Europawahl im Kreis Viersen Verluste für die CDU, Desaster für die SPD – der Kreis Viersen wird grüner

Kreis Viersen · Wie im Bund sind die Grünen auch im Kreis Viersen der große Gewinner der Europawahl. Die FDP gewinnt wieder dazu, ist aber nicht „total happy“. Die AfD kommt nicht über das Ergebnis der Bundestagswahl hinaus – darüber herrscht Erleichterung.

 CDU-Kandidat Stefan Berger musste den Wahlabend über zittern, ob er ins Parlament kommt.

CDU-Kandidat Stefan Berger musste den Wahlabend über zittern, ob er ins Parlament kommt.

Foto: CDU

Ein dramatischer Absturz für die SPD, große Verluste bei der CDU und strahlende Sieger in den Reihen der Grünen. Das Ergebnis der Europawahl im Kreis Viersen spiegelt die Stimmungslage im Bund wider. Die nackten Zahlen: CDU 32,8 Prozent (Europawahl 2014: 43,1); SPD 16,0 (27,7); Grüne 23,6 (9,6); Linke 3,4 (3,7); AfD 7,0 (5,2); FDP 7,9 (5,0). Die Wahlbeteiligung lag bei 61,7 Prozent (2014: 52,6).

„Das ist ein Ergebnis, das mich natürlich sehr erfreut“, sagte Jürgen Heinen, Kreisvorsitzender der Grünen zum Plus von rund 14 Prozent. Heinen macht seit 35 Jahren Kommunalpolitik für die Grünen und stellt nun fest, „dass grüne Themen und vor allem der Klimaschutz in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind“. Auch im Kreis Viersen hätten die Grünen Stimmen aus dem konservativen Lager gewinnen können. „Das ist ein schöner Abend“, so Heinen.

Mit dem Resultat der Wahl von Sonntag verbindet der Grünen-Chef aber auch große Aufgaben für die Partei. „Wenn ich das weiter denke – in Richtung Kommunalwahlen – müssen wir sehen, dass wir in den Reihen unserer Mitglieder deutlich mehr Aktive gewinnen“, so Heinen. Denn steigende Ergebnisse bedeuteten auch eine größere Anzahl von Mandaten in den einzelnen Räten. „Das ist eine große Verantwortung, die wir gerne annehmen.“

„Das ist ein Ergebnis, das mich nicht zufrieden stimmt“, sagte CDU-Kreisvorsitzender Marcus Optendrenk mit Blick auf das Minus von mehr als zehn Prozent für die Christdemokraten. Der Bundestrend sei somit auch im Kreis Viersen spürbar, so Optendrenk. Nun müsse man sehen, wie langfristig ein solches Ergebnis ist. Der Landtagsabgeordnete geht davon aus, dass sich Ergebnisse auch in Zukunft schneller verändern werden.

Berger: Unsicherheit, ob Listenplatz sechs reicht

Bei aller Enttäuschung über das CDU-Ergebnis war Optendrenk aber auch erleichtert darüber, dass die Mehrheit „ganz klar pro-europäisch gewählt hat“. „Die Befürchtung eines Erstarkens der Extremen hat sich nicht bestätigt. Dass mehr Leute zur Wahl gegangen sind und die europäische Idee gestärkt haben, freut mich als Demokrat“, so Optendrenk.

Der einzige Politiker aus dem Kreis Viersen mit aussichtsreichen Chancen auf ein Mandat im EU-Parlament war Stefan Berger (CDU). Der Schwalmtaler ging auf Platz sechs der Landesliste seiner Partei ins Rennen. Und ob des schlechten CDU-Ergebnisses in NRW musste Berger lange zittern, ob dieser Listenplatz reichen wird. Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand noch nicht fest, ob Berger Europaabgeordneter wird.

Udo Schiefner, Kreisvorsitzender der SPD, erlebte einen düsteren Wahlabend. „Das ist ein Desaster für die Sozialdemokratie. Da braucht man auch kein Läppchen drum zu binden“, so der Kempener Bundestagsabgeordnete. „Uns ist nicht gelungen, dass wir uns beim Kernthema, der sozialen Gerechtigkeit, in den Köpfen der Wähler verankern“, ging Schiefner gleich in die Analyse. Im Vergleich zur SPD sei dies den Grünen mit dem Klimaschutz gelungen. „Besorgniserregend finde ich, dass wir bei jungen Wählern nur noch auf zehn Prozent kommen“, so Schiefner.

In den nächsten Tagen müsse die SPD in eine „ehrliche und grundlegende“ Analyse eintreten. Man müsse sich intensive Gedanken machen. Von zügigen personellen Konsequenzen auf Bundesebene ist Schiefner aber nach eigenen Angaben weit entfernt: „Von irgendwelchen Schnellschüssen halte ich nichts.“

Zufrieden, aber keineswegs „total happy“ war Irene Wistuba am Sonntagabend. Die Fraktionsvorsitzende der FDP im Kreistag und im Kempener Stadtrat hatte für die Liberalen ein besseres Ergebnis erwartet: „Wir haben im Kreis Viersen so viele junge Mitglieder für die FDP gewinnen können. Da hätte ich mir mehr erwartet.“ Mit Blick auf diese Zielgruppe ging sie auch auf das Ergebnis der Grünen ein: „Der Trend rund um ,Fridays for Future’ hat den Grünen in die Karten gespielt.“ Dennoch sei sie froh, dass sich die FDP vom schlechten Ergebnis 2014 erholt hat und man im Kreis Viersen wieder über dem Bundestrend liegt. „Und es freut mich, dass die Rechtspopulisten nicht stärker geworden sind“, sagte die Liberale.

„Grundsätzlich zufrieden“ zeigte sich Kay Gottschalk, Sprecher der AfD im Kreis Viersen mit dem Ergebnis. Das Ergebnis der EU-Wahl von 2014 zu steigern und das der Bundestagswahl 2017 zu halten, sei ein gutes Ergebnis, so der Bundestagsabgeordnete. „Ich habe hier auf unserer Wahlveranstaltung zwar auch etwas betrübte Gesichter gesehen“, gab Gottschalk die Stimmung des Abends in Lobberich wieder. Dafür gebe es aber keinen Anlass, auch wenn sich der eine oder andere etwas mehr ausgerechnet hätte. „Langfristig wäre es schön, wenn wir im Kreis Viersen über die Zehn-Prozent-Marke kommen“, so Gottschalk.

Im Kreis Viersen komme Die Linke bei Europawahlen „nicht so richtig aus dem Quark“, kommentierte Kreisschatzmeister Günter Solecki das Wahlergebnis. „Wir bleiben eine 3,5-Prozentpartei.“ Vor Jahren habe man sich mal das Ziel gesetzt, dauerhaft im Zehn-Prozent-Bereich zu liegen. „Davon sind wir weit entfernt. Das müssen wir uns ganz klar eingestehen“, sagte der St. Huberter. Die dürftigen Ergebnisse für die Linken verbindet Solecki mit einem niedrigen Organisationsgrad der Partei im Kreis Viersen. „Wir sind nicht in allen Städten und Gemeinden präsent.“ Während es in Viersen, Kempen und Niederkrüchten funktioniere, gebe es zum Beispiel in Grefrath, Willich und Tönisvorst Probleme.

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