Die Symptome sind so facettenreich. Es ist daher schwierig, Autismus zu diagnostizieren“, sagt die 32-Jährige.
Kinder, die Autisten sind, können zum Beispiel sehr „in sich gekehrt sein“. Sie spielen lieber alleine als mit anderen Kindern. Und bei Spielzeug nehmen sie möglicherweise das Besondere in den Fokus: „Statt ein Auto über den Teppich fahren zu lassen, drehen sie vielleicht lieber an den Rädern“, ergänzt Jennifer Kunze. Ein anderes Beispiel zur Wahrnehmung von Autisten ist ein Wald. „Während wir einen Wald sehen, sehen Autisten möglicherweise 100 Rotbuchen und 50 Tannen.“
Autisten sind besondere Menschen. Und dabei muss die Entwicklungsstörung im Alltag nicht immer störend sein. „Es gibt Autisten, die prima zurecht kommen. Die vielleicht gar nicht durch ihr Verhalten auffallen“, so die Pädagogin. Einige ihrer Klienten gehen einem normalen Beruf nach. „Es gibt auch Schüler, die an einer Regelschule ihr Abitur machen — sozusagen inkognito.“ Mit Unterstützung einer Therapie würden sich Autisten im Alltag zurecht finden. „Je nach Ausprägung der Probleme muss auch die Therapie sein.“