Tipp der Woche Das Weberhaus bietet eine Zeitreise an den historischen Niederrhein

St. Hubert. · In dem restaurierten Haus aus dem Jahr 1858 zeigt der Heimatverein St. Hubert unter anderem, wo in längst vergangener Zeit die Notdurft verrichtet wurde.

 Die Zimmer sind historisch detailgetreu eingerichtet.

Die Zimmer sind historisch detailgetreu eingerichtet.

Foto: Emily Senf

Schon von außen ist es schick: Die Fassade aus alten Klinkersteinen mit grauem Sockel, den unterteilten Fenstern und den grünen Fensterläden fällt ins Auge. Aber auch von innen ist es ein ganz besonderes Haus, das an der Königsstraße 48 in St. Hubert steht. Wer durch die Tür des aus dem Jahr 1858 stammenden Weberhauses tritt, fühlt sich in der Zeit zurückversetzt. Es sieht so aus, als ob die Bewohner nur gerade einmal kurz das Haus verlassen haben.

Auf dem großen Webstuhl ist gewebtes Tuch zu sehen. Auf dem alten hölzernen Zuschneidetisch liegen die Utensilien eines Schneiders, und es scheint, als wäre das Spinnrad mit dem Wollvlies noch Sekunden vorher in Bewegung gewesen. Daneben befinden sich die Gerätschaften für die Flachsbearbeitung. „Hier können unsere Besucher erleben, wie einst am Niederrhein gearbeitet wurde“, sagt Hans-Josef Güldenbog, Vorsitzender des Heimatvereins St. Hubert 1964.

 Arbeiten wie anno dazumal: Die Webstühle gaben dem Haus seinen Namen.

Arbeiten wie anno dazumal: Die Webstühle gaben dem Haus seinen Namen.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Dem Verein ist es zu verdanken, dass Besucher im Weberhaus Geschichte quasi durchwandern können. Er kaufte das nahezu abbruchreife Haus 2001, restaurierte es liebevoll und verwandelte es in ein Heimatmuseum.

 Die Zimmer sind

Die Zimmer sind

Foto: Emily Senf

Dazu gab es glücklicherweise so manche Schenkung, dank derer die Zimmer wieder historisch akkurat eingerichtet werden konnten. Die Knippenstuev, eine Stube mit gewaltigen Holzmöbeln und besonderen Stücken wie einer Bibel aus dem Jahr 1575 und Totenbrettern, ist so eine Schenkung. Wer sich unter einem Plumpsklo nichts vorstellen kann, kann sich eine solch Einrichtung einmal in aller Ruhe im Weberhaus anschauen. „Es ist noch voll funktionsfähig, wird aber nicht mehr benutzt“, sagt Güldenbog und lächelt. Für die Besucher wurde eine Toilette eingebaut, die es in all den Jahren, als sich das Haus noch in Privatbesitz befand, nicht gab. So manches Ausstellungsstück gibt Rätsel auf. Von einem Bierwärmer haben die Wenigsten einmal etwas gehört. „Es kam heißes Wasser rein, und die Gerätschaft wurde in das frisch gezapfte Bier gehangen. So wurde es magenfreundlich angewärmt“, erklärt Güldenbog, der die merkwürdig anzusehende Gerätschaft einmal vom Bord über dem alten Küchenherd heruntergenommen hat. Auch mit einem Knürchen kann kaum noch jemand etwas anfangen. Einmal die Kellersch Kaamer kennenlernen und erfahren, was es damit auf sich hat, die Additionsmaschine mit der Kurbel im Büro in der ersten Etage des Weberhauses in Augenschein nehmen oder über die Strohpüppchen unter den Dachpfannen staunen – zu entdecken gibt es reichlich. Dass man früher schon pfiffig dachte, zeigen unter anderem die dreiarmige Bettschere, mit der verhindert wurde, dass jemand aus dem Bett herausfiel und die neu dazugekommene, mehr als 100 Jahre alte Nachtkonsole, die einen Toilettenstuhl in sich verbirgt. Im Weberhaus ist Geschichte erlebbar, denn der Besucher wandert mittendurch. Dazu gibt es noch etwas ganz Besonderes für Menschen, die heiraten möchten: Dank einer Kooperation des Heimatvereins mit der Stadt Kempen sind standesamtliche Trauungen in der gemütlichen Wohnküche
möglich.

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