Kempen De Beukelaer verlässt Kempen

Kempen · Am Freitag verkündete das Unternehmen, den Standort mit 270 Mitarbeitern zu schließen. Die Prinzenrolle soll dann in Kahla gebacken werden.

Das Wort „Inklusion“ sorgt wieder für Diskussionen in der Schullandschaft. Foto: Jonas Güttler/dpa

Das Wort „Inklusion“ sorgt wieder für Diskussionen in der Schullandschaft. Foto: Jonas Güttler/dpa

Foto: dpa/Jonas Güttler

. Um 14.33 Uhr hat die WZ-Redaktion eine E-Mail des Unternehmens Griesson-de Beukelaer (GdB) erreicht, das bisher wie kein zweites mit Kempen verbunden war. Der Inhalt ist wie ein Paukenschlag: „Produktion und Arbeitsplätze werden von Kempen schrittweise nach Kahla in Thüringen verlagert“. Der Doppelkeks, die Prinzenrolle, die zu St. Martin noch in jeder Bloese war, soll künftig in Kahla, dem mittlerweile größten Produktionsstandort des Familienunternehmens, gebacken werden. Ein herber Schlag ist der angekündigte Komplett-Abzug für Kempen. 2017 erwirtschafte Griesson-de Beukelaer laut eigenen Angaben insgesamt mit 2100 Beschäftigten einen Umsatz in Höhe von 501 Millionen Euro.

Der hiesige Standort
ist nicht mehr wirtschaftlich

Die Betriebsräte und die 270 betroffenen Mitarbeiter in Kempen sind am Freitag um 13 Uhr informiert worden. Ob ihnen die Aussage des GdB-Gesellschafters Andreas Land ein Trost war? Er wird in der Mitteilung zitiert: „Wir wissen, dass dieser Schritt eine Zäsur für Kempen bedeutet. Allen Mitarbeitern am Standort Kempen werden wir die Möglichkeit bieten, zu gleichen wirtschaftlichen Konditionen in Kahla und an anderen Standorten weiter beschäftigt zu werden. Wir wollen zusammen mit der Arbeitnehmervertretung einen fairen Sozialplan sowie ein Freiwilligenprogramm für diejenigen Mitarbeiter erarbeiten, die die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht nutzen können oder wollen.“

Als Grund für die komplette Verlagerung, die bis Ende 2020 abgeschlossen sein soll, nennt Firmensprecher Peter Gries auf WZ Anfrage „notwendige Investitionen in neue, flexible und effizientere Produktionslinien sowie in weitere Logistikkapazitäten.“ In Kempen sei eine Modernisierung im großen Umfang, wie es nötig sei, aufgrund der baulichen und technischen Einschränkungen nicht „wirtschaftlich realisierbar, zumal der Platz für zusätzliche benötigte Palettenstellplätze fehlt.“ Aus diesem Grund habe sich GdB zu dieser weitreichenden Maßnahme entschieden.

Kahla soll zu modernsten Keksfabriken Europas zählen

Die in Kempen wegfallenden Produktionskapazitäten sollen in Kahla, dem Soft Cake-Produktions-Standort, neu geschaffen werden. Neu ist das Terrain für das Unternehmen nicht. Vor 25 Jahren startete de Beukelaer dort mit der Produktion von Gebäck für den deutschen und europäischen Markt. In der Pressemitteilung wird betont, dass Kahla „mittlerweile zu den modernsten Keksfabriken Europas“ zählt und „über ausreichende Erweiterungsmöglichkeiten verfügt“.

Mittlerweile beschäftigt GdB in Kahla 435 Mitarbeiter. De Beukelaer rechnet damit, dass ab Herbst 2019 sukzessiv die Produktion nach Kahla verlagert werden kann. Bis Ende 2020 soll die Verlegung aus dem Werk Kempen vollständig abgeschlossen sein. Ein Verbleib des Fabrikverkaufs in Kempen wird derzeit geprüft.

Zunächst jedoch, so Gries, müsse man sich um die 270 Mitarbeiter kümmern, die nun vor der Entscheidung stünden, ob sie an einem der beiden verbleibenden Standorte in Kahla oder in Polch für das Unternehmen weiter arbeiten möchten. Gries: „Die Zusage gilt für alle Mitarbeiter.“ Diese seien im Schnitt um die 40 Jahre alt. Nun müsse an einem „fairen Sozialplan und der Freiwilligenentscheidung“ gerarbeitet werden. Weshalb Gries auch noch keine Aussage über die Sponsorentätigkeit machen wollte. Bekanntlich unterstützt der Keks­produzent unter anderem den Altstadtlauf und Kempen Klassik.

Die Immobilie an der Arnoldstraße gehört dem Unternehmen. Nach dessen Rückzug wird sie leerstehen – sollte der Lagerverkauf nicht dort bleiben. Pläne für Gebäude und umliegende Flächen hat das Unternehmen laut Gries noch nicht.

Vor drei Jahren feierte das Unternehmen den 60. Geburtstag seines Kempener Standortes: 1955 baute Edouard De Beukelaer II., Sohn des Firmengründers, in Kempen die Flämische Keksfabrik E. de Beukelaer. Das Werk hatte 2015 die größte Kapazität des Unternehmens. Jedes Jahr wurden dort mehr als 35 Millionen Packungen des Klassikers hergestellt. Alle hintereinander aufgereiht würden von der Arnoldstraße bis nach Rio de Janeiro reichen, war vor drei Jahren ausgerechnet worden.

Bürgermeister Rübo
ist „absolut überrascht“

In Kempen ist zumindest der Doppelkeks bis auf den Buttermarkt gerollt, wie dort das Martins-Denkmal anschaulich zeigt. Und im Rathaus am Buttermarkt wurde Bürgermeister Volker Rübo ebenfalls am Freitag überrascht: „Mich hat um 13.45 Uhr Herr Land informiert“, sagte er auf WZ-Anfrage. Er sei von der Entscheidung der Firma „absolut überrascht“ gewesen. Seine Sorge und sein Mitgefühl seien nun bei den Mitarbeitern, die vor einer schwierigen Situation stünden. Der GdB-Geschäftsführer habe ihm aber gesagt, das bereits einige Mitarbeiter signalisiert hätten, an einen anderen Standort zu wechseln.

Rübo betonte im Gespräch das große, vor allem auch finanzielle Engagement von de Beukelaer in Kempen und die enge Verbundenheit mit dem Produkt: „Wenn ich im Ausland unterwegs bin und sage, dass ich aus der Stadt komme, aus der die Prinzenrolle kommt, wissen die Menschen sofort, was ich meine.“

Sollte das Unternehmen 2020 weggezogen sein, so wird dies auch Einfluss auf die Gewerbesteuer-Einnahmen haben. Laut Rübo komme es jedoch zu keinem „Aderlass“, da es bedeutend größere Einnahmen von anderen Unternehmen gebe. Und auch bei der Frage einer leerstehenden Immobilie ist er gelassen: „Die Fäche liegt so nahe an einer Wohnbebauung, da gibt es viele Möglichkeiten.“

Auch Armin Horst, Vorsitzender des Werberings Kempen, denkt an die Mitarbeiter: „270 Arbeitsplätze – das betrifft hochgerechnet mindestens 1000 Menschen und ihre Kaufkraft. Vielleicht hängen auch Zulieferbetriebe noch daran. Ich denke persönlich an die Familien, die das nun ausgerechnet auch in der Vorweihnachtszeit erfahren. Ich kann mir vorstellen, dass einige Beschäftigte nun wegen des Arbeitsplatzwechsels auch von Kempen wegziehen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort