Die Filmrolle hat ausgedient

Die Kempener Lichtspiele sind digitalisiert. Was für einige den Verlust der Kinoromantik bedeutet, hat auch große Vorteile.

Die Filmrolle hat ausgedient
Foto: Kurt Lübke

Kempen. Imad Assaf steht in einer dunklen Kammer vor einem Computer-Monitor. Assaf ist Filmvorführer und liebt es, dass er mit einem Klick das große Hollywood auf die Leinwand werfen kann.

Die Filmrolle hat ausgedient
Foto: Archiv

Dass er mit einem Klick die Menschen, die im Saal wenige Meter von ihm entfernt sitzen, zum Lachen und Weinen bringen kann. Doch manchmal schaut er auch wehmütig nach links. Denn noch vor kurzem war sein Beruf ein völlig anderer.

Links von dem Monitor, mit dem Assaf heute das ganze Kino steuert, steht eine FP 30 wie ein Relikt aus längst vergessener Zeit. Doch was sich viele Kinobesucher in Zeiten von Beamer, DVD und Blu-Ray-Player kaum noch vorstellen können: Noch bis vor etwa zwei Jahren hat jeder Filmvorführer in Deutschland kilometerlange Filme in klassische Projektoren wie die FP 30 eingelegt.

Bis zur Digitalisierung der Kinos, die unter anderem James Camerons „Avatar“ mit seiner 3-D-Technik sehr vorangetrieben hat, wurden auch in Kempen die Filme noch donnerstagsmorgens in großen Kisten angeliefert. Je nach Länge des Films in fünf bis zehn Akte unterteilt. Assaf war damals dafür zuständig, die einzelnen Akte mit einer Art speziellem Tesafilm zusammen zu kleben.

„Die auf- und später wieder abzubauen hat ja auch nicht immer Spaß gemacht“, sagt er rückblickend. Trotzdem: Auch für ihn hat das Kino etwas von seinem Reiz, von seiner Geschichte verloren. Das Einlegen des Films über unzählige kleine Rollen, das Rattern des Projektors oder die Laufstreifen genannten, weißen oder grünen, vertikalen Striche, die bei älteren Filmkopien auf der Leinwand zu sehen sind. „Der letzte Film, den ich hier im 35-Millimeter-Format vorgeführt habe, war ,The King’s Speech’, das werde ich nie vergessen“, sagt Assaf.

„Die Liebe zum Material ist einfach nicht das Gleiche“, wenn die Filme auf Festplatte angeliefert werden und auf den Server aufgespielt werden.

Außerdem fühlt sich Assaf, der seit 1997 als Filmvorführer arbeitet und seit acht Jahren auch Theaterleiter der Lichtspiele ist, manchmal ungewohnt machtlos: „Die FP 30 habe ich immer zum Laufen gebracht. Einmal habe ich sogar ein kaputtes Teil bis zum Filmende mit einem Kabelbinder geflickt — das ist vorbei.“ Denn wenn die digitalen Projektoren ihren Dienst etwa wegen eines Software-Fehlers verweigern, hilft nur der Anruf beim Hersteller.

Sein Chef, Kinobesitzer Frank Janssen, sieht den technischen Fortschritt unromantisch: „Ich habe vor fünf oder sechs Jahren auch nicht gedacht, dass es so schnell geht. Aber die digitale Technik hat große Vorteile.“ Laufstreifen gehören zum Beispiel der Vergangenheit an. Die deutsche Komödie „Fack Ju Göthe“ läuft seit acht Wochen bei den Kempener Lichtspielen — in der selben Qualität wie am ersten Tag. „Früher wäre die Kopie nach so langer Zeit kaputt gewesen“, sagt Janssen.

Auch Events wie die Übertragung von Fußballspielen während Weltmeisterschaft wurden erst durch die digitale Technik praktikabel. Janssen: „Und außerdem entsteht die Romantik durch den Film auf der Leinwand und nicht im Vorführraum.“

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