Bauprojekt Das neue Archiv des Kreises Viersen wird nachhaltig – und deutlich teurer

Kempen/Kreis Viersen · Am Donnerstag legte Landrat Coenen konkrete Zahlen vor. Der energiesparende Neubau in Dülken kostet 14,7 Millionen Euro. Die erste Schätzung aus 2016 lag bei 8,9 Millionen Euro. Der Kreistag muss den Anstieg nun bewerten.

 So soll der moderne Bau des Archivs am Ransberg in Dülken mal aussehen.

So soll der moderne Bau des Archivs am Ransberg in Dülken mal aussehen.

Foto: Bruno Wesch

Wer langfristig Energie einsparen und Ressourcen schonen will, muss zunächst einmal investieren. Oder anders: Klimaschutz kostet Geld. Viel Geld. Das bekommen nun Verwaltung und Politik im Kreis Viersen zu spüren. Im Rahmen der Einbringung des Haushaltes 2020 in den Kreistag informierte Landrat Andreas Coenen (CDU) am Donnerstagabend erstmals über eine belastbare Kostenkalkulation zum Neubau des Kreisarchivs, das im Rahmen sogenannter zirkulärer Wertschöpfung gebaut werden soll. Die Zahlen der Kalkulation dürften so manchem Politiker Sorgen bereiten. Denn statt der 2016 geschätzten 8,9 Millionen Euro wird das Großprojekt 14,7 Millionen Euro kosten.

Auch der Landrat sorgt sich. Und zwar darum, dass dieses „gute und wichtige Projekt“ nun ob der Zahlen „zerredet“ werden könnte. Coenen ist sich bewusst, dass der Kostenanstieg bei niemandem Begeisterung auslösen wird. Aus Sicht des Verwaltungschefs kann man die Zahlen aber plausibel erklären. „Bei den 8,9 Millionen Euro aus 2016 reden wir über eine Schätzung, die wir zur Durchführung des Architektenwettbewerbs machen mussten“, so Coenen. Schon zum Zeitpunkt der Schätzung, die auf dem regulären Baukostenindex basiert, sei immer klar gewesen, dass eine Abweichung um 20 Prozent nach oben möglich ist. Eine belastbare Kalkulation könne zudem erst dann gemacht werden, wenn alle Aspekte eines Projektes berücksichtigt werden konnten. „Und in dieser Phase sind wir erst jetzt“, sagt Bruno Wesch, Leiter des Kreis-Gebäudemanagements, wenige Tage nach dem Spatenstich (die WZ berichtete).

Für den Sprung auf 14,7 Millionen Euro gibt es mehrere Gründe. Zunächst sei in der Planung deutlich geworden, dass mehr Fläche benötigt wird. Dort gebe es einen Anstieg um sieben Prozent an Fläche, was einer Summe von rund 620 000 Euro entspreche. Für jeden privaten Bauherrn einleuchtend dürfte der zweite Grund sein: Denn auch bei den Baukosten wird es im Vergleich zu 2016 teurer. Hier liegt der Anstieg bei 11,7 Prozent, was 1,1 Millionen Euro ausmache.

Nachhaltige Methoden sind
der größte Kostenfaktor

Der größte Kostenfaktor ist aber die bewusste Entscheidung des Kreises Viersen, auf eine energiesparende und ressourcenschonende Bauweise zu setzen. In der Berechnung hat sich im Vergleich zur Schätzung von 2016 ein Anstieg von rund 4,1 Millionen Euro ergeben. „Wir lernen erst im Projekt“, sagt Wesch. Denn ein vergleichbares kommunales Objekt gebe es bundesweit nicht. Daher habe es in der jüngsten Planungsphase immer wieder Änderungen und somit auch Kostenanstiege gegeben. Zudem gebe es für diese Art und Weise des Bauens gar keinen Baukostenindex zur Schätzung bzw. Vorberechnung.

Der Kreis Viersen setze mit dem Archiv-Neubau einen „Leuchtturm“ in nachhaltiger Bauweise, so Coenen. „Hier entsteht landesweit das erste Gebäude, das konsequent die Prinzipien der zirkulären Wertschöpfung umsetzt. Wir wollen mit diesem Gebäude zeigen, dass das funktioniert und dass nachhaltiges Bauen wirtschaftlich ist“, hatte der Landrat schon am Montag beim Spatenstich gesagt. Diese Nachhaltigkeit bedeutet, dass schon in der Bauweise nahezu alles anders sei als in der herkömmlichen Form. So werden laut Wesch Fertigbau-Module in einer Steckbauweise verwendet. Dadurch könne man auf Materialien wie Mörtel verzichten. Sollten in ferner Zukunft Veränderungen anstehen, werde kein „Abbruch produziert“. Auch das gehöre zum Prinzip der Nachhaltigkeit.

Ebenso innovativ sei die Energieversorgung des Archivs. Es werde keine fossilen Energieträger zur Wärme- oder Kältegewinnung geben. Einen Gasanschluss werde man im Neubau nicht finden. Sonnenkollektoren, Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpe und Eisspeicher sollen zur weitgehenden Selbstversorgung des Komplexes beitragen. Einen herkömmlichen Stromanschluss werde es dennoch geben. Auch unter dem Aspekt, dass Straßenverkehrsamt und Förderschule vom Archiv aus mitversorgt werden könnten. Wie berichtet, sollen diese beiden Objekte im Umfeld des Archivs am Ransberg in Dülken entstehen.

Coenen: Langfristige Einsparung macht das Projekt günstiger

Was auf den ersten Blick nun hohe Kosten produziert, soll langfristig zu deutlichen Einsparungen führen. Und so führte Landrat Coenen den Zahlen mit einem großen Plus gleich mehrere Zahlen mit einem dicken Minus zu. Mit Blick auf den Lebenszyklus des Gebäudes von 50 Jahren müsse man mehrere Komponenten in die Berechnung einbeziehen. Zum einen würden 1,2 Millionen Euro beim Thema „Restwert Gebäude/Einsparung Entsorgung“ gespart. Weitere 3,4 Millionen Euro bei der Energie und 2,3 Millionen Euro bei der Instandhaltung. Und dann führt Coenen in der Einspar-Tabelle auch das Thema CO2-Steuer auf: mit rund 140 000 Euro. Unterm Strich bedeuten die Einsparungen in den nächsten 50 Jahren für das Projekt eine Investitionssumme von 7,7 Millionen, so der Kreis Viersen. In dieser Rechnung läge man also unter den einst geschätzten 8,9 Millionen Euro.

Archiv sei wichtiger Baustein
der Klimastrategie des Kreises

Wie auch immer die Politik die Rechnung des Landrates auslegen wird, ist Coenen sich bewusst, dass nun dicke Bretter zu bohren sind. Denn die zusätzlichen Ausgaben muss der Kreistag nun über die Haushaltsverabschiedung genehmigen. „Wir haben hier die große Chance, im Kreis Viersen ein Modellprojekt entstehen zu lassen“, so Coenen. Daher werde er in den kommenden Wochen und Monaten dafür kämpfen, dass es auch so umgesetzt wird. „Ich gehe offen mit diesen Zahlen um und stehe auch dazu. Im Rahmen der Klimastrategie des Kreises Viersen ist das Archiv ein wichtiger Baustein.“ Alles könne plausibel erklärt werden. Es sei keinesfalls in den Planungen „geschlampt“ worden.

Stück Kempener Burg soll
im Neubau verewigt werden

Am Zeitplan für das Millionenprojekt soll sich indes nichts ändern. 2021 soll der Bau fertiggestellt sein. Dann will der Kreis das Archiv nach Dülken holen. Noch ist dieses in der Kempener Burg beheimatet. Über den Umzug in den nun beschlossenen Neubau am Ransberg hatte es lange und kontroverse Debatten gegeben. Nun wird die Burg spätestens drei Monate nach dem Auszug des Archivs in den Besitz der Stadt Kempen übergehen. Der Kaufpreis beträgt 205 000 Euro. Was die Stadt aus dem Denkmal macht, ist offen. Es gibt viele Ideen, aber noch keine Planungen. Im Fokus steht, dass das Standesamt und ein gastronomischer Betrieb eine Heimat in der Burg bekommen. Ebenso angedacht ist, dass die VHS des Kreises Viersen als „Ankermieter“ in Kempen bleibt.

Ganz ohne Burg geht es übrigens beim Neubau in Dülken nicht. In der Fassade ist eine kleine Fläche eingeplant, um dort Steine aus der Kempener Burg zu verewigen. „Das haben wir bereits mit Bürgermeister Volker Rübo abgeklärt“, sagt Bruno Wesch. Ein Stück Burg soll in einen Stahlrahmen eingefasst werden. Aus Sicht des Kreises Viersen die ideale Verbindung zwischen Historie und Moderne. Coenen: „Das passt zu einem Archiv.“

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