Comedy hinter Gittern

Der Kunst- und Literaturverein für Gefangene bringt Kultur auch in die JVA Anrath.

Comedy hinter Gittern
Foto: Kurt Lübke

Anrath. Für Fatih Cevikkollu ist Anrath kein fremder Ort. Der Comedian, vielen bekannt in der Rolle des Murat Günaydin in der TV-Serie „Alles Atze“, weiß zumindest, wo sich die Justizvollzugsanstalt in Anrath befindet. Dort war er kürzlich schon zum zweiten Mal anzutreffen. Cevikkollu ist einer der Künstler, der sich für den Kunst- und Literaturverein für Gefangene (KLVG) Zeit nimmt und ohne Honorar in Justizvollzugsanstalten spielt. Seit 2002 gibt es den Verein, der es Gefangenen und Forensik-Patienten ermöglicht, an Literatur und kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen.

Die Wurzeln des Vereins liegen in der Gefangeneninitiative aus Dortmund, die sich in den 90er Jahren gründete. Im Jahr 2002 ging daraus der Verein KLVG hervor. Gestartet wurde seinerzeit mit einer Buch- und Medienfernleihe für Gefangene und Patienten. Sie konnten über die in den Einrichtungen angesiedelten Büchereien hinaus ihr Lesematerial beim KLVG ordern.

Die damalige Geschäftsführerin Helga Römer brachte 2005 die Idee ein, das Ganze nicht nur auf die Literatur an sich zu beschränken, sondern auch die Kultur in die JVA und die Forensiken zu bringen. Sie suchte Mitstreiter, die sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren wollten und fand über die Dortmunder Ehrenamtsbörse Bernd Neumicke, der inzwischen seit sechs Jahren der Vorsitzende des KLVG ist. „Die erste von uns organisierte Veranstaltung fand im Juli 2009 in der Dortmunder JVA statt. Die Band Sintflut trat dort auf“, erinnert sich Neumicke. Die Auftaktveranstaltung war ein voller Erfolg. Ihr folgten im gleichen Jahr 24 weitere Veranstaltungen. 2010 gab es schon 50 Termine in NRW.

Über Veranstaltungsmagazine und Internet informiert sich Neumicke über die vor Ort agierenden Künstler, angefangen von lokal auftretenden Bands über Improvisations-Theater bis hin zu Comedy und Zauberei. Er recherchiert über Künstler und schreibt sie an.

„Am Anfang lief alles noch etwas zähflüssig, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Man kennt uns und viele Künstler treten sogar öfters für uns auf“, freut sich Neumicke über die gute Annahme von „Kultur hinter Mauern“ vom KLVG.

Mittlerweile ist der Verein nicht nur auf NRW beschränkt, sondern hat Kontakte zu Einrichtungen in zwölf weiteren Bundesländern. 110 bis 120 Veranstaltungen von Musik bis Comedy finden derzeit pro Jahr quer durch Deutschland statt. Wobei der Verein sich bemüht die Veranstaltungen vor Ort selber zu begleiten. Doch dafür fehlt es teilweise an ehrenamtlichen Helfern.

„Es ist ein Stück Normalität, das die Menschen in JVA und Forensiken dank uns und dem Einsatz der Künstler erleben“, sagt Neumicke, der die gesamte Organisation vom Ansprechen der Künstler und die Terminabsprachen mit der jeweiligen JVA bzw. Forensik regelt.

Die Einrichtungen selber sprechen den Verein teilweise direkt an und teilen ihr Interesse für eine Veranstaltung mit bzw. der Verein fragt, ob sie ein solches Angebot nutzen möchten. Die Künstler arbeiten ohne Honorar und erhalten nur eine Aufwandsentschädigung, die bei maximal 200 Euro liegt.

Neben der „Kultur hinter Mauern“ ist die Buch- und Medienfernleihe weiterhin gegeben. 25 000 Medien stehen zur Verfügung.

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