Burg-Projekt mit Konfliktpotenzial

Bei den Planungen für eine neue Nutzung des Kempener Denkmals hat sich Landrat Andreas Coenen nicht nur Freunde gemacht.

Burg-Projekt mit Konfliktpotenzial
Foto: Kurt Lübke

Kempen/Kreis Viersen. Andreas Coenen möchte etwas schaffen, was keiner seiner Vorgänger auf dem Stuhl des Landrates erreicht beziehungsweise überhaupt angepackt hat: Die Kempener Burg soll „öffentlich zugänglicher“ gemacht werden. Die Bürger sollen mehr von der Burg haben als ein Stadt- und Kreisarchiv und ein paar VHS-Veranstaltungen.

Schon seit vielen Jahrzehnten gibt es Träume in Kempen, was einmal aus der früheren kurkölnischen Festung werden soll: Wellness-Hotel, Spielcasino, Restaurant mit Biergarten oder Jugendherberge. Nach einer Machbarkeitsstudie will Landrat Coenen nun dem Ziel näher kommen. Mit den Ergebnissen der Studie will der Kreis ab Mitte des Jahres an mögliche Investoren herantreten. Denn eins ist klar: Aus öffentlichen Mitteln kann das Projekt nicht gestemmt werden. Weder der Kreis Viersen als Eigentümer noch die Stadt Kempen können sich leisten, das mehr als 600 Jahre alte Denkmal zu sanieren.

Analyse

Bereits seit Ende des vergangenen Jahres drückt der Landrat beim Projekt Burg aufs Gaspedal. Öffentlichkeitswirksam macht er deutlich, dass es nun an der Zeit sei, etwas umzusetzen. „Ich will verhindern, dass es zu weiteren Verzögerungen kommt“, begründete Andreas Coenen im Dezember im Gespräch mit der WZ, warum der Kreis Viersen nun die 46 000 Euro teure Machbarkeitsstudie aus eigener Tasche finanziert — und die Stadt Kempen damit außen vor ist.

Ein vielsagender Satz von Coenen, denn nicht nur Eingeweihte in Politik und Verwaltung wissen, dass das Verhältnis zwischen Bürgermeister Volker Rübo (CDU) und dem Landrat (CDU) schon mal besser war. Vor dem Sinneswandel in Sachen Machbarkeitsstudie war es zum Streit zwischen den Verwaltungsspitzen gekommen. Wie Insider berichten, war der Landrat der Meinung, dass Kempens Dezernent Stephan Kahl bei der Beantragung von Fördermitteln für die Studie zu zögerlich agiert habe.

Beide Seiten betonen immer wieder, dass es keine Probleme gebe und man gemeinsam am Projekt weiterarbeiten wolle. Zuletzt demonstrierten Rübo und Coenen das bei einer Pressekonferenz am 25. Februar.

Nichtsdestotrotz ist im stolzen Kempen die Botschaft aus Viersen angekommen, dass die ehemalige Kreisstadt bei den Burgplanungen nicht so mitreden darf wie angenommen. Das machten die Politiker querbeet durch die Fraktionen im Denkmalausschuss deutlich. So erklärten Josef Lamozik (CDU) und Heinz Wiegers (SPD), dass man sich zu wenig „mitgenommen“ und „eingebunden“ fühle.

Vor allem in Kempen muss der Viersener Coenen also vorsichtig agieren. Zumal bei einem anderen Thema, das mit einer neuen Nutzung der Burg verbunden ist, noch größeres Konfliktpotenzial besteht: Um den Neubau des Archivs wird sich in den nächsten Monaten eine heiße Diskussion entwickeln.

Die Kempener CDU gab dem CDU-Landrat bereits mit auf den Weg, dass auch ein neues Archiv nach Kempen gehört. Fraktionsvorsitzender Wilfried Bogedain und Bürgermeister Rübo betonen, dass der Kempener Anteil am Archiv der bedeutendste sei. Ähnlich sehen es auch die anderen Fraktionen. „Stadt- und Kreisarchiv gehören nach Kempen“, sagt zum Beispiel SPD-Fraktionschef Andreas Gareißen.

Nur aus den Reihen der FDP gibt es bislang Signale, die Standortfrage des Archivs „ergebnisoffen“ zu diskutieren. Die Liberalen um Fraktionsvorsitzende Irene Wistuba und Parteichef Wolfgang Lochner (beide aus Kempen) können sich gar für die Idee eines „Kreiskulturzentrums“ in Grefrath begeistern: Freilichtmuseum und Archiv-Neubau in unmittelbarer Nähe.

Für diese Idee aus seinem Büro hat Coenen natürlich große Sympathien. Öffentlich sprechen will er darüber aber noch nicht. Stattdessen betont er die Bedeutung Kempens in der Diskussion. Gleichzeitig umgarnt der Landrat die Städte Willich und Viersen, ihre eigenständigen Stadtarchive in eine neue Kreiseinrichtung zu integrieren. Bis zum 18. März sollen sich die Kommunen entscheiden.

Aus Willich sickert bereits durch, wenig Interesse an der Aufgabe des eigenen Archives zu haben — es sei denn, das Kreisarchiv würde in Willich angesiedelt. In Viersen gibt es ebenfalls Bedenken. Wie sähe die künftige Vernetzung des dortigen Stadtarchivs mit der Bürgerschaft aus? Wie wäre die Frage eines Betriebsübergangs zu klären? Solche Fragen sollen im Viersener Kulturausschuss diskutiert werden — allerdings erst am 18. April.

Und so könnte Coenen in der Archiv-Frage tatsächlich auf die kleinste Kommune im Kreis Viersen setzen. Schließlich hat er bereits als Kreisdirektor und Kulturdezernent mit großem Enthusiasmus und Stolz den Neubau des Eingangs zum Grefrather Freilichtmuseum umgesetzt. Fotos davon hängen im Besprechungszimmer des Landrates.

Für die Niersgemeinde wäre der „Gewinn“ des Archives prestigeträchtig. Gleichzeitig könnte sich die finanziell arg gebeutelte Kommune ein paar ihrer Sorgen entledigen. Denn für ein neues Archiv bräuchte der Kreis ein Grundstück - auf dem Gelände des Freilichtmusems dürfte kein Platz sein. In der Grefrather Politik wird bereits diskutiert, sich von Teilen des Schwingbodenparks oder gar vom Dorenburg-Freibad zu trennen.

Vor allem Letzteres würde die Gemeindekasse zwar entlasten. Die Fraktionen und der parteilose Bürgermeister Manfred Lommetz müssen sich aber bewusst sein, dass die Aufgabe des sanierungsbedürftigen, aber beliebten Freibads einer Sport- und Freizeitgemeinde auch nicht gut zu Gesicht stehen würde.

Welche Ideen auch immer in den kommenden Monaten rund um die Themen Burg und Archiv diskutiert werden, ausbremsen wird Landrat Coenen das Thema keinesfalls. Schließlich muss er das Fördergeld in Höhe von 5,1 Millionen Euro für ein neues Archiv bis 2020 verbaut haben.

Außerdem will sich der Kreis Viersen in jedem Fall von der kostspieligen Festung trennen. „Eine weitere Nutzung der Burg für uns steht nicht auf dem Tapet“, machte Coenen jüngst in einem Pressegespräch deutlich — um damit den nächsten Konfliktherd anzuheizen. Einen womöglich jahrelangen Leerstand „ihrer“ Burg werden die Kempener nicht akzeptieren — und sie würden es dem Viersener Landrat ziemlich übel nehmen. CDU-Fraktionschef Wilfried Bogedain: „Ich warne vor einem irreparablen Schnellschuss.“

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